ICE-Unfall bei Fulda:"Ich bin froh, dass ich lebe"

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Nach dem ICE-Unglück auf der Stammstrecke bei Fulda will die Polizei den genauen Unfallhergang prüfen. Eine Schafherde blockierte die Gleise. Zudem könnte aber auch die Stellung der Weichen eine Rolle gespielt haben. Bei dem Unfall wurden mindestens 23 Personen verletzt.

Der ICE 885 war auf dem Weg von Hamburg nach München. Der Zug mit zwölf Waggons und zwei Triebköpfen entgleiste den Angaben der Polizei Koblenz zufolge bis auf zwei Waggons und kam nach etwa einem Kilometer in dem Landrückentunnel bei Fulda zum Stehen. Unter den Verletzten waren drei mittelschwer verletzt, weitere 20 leicht. Alle Reisenden seien evakuiert und mit Bussen zunächst in ein örtliches Bürgerhaus gebracht worden.

Unfall im Tunnel: Der ICE entgleiste nach dem Zusammenprall mit einer Schafherde. (Foto: Foto: dpa)

Bei dem Zusammenstoß wurden nach Angaben der Behörden zudem etwa 20 Schafe getötet. Der Halter der Tiere sei inzwischen ermittelt worden. Die zuständigen Behörden hätten die Ermittlungen aufgenommen. Er war aber zunächst nicht vernehmungsfähig. Der Mann stehe unter Schock. Außerdem prüft die Bundespolizei Koblenz, ob auch die Stellung der Weichen eine Rolle gespielt hat, sagte der Sprecher der Bundespolizei Koblenz, Reza Ahmare.

In dem Tunnel werden Geschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern erreicht. Er ist nach Angaben der örtlichen Feuerwehr knapp elf Kilometer lang und damit der längste Eisenbahn-Tunnel Deutschlands. Das Polizeipräsidium Osthessen erklärte, nach ersten Erkenntnissen habe die Schafherde bei der Einfahrt des Zuges in das nördliche Tunnelportal auf den Gleisen gestanden.

Unklar ist noch, wie die Schafherde in den Tunnel gelangen konnte. Die Bahn könne derartige Unglücke nicht verhindern, sagte Sprecher Torsten Sälinger in Frankfurt. "Wir haben 34.000 Eisenbahnkilometer in Deutschland, die komplette Überwachung ist technisch nicht möglich." Bahn-Sprecher Bernd Weiler sagte dem dpa-Audiodienst, das Streckennetz der Bahn sei ein ebenso offenes System wie Autobahnen oder Landstraßen. Bei der Unglücksstelle nahe Fulda sei "nicht allzu viel umzäunt". Nur in Waldgebieten mit viel Wildwechsel setze man hohe Zäune ein.

"Unglaublicher Qualm und Staub"

Eine Augenzeugin berichtete, der Zug habe stark geruckelt, als er über die Schafe fuhr. Danach sei der Wagen, in dem sie saß, aus dem Gleis gesprungen, einige hundert Meter neben den Schienen weitergefahren und schließlich halb gekippt zum Stehen gekommen. Die Fahrgäste hätten den Zug durch die Türen verlassen und seien entgegen der Fahrtrichtung auf dem Rettungssteig aus dem Tunnel gelaufen.

"In der Röhre war ein unglaublicher Qualm und Staub, ich dachte ich ersticke", sagte die 47-Jährige. "Ich bin noch immer grau von Kopf bis Fuß wie am 11. September in New York." Etwa 50 Meter habe die Münchnerin die Schafe gesehen. "Erst sah man nur eine Fleischmasse, später erkannte ich tote Schafe, halbtote Schafe, ein paar haben auch noch gelebt und mich angesehen." Obwohl ihr nicht passiert ist, sitzt bei der Frau der Schreck noch tief in den Knochen:"Ich bin froh, dass ich lebe".

Ein Sprecher der Bahn in Berlin sagte: "Eine Herde von 20 Schafen wirkt wie eine Wand aus Tieren". Das sei etwas ganz anderes, als wenn ein Hase, ein Wildschwein oder Ähnliches auf den Gleisen stehe.

Der Landrückentunnel wurde nach dem Unfall in beide Richtungen gesperrt. Die Züge des Fernverkehrs wurden auf Ausweichstrecken umgeleitet, wodurch es zu Verspätungen von maximal 30 Minuten kam, wie ein Bahnsprecher berichtete. Nahverkehrszüge fahren nicht auf dieser Strecke. Die Aufräumarbeiten im Tunnel gestalten sich schwierig.

Voraussichtlich wird die Schnellstrecke für die Zeit der Reparaturarbeiten noch einige Tage gesperrt bleiben. Die Züge auf dem stark befahrenen Abschnitt würden umgeleitet und hätten deswegen etwa eine halbe Stunde Verspätung, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn. Es sei mit erheblichen Beeinträchtigungen im Nah- und Fernverkehr zu rechnen. Die Bergungsarbeiten dauerten an. Die Bundespolizei in Koblenz erklärte, Tunnel, Gleise und ICE seien stark beschädigt. Der Schaden werde vermutlich in Millionenhöhe liegen.

© sueddeutsche.de/dpa/rtr/cmat/sg/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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