Süddeutsche Zeitung

Immobilien:Aus dem Häuschen

Selten war der Begriff "Wohnklo mit Kochdusche" treffender als für jenes Vier-Quadratmeter-Haus, das gerade in Bremen zum Verkauf steht. Für Eigenbrötler aber echt praktisch.

Von Peter Burghardt

Es ist ja immer Geschmackssache, wo der Mensch sich wohlfühlt und wie viel Raum er braucht. Der eine liebt seinen Campingwagen am Baggersee, andere wollen nirgendwo anders wohnen als im Weißen Haus, möglichst mit Büro im West Wing. Oder an der unauffälligen Adresse Downing Street 10, wo die Tür nur von innen aufgemacht werden kann. Auf der Suche nach den kleinsten aller Häuser trifft man zum Beispiel auf The Smallest House, einen grünen Wohncontainer in den USA, mit Bullaugen. 25 square feet, das sind 2,32 Quadratmeter. Waschbecken, Dusche, Gasherd und "solides Müllsystem" inklusive.

Vergleichsweise geräumig, aber eventuell dennoch eher für Interessenten mit Agora- als mit Klaustrophobie geeignet, ist da jenes Gebäude in der Bremer Innenstadt, das gerade zum Verkauf steht. Das Grundstück hat eine Fläche von satten sieben Quadratmetern, umgerechnet gut drei Smallest Houses also; die Wohnfläche beträgt komfortable vier Quadratmeter. Der Preis: 77 777 Euro. Eine eingängige Summe, darauf einen Bremer Schnaps. Pro Quadratmeter zwar kein wirkliches Schnäppchen, aber: "mit Dachterrasse zwischen den Dächern des schönen Schnoor-Viertels", wie es in dem Angebot des zuständigen Immobilienbüros heißt.

Es gibt sogar einen Keller, Denkmalschutz besteht ebenfalls. Allerdings nur ein Zimmer, klar, und auch nur eine Etage, obwohl es laut Beschreibung 1905 zwei Etagen gegeben hatte. Das Flachdach, so liest man außerdem, habe seinerzeit einen Hühnerstall beherbergt sowie einen Auslauf für japanische Seidenhühner. Eine Attraktion damals, die Älteren erinnern sich. Zwischen Bad und Küche soll noch heute hinter Glas Blattgold angebracht sein. Es sei möglicherweise das kleinste Tiny House Deutschlands, wird der Makler zitiert. Von einer möglichen Verwendung als Atelier, Praxis oder Feriendomizil ist die Rede. "Lassen Sie Ihrer Fantasie in diesem Haus freien Lauf", empfiehlt die Objektbeschreibung.

Tut mir leid, Leute, ich hab keinen Platz!

Lässt man der Fantasie rasch freien Lauf, so vertreibt man sich die Zeit zwischen Stehpult und Herd, duscht gemütlich auf dem Klo und macht es sich zu später Stunde im Keller bequem, nachdem man auf der Dachterrasse von den japanischen Seidenhühnern geträumt hatte und dem enormen Bremer Rathaus ganz in der Nähe. Die Stadtmusikanten würden auch hineinpassen, sofern sie nicht an die Decke stoßen, die stapeln sich ja von jeher. Es ist auch der ideale Orte für alle, die wegen Corona oder allgemeiner Freude an der Einsamkeit ungern Besuch empfangen. Einen sehr ausgewählten Gast kann der künftige Hausherr oder die künftige Hausfrau auf ein Gläschen oben auf die Plattform bitten, ansonsten ist einer Ausrede hier kaum zu widersprechen: Tut mir leid, Leute, ich habe einfach keinen Platz.

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