Image von Amanda Knox:Es war einmal ein Engel mit Eisaugen

Gefühlskalte Killerin oder unschuldiges Justizopfer: Lange bewegte sich das Image von Amanda Knox zwischen zwei Extremen. Mit einer groß angelegten PR-Kampagne gelang es Familie und Freunden der 24-Jährigen, das öffentliche Bild zu ihren Gunsten zu verschieben. Davon könnte Knox nun auch finanziell profitieren.

Ungeschminkt, die braunen Haare zurückgebunden und in einer übergroßen grauen Strickjacke tritt Amanda Knox am Flughafen Seattle vor die Journalisten. Unter Tränen und mit brüchiger Stimme bedankt sie sich bei all jenen, die immer an ihre Unschuld geglaubt haben: Auch damals, 2009, als sie in einem ersten Prozess im italienischen Perugia wegen Mordes verurteilt wurde.

Als Amanda Knox nun - knapp zwei Jahre nach dem mutmaßlichen Fehlurteil - das erste Mal selbst spricht, trägt sie eine silberne Halskette mit einem Engels-Anhänger. Den Spitznamen "Engel mit Eisaugen", den ihr italienische Medien wegen ihrer vermeintlichen Gefühlskälte und Skrupellosigkeit verliehen hatten, liest die mittlerweile 24-Jährige indes deutlich seltener als früher.

Dass sich die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person - gerade auch in Europa - zu ihren Gunsten verschoben hat, verdankt Knox in erster Linie ihrer Familie, Freunden und einem engagierten Unterstützerkreis. Denn das Umfeld der jungen Amerikanerin arbeitet von Anfang an daran, dem Bild von der kaltblütigen Killerin das Image des All American Girl, das fern der Heimat zum Justizopfer wurde, entgegenzusetzen.

Bereits kurz nach der Verhaftung seiner Tochter 2007 vermittelte ein Arbeitskollege von Amandas Vater der Familie den Kontakt zu einer in Seattle ansässigen PR-Firma. "Gogerty Marriott" sollte der Familie helfen, den Medienansturm zu bewältigen. Das US-Unternehmen ist auf Krisenkommunikation spezialisiert, hat auch schon die US-Fluggesellschaft Alaska Airlines nach einem Flugzeugabsturz im Jahr 2000 beraten. Anfangs rieten jedoch Knox' italienische Anwälte aus verfahrenstaktischen Gründen von einer allzu offensiven Öffentlichkeitsarbeit ab.

Weniger zurückhaltend waren da schon Amandas Freunde: Nur wenige Monate nach ihrer Festnahme ging die Webseite friendsofamandaknox.org online. "Am Anfang gab es diese schreckliche Sintflut an negativen Informationen über sie, von denen wir wussten, dass sie schlichtweg falsch sind", sagte Tom Wright der New York Times. Der Mitinitiator der Homepage hat eine Tochter, die mit Amanda zur Schule ging.

Knox' Schicksal ist Millionen wert

Dem medialen Bild der eiskalten Killerin stellte Amandas Umfeld Fotos aus Kindheitstagen entgegen. Die junge Frau wurde als Familienmensch und Tierfreundin porträtiert: Auf der Webseite gibt es ein Bild von Amanda mit Baby im Arm - und gleich mehrere Fotos zeigen die Sprachstudentin beim Spielen mit ihrem Hund "Ralphy".

Die Solidarität in der Heimat der Inhaftierten war gewaltig: Ein Helfer, der bei einer britischen Fluglinie arbeitet, vermittelte Edda Mellas, Amandas Mutter, billige Flüge nach Rom. Damit diese ihre Tochter regelmäßig besuchen konnte, opferten Arbeitskollegen der Mathematiklehrerin ihre eigenen Urlaubstage. Andere Unterstützer spendeten der Familie Flugmeilen.

Der Helferkreis um Tom Wright sammelt nach eigenen Angaben etwa 100.000 Dollar Spendengelder - jedoch bei weitem nicht genug, um die Ausgaben der Familie Knox zu decken. Auf mehr als eine Million Dollar schätzt Wright die Kosten des vierjährigen Rechts- und PR-Streits.

Nicht zuletzt Amanda selbst könnte nun ihren Teil dazu beitragen, den entstandenen Schuldenberg abzutragen. Nach Aussage ihrer Familie will die 24-Jährige das erlebte Trauma in einem Buch verarbeiten. "Sie wird darüber schreiben, weil das ihre Art ist, mit Dingen umzugehen", kündigte Amandas Stiefvater Chris Mellas bereits kurz nach ihrer Freilassung an.

Das Schicksal der Amanda Knox ist Millionen wert, da sind sich PR-Experten einig. "Sie hat eine unglaubliche Geschichte zu erzählen und es ist eine globale Geschichte", sagte der britische PR-Fachmann Mark Borkowski dem Guardian. Einen (umstrittenen) Fernsehfilm mit dem Titel Amanda Knox: Murder on Trial in Italy (2011) gibt es bereits, ein Kinofilm ist angeblich in Planung: Dem Blatt zufolge will der britische Regisseur Michael Winterbottom den Fall Knox/Kercher mit Oscar-Gewinner Colin Firth auf die Leinwand bringen.

Doch so heilsam und lukrativ eine Buchveröffentlichung für Amanda Knox sein mag, es gibt Stimmen, die warnen, die Amerikanerin könnte so wieder Sympathien verlieren. "Wenn das Buch in den ersten Monaten nach ihrer Rückkehr herauskommt, könnten die Leute sagen: 'Wie traumatisch kann es gewesen sein, wenn sie in so kurzer Zeit ein Buch darüber schreiben kann?'", sagte der US-Psychologe Josh Kaplow dem Fernsehsender CNN.

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