Hurrikan Matthew:Wie man Menschen dazu bringt, ihre Häuser zu verlassen

Hurrikan Matthew naht und Floridas Gouverneur Scott verbreitet Angst, damit sich die Menschen an der US-Ostküste in Sicherheit bringen. Muss das sein?

Von Barbara Vorsamer

Die amerikanische Ostküste bereitet sich derzeit auf die Ankunft von Hurrikan Matthew vor, den manche Experten für den verheerendsten Sturm seit Anfang der Neunzigerjahre halten. Drei Millionen Menschen sind daher aufgefordert worden, ihre Häuser zu verlassen und sich ins Landesinnere zu begeben.

Dieser so nüchtern klingende Satz steht oft in Katastrophenmeldungen. Doch wie bringt man die Menschen dazu? Wie erreicht man sie überhaupt? Und was sollten die Behörden auf gar keinen Fall sagen?

Angst erzeugen

"Dieser Sturm wird euch töten. Die Zeit ist knapp", sagte Floridas Gouverneur Rick Scott seinen Bürgern. "Dieser Sturm ist ein Monster." Worte wie diese machen Angst - und das sollen sie auch. Denn die wenigsten Menschen wollen ihre Häuser verlassen, sie neigen dazu, so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden zu bleiben, weil sie sich dort am sichersten fühlen. Um sie da herauszubekommen, muss ihnen der Ernst der Lage klar werden. Viele US-Medien veröffentlichen daher derzeit Erfahrungsberichte und Überlebenstipps von Menschen, die sich schon einmal im Auge eines Hurrikans wiedergefunden haben.

Bei Hurrikan Sandy im Jahr 2012 schrieben Behördenmitarbeiter widerwilligen Einwohnern ihre Sozialversicherungsnummer auf den Arm und erklärten, sie würden das tun, um später ihre Leichen identifizieren zu können. Andere teilten Formulare aus, in denen gefragt wurde, welcher nächste Verwandte über ihr Ableben informiert werden solle. Cara L. Cuite, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Rutgers Universität in New Jersey und Expertin für Krisenkommunikation, sagte der New York Times: "Man macht das, um den Menschen, die nicht fliehen wollen, klar zu machen: Wer nicht geht, könnte sterben."

Die richtigen Worte wählen

Eine vorbeugende Evakuierung wie derzeit vor dem Hurrikan Matthew ist immer freiwillig, niemand wird von Polizei oder Militär gewaltsam aus seiner Wohnung entfernt. Trotzdem ist es besser, wenn Behörden und Medien das Wort "freiwillig" nicht benutzen, sondern lieber davon sprechen, dass die Evakuierung angeordnet wurde oder obligatorisch ist. Auch das scheint sich Rick Scott zu Herzen genommen haben. Er sagt: "Es gibt keine Ausreden, Sie müssen ihre Häuser verlassen."

Ungünstig dagegen sind direkte Vergleiche mit einem anderen verheerenden Sturm. "Matthew wird mindestens so große Schäden anrichten wie Hurrikan Sandy", hieß es zum Beispiel. Solche Formulierungen verleiten all diejenigen, die beim letzten Mal Glück hatten, dazu, zu denken, dass sie schon wieder glimpflich davon kommen. Doch jeder Hurrikan hat eine andere Stärke, eine andere Route, transportiert andere Luft- und Wassermassen.

Präzision ist dagegen gefragt, wenn es um die mutmaßlich betroffenen Gebiete geht und die Uhrzeiten, zu denen sie geräumt werden sollen. Im Idealfall beugt das unnötigen Evakuierungen vor. Denn nicht nur die Menschen, die nicht fliehen wollen, sind ein Problem - auch die, die gar nicht fliehen müssten, aber es trotzdem tun. Diese Leute verstopfen dann Straßen und Bahnhöfe und bringen die, die wirklich weg müssen, in Gefahr.

Kommunikation auf allen Kanälen

Doch vor der Suche nach den richtigen Worten steht für die Behörden die Herausforderung, die Menschen überhaupt zu erreichen. Es gibt Hurrikan-Apps für Smartphones, aber die hat nicht jeder. Die Informationen werden über Radio und Fernsehen verbreitet, aber auch diese Medien nutzt nicht jeder. Daher nutzen die Behörden einfach alle zur Verfügung stehenden Kanäle: Online-Medien, Radio und Fernsehen, zudem werden Hurrikan-Warnungen per SMS und E-Mail verschickt und auf Facebook und Twitter verbreitet.

Bei allen Kanälen und Medien besteht die Gefahr, dass die lebenswichtige Hurrikan-Information in der Masse anderer Mails, Nachrichten und Push-Notifications schlicht untergeht. Experten raten daher, die Evakuierungsnachricht länger stehen zu lassen und optisch oder akustisch hervorzuheben. Leider ist auch das nicht ganz einfach in Zeiten, in denen jeder Anbieter seinen Post, seine Pushmeldung oder seine Mail als etwas Besonderes zu verkaufen versucht.

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