Hurrikan:"Irma" kann kommen

A worker covers the windows of a restaurant with plywood in preparation for Hurricane Irma in Miami Beach

"Wir lieben Miami Beach, Amen": Ein Restaurant in Miami Beach wird mit Sperrholz auf Irma vorbereitet.

(Foto: REUTERS)

Ist es besser, sich mit Vorräten im Haus zu verbarrikadieren? Oder sollte man mit dem Auto flüchten, obwohl schon das Tanken eine Herausforderung ist? Zwei Deutsche, die in Florida leben, erzählen, wie sie sich auf den Hurrikan vorbereiten.

Protokolle von Eva Casper und Franziska Pröll

Menschen, die ihre Häuser mit Brettern zunageln, leergekaufte Supermärkte und riesige Warteschlangen an Flughäfen: Fast alle Bilder, die derzeit aus Florida veröffentlicht werden zeigen Vorbereitungen auf einen der gefährlichsten Wirbelstürme, den der US-Bundesstaat je erlebt hat. In der Nacht von Samstag auf Sonntag, das sagen die Meteorologen voraus, wird Irma nahe Miami auf Land treffen. Zwei Deutsche, die in Florida leben, erzählen, wie sich sich vor dem Hurrikan wappnen.

Björn Marek, 41, Leiter Sales, PR und Marketing bei einer Automobilfirma, lebt mit seiner Familie in Aventura nahe Miami:

"Nervös sind wir auf jeden Fall. Wir leben erst seit fünf Monaten hier, Miami. Somit ist es für uns der erste Hurrikan. In Deutschland kommt sowas ja nicht vor, Gott sei Dank. Wir sind angespannt und machen uns viele Gedanken. Extrem ängstlich sind wir aber nicht - zumindest noch nicht.

Unser Apartment ist etwa 600 Meter vom Meer entfernt. Es befindet sich in Evakuierungszone B, dem Bereich mit der zweithöchsten Räumungspriorität. Die Stadt fordert Bewohner von ebenerdigen und niedrigen Häusern auf, diese zu verlassen. Bewohner von mehrstöckigen Komplexen dürfen bleiben. Wir wohnen im 11. Stock. Trotzdem haben wir uns entschlossen, das Apartment zu verlassen. Am Mittwochabend haben wir mit Freunden und Kollegen telefoniert und Meinungen eingeholt. Viele sagten, dass sie flüchten.

Marek neu

Björn Marek wohnt 600 Meter vom Meer entfernt.

(Foto: privat)

Wir brechen am Freitagmorgen auf. In Orlando haben wir ein Hotel gebucht. Irgendeines, das noch zu haben war. Fast alle Zimmer sind bereits ausgebucht. Hoffentlich sind die Straßen einigermaßen frei. Der Gouverneur hat die Mautgebühren auf Schnellstraßen gestrichen. Die Leute sollen kostenlos und möglichst schnell in Richtung Norden gelangen können. Die Regierung macht übrigens auch automatisierte Anrufe auf Festnetztelefonen und Handys. Darin gibt sie Anweisungen, zum Beispiel: ,Denken Sie darüber nach, die Region zu verlassen.'"

Am Mittwoch hatten wir einen Tag Urlaub und konnten mit den Vorbereitungen beginnen. Der erste Schritt war, zu tanken. Das war schwieriger, als wir es erwartet hatten. Mehrere Tankstellen waren bereits geschlossen oder das Benzin war ausverkauft. Vor anderen Tankstellen haben sich lange Schlangen gebildet, die Polizei beaufsichtigte sie. Es gab keinen wirklichen Ärger, aber hier und da drängelten sich Leute vor. Der Officer verwies sie auf ihren Platz am Ende der Schlange.

Außerdem haben wir viele Konservendosen, Chips und andere, abgepackte Produkte gekauft. Die Supermärkte waren sehr gut besucht, doch es war kein Problem, diese Sachen zu bekommen. Jedoch war es schwierig, an Wasser zu kommen. In fast allen Supermärkten ist das Wasser ausverkauft, die Lieferungen kommen nicht mehr hinterher. Soweit ich informiert bin, liegt das auch an ,Harvey'. Wegen dieses Sturms wurde in den letzten Wochen viel Wasser nach Texas geschafft - und fehlt nun hier. Nach langem Suchen haben wir in einem kleinen Laden zum Glück noch ein paar Flaschen Wasser auftreiben können. Sie lagen in einem Kühlschrank vor der Kasse, ganz unten und versteckt.

Am Donnerstag, unsere Firmen hatten geschlossen, haben wir unser Apartment ,hurricane-proof' gemacht. Wir haben die Möbel vom Balkon weggeräumt, die Fliegengitter abgenommen und alles im Gästebad verstaut. Unsere beiden Bäder haben keine Fenster und dienen als Lagerraum, auch für wichtige, persönliche Gegenstände. Unsere Fenster sind angeblich hurrikanfest, sie sollen Stürme bis Windstärke 5 aushalten. Hoffen wir, dass dem auch so ist - und die Wohnung den Hurrikan unbeschadet übersteht."

Als wären die Häuser nur Legobausteine

Sonja Rienecker, lebt auf der Insel Key West und arbeitet dort in einem Hotel:

"Es ist schwer zu beschreiben, wie das ist, wenn ein Hurrikan kommt. Als erstes merken es die Tiere. Mein Hund ist schon seit zwei Tagen ganz unruhig. Wenn der Sturm näher kommt, dann bewegt sich draußen wirklich nichts mehr: kein Vogel, keine Ameise, alles ist weg. Wenn der Hurrikan da ist, kommt das Wasser wie aus Eimern. Du könntest deine Hand in den Regen reinhalten und würdest sie nicht sehen. Die Luft ist wie aufgeladen: es knistert richtig.

Welcher Hurrikan am schlimmsten war? Alle sind schlimm. Ich wohne hier schon seit mehr als 25 Jahren. Andrew, im Jahr 1992, war mein erster Hurrikan. Damals bin ich extra in ein Hotel eingecheckt. Am nächsten Tag gab es keinen Strom, die Klospülungen gingen nicht. Wir haben rausgeschaut: alles war total verwüstet. Es sah aus, als wären die Häuser für den Sturm nur Legobausteine gewesen. Bei Wilma im Jahr 2005 war die ganze Insel überschwemmt. Auch mein Auto war nach dem Hurrikan nur noch Schrott.

Kuhn

Kuhn Kuhn

(Foto: privat)

Um mich auf Irma vorzubereiten, habe ich alles eingepackt und verbarrikadiert. Ich habe Essen gekauft, das lange haltbar ist: Hundefutter, Katzenfutter, Menschenfutter. Außerdem habe ich viel Wasser besorgt. Die Badewanne mache ich auch noch voll. Vielleicht braucht man ja mehr Trinkwasser, als man denkt. Ich war mal fast eine Woche ohne Strom und Wasser. Wenn du auf einer Insel wohnst, dann hast du aber schon von vornerein immer mindenstens zwei, drei Kästen Wasser da. Auch mit Batterien, Taschenlampen und einem Erste-Hilfe-Kasten bin ich ausgerüstet, Sachen, die man halt so braucht. Ich habe mir auch extra sturmsichere Fenster einbauen lassen. Mein Haus und mein Auto sind versichert. Da mache ich mir keinen Kopf.

Wenn absehbar ist, dass es wirklich schlimm wird, nehme ich meinen Hund und meine Katze und gehe in das Hotel, wo ich arbeite. Die lassen uns einchecken. Da gibt es einen Generator, Essen, Wasser und das Gebäude ist sturmsicher.

Vor zwei Tagen herrschte hier wirklich Panik. Die Straßen waren voller Autos, alle im Stress. Seit gestern ist es wieder ruhiger. Jetzt haben die meisten, was sie brauchen, alle Fenster sind zugebrettert. Ich war gerade mit dem Hund spazieren, da war fast kein Auto unterwegs. Die meisten sind weggefahren, vor allem diejenigen, die Kinder haben. Wenn du tagelang ohne Strom bist mit einem Kleinkind, das geht ja nicht. Ich wohne alleine, ich kann auch mal eine Woche ohne Energie auskommen.

Hier in Amerika ist es unwahrscheinlich anstrengend, die Nachrichten anzuschauen. Die bombadieren dich mit Ängsten: alles wird furchtbar und katastrophal. Natürlich muss man vorbereitet sei, aber die Leute total verrückt zu machen, bringt doch nichts. Trotzdem ist es jedes Mal so. Okay, jetzt muss ich Schluss machen. Ich muss meine Blumen noch in Sicherheit bringen, wenn die mit Salzwasser in Berührung kommen, gehen sie ein."

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