Süddeutsche Zeitung

Impfschutz:Masern statt Mathe

Wer an Schulen in Bad Segeberg keine Impfung vorweisen konnte, durfte sie nicht betreten. Das Gesundheitsamt kontrollierte. Manche Schüler verpassten Abiturprüfungen.

Von Peter Burghardt

Man denkt ja sicher an alles Mögliche, wenn das Abi bevorsteht. Aber an Masern? Gymnasiasten der Dahlmannschule in Bad Segeberg mussten sich dieser Tage damit befassen, seit am vergangenen Freitag bekannt geworden war, dass ein Mitschüler an Masern erkrankt ist. Sechs Schülerinnen und Schüler waren sich bei ihrem Impfstatus nicht sicher, das Gesundheitsamt bot einen Schnelltest an. Ergebnis: Drei Probanden kamen bei diesem für sie überraschenden Examen durch, drei nicht. Und jene drei von insgesamt 97 Abiturienten, deren Immunität gegen Masern unklar war, müssen diesen Teil ihrer Abiturprüfung nachholen.

Denn wer keine Masernimpfung vorweisen konnte, der durfte zwei Schulen in Bad Segeberg in Schleswig-Holstein dieser Tage nicht betreten. Das Gesundheitsamt kontrollierte an den Eingängen die Impfausweise, um die Masern zu stoppen. Ein Geschwisterpaar hatte sich infiziert, die beiden gehen auf zwei verschiedene Schulen der Stadt. An der Dahlmannschule wurden daraufhin 21 der 759 Schülerinnen und Schüler oder Lehrerinnen und Lehrer abgewiesen, weil ihr Impfschutz unklar war oder eindeutig keine Antikörper nachgewiesen werden konnten; eine nachträgliche Impfung wirkt erst verzögert.

67 Schüler waren nicht geimpft

Nachdem die Schulleitung informiert hatte, kamen 67 nicht eindeutig und rechtzeitig Geimpfte gar nicht erst. Am Mittwochmittag nach der sechsten Unterrichtsstunde war "der Spuk vorbei", wie der kommissarische Direktor Thorsten Glaser berichtet, denn an diesem Donnerstag beginnen in Schleswig-Holstein die Osterferien.

Die zwei Wochen Auszeit kommen diesmal am Gymnasium Dahlmannschule und der Grundschule Theodor-Storm-Schule besonders gelegen. "Optimal", sagt Direktor Glaser, wobei er die Folgen der dreitägigen Einlasskontrolle unspektakulär findet - wer nicht ins Schulgebäude durfte, der hätte ja auch ganz normal krank sein können. Wer nicht erschien, konnte sich sogar per E-Mail abmelden. "Wir hatten das gut im Griff", sagt Glaser, Medienhype inklusive. Das Gesundheitsamt reagierte schnell, die Schulen blieben gelassen. Nur vereinzelte Eltern sollen gegen einen Schnelltest ihrer Kinder oder eine Impfung gewesen sein. Plötzlich waren die Masern auch unter Schuldächern ein Thema, was heilsam sein könnte.

Extrem gefährliche Viren

Die Politik in Berlin und anderswo diskutiert ja schon länger über eine Impfpflicht, die Weltgesundheitsorganisation hält die Ablehnung von Impfungen für eine der großen Bedrohungen. Aus Deutschland werden immer wieder Ausbrüche von Masern gemeldet. Manche Leute meinten immer noch, dass Masern eine harmlose Kinderkrankheit seien, sagt Helmut Fickenscher, Professor für Infektionsmedizin an der Uni Kiel. Dabei könnten die Viren extrem gefährlich werden, in durchschnittlich einem von 1000 Fällen lösten sie eine lebensbedrohliche Gehirnentzündung aus. Und: "Masern sind höchst ansteckend" - und zwar schon drei bis fünf Tage vor dem Auftreten des typischen Hautausschlags, wenn Erkrankte oft noch nicht wissen, dass sie Masern haben. In Bad Segeberg hoffen sie, dass die Causa Masern nach den Osterferien komplikationslos überstanden ist. Ersatztermin für die verpassten Abiturfächer: 8. Mai.

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SZ vom 04.04.2019
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