Hurrikan "Ike":Natur ohne Gnade

Bei seinem Besuch im Katastrophengebiet hat US-Präsident Bush den Opfern des Hurrikans "umfassende Hilfe" zugesagt. Der Sturm hat ganze Ortschaften ausradiert.

Was bleibt, sind Staunen, Schrecken und ein bisschen auch Erleichterung - wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt davon sprechen kann. Am dritten Tag, nachdem Hurrikan Ike über Texas hinweggezogen ist, wird das immense Ausmaß des Schadens deutlich, den der Sturm in der dicht besiedelten Küstenregion von Houston hinterlassen hat. Mit Staunen wird der Umfang der Schäden zur Kenntnis genommen, der mit geschätzten 16 Milliarden Dollar im Zweifel die staatliche Hurrikan-Versicherung in Texas in die Knie zwingen dürfte.

Hurrikan "Ike": Tage nach Hurrikan "Ike" wird das Ausmaß des Schadens erst deutlich.

Tage nach Hurrikan "Ike" wird das Ausmaß des Schadens erst deutlich.

(Foto: Foto: AP)

Mit Schrecken registriert wird die gnadenlose Macht der Natur, die direkt an der Küste Ortschaften ausradiert hat, wie Luftaufnahmen dramatisch belegen.

Mit Erleichterung indes dürfte aufgenommen werden, dass dieser Monstersturm gemessen am Ausmaß der Sachschäden offenbar relativ wenig Opfer gefordert hat. Dennoch steigt die Zahl der Todesopfer weiter. Bislang seien mindestens 47 Tote gezählt worden, meldet der Houston Chronicle in seiner Online-Ausgabe. Die meisten Menschen starben jedoch in anderen Bundesstaaten im Landesinneren, wo schwere Regenfälle sie überrascht hatten. In Texas kamen Menschen vor allem bei Verkehrsunfällen aufgrund des Sturms um.

Am heftigsten betroffen sind die Küstenstadt Galveston, die auf einer Düneninsel am Golf von Mexiko liegt, und die benachbarte Bolivar Peninsula. Das Auge des Hurrikans war direkt über die Region hinweg gezogen. Auf der Bolivar-Halbinsel, wo im Sommer bis zu 30.000 Menschen leben, wurden die meisten der auf Holzpfählen errichteten Häuser vom Sturm und der mächtigen Flutwelle fortgerissen.

Von der Gemeinde Gilchrist stehen noch zwei Häuser. Die Bilder erinnern an die Zerstörungen des Hurrikans Katrina, dessen Flutwelle vor drei Jahren ebenfalls ganze Küstenorte ausradiert hatte. Nach Angaben von Behördensprechern dürfte es Monate dauern, bis sich das Leben in Galveston halbwegs normalisieren wird. Die Hauptgasleitung und die Stromversorgung der Inselstadt, die nur über einen Straßendamm erreichbar ist, sind schwer beschädigt.

Giftiger Schlamm

Am Montag verschlechterte sich die Situation in Galveston weiter. Mindestens 15.000 Menschen hatten versucht, trotz aller Mahnungen der Behörden den Sturm in ihren Häusern zu überstehen. Nach dem Sturm indes ist nicht nur Strom- und Gasversorgung zusammengebrochen, auch Wasser und Abwasserleitungen funktionieren nicht richtig.

Hinzu kommt, dass die Wasserlachen, die die Fluten hinterlassen haben, ideale Brutbedingungen für Moskitos bieten. Ein Mann wurde mit mehr als 1000 Mückenstichen mit dem Hubschrauber in eine Klinik geflogen. "Galveston ist für seine Bevölkerung zur Zeit kein sicherer Aufenthaltsort mehr", sagte Stadtdirektor Steve LeBlanc in einem dramatischen Appell, "ganz ehrlich, wir nähern uns einer Krise, für die Menschen, die hier bleiben, wird der Aufenthalt zum Gesundheitsrisiko."

Die Stadt beorderte ein Kreuzfahrtschiff in den Hafen als Unterkunft für die Helfer bei den Aufräumarbeiten. Als besonders gefährlich gelten die Schlammmassen auf den Straßen und in den Häusern. "Das ist eine giftige Suppe", sagte Brandon Wade, der die Aufräumarbeiten organisiert.

In Houston, der Metropole der Region, indes normalisierte sich das Leben langsam: Zwar gab es lange Schlangen vor Tankstellen und Läden, doch die meisten Durchgangsstraßen waren wieder frei passierbar. 550.000 Häuser hatten am Montag wieder Strom. Weitere 1,5 Millionen Haushalte waren indes noch immer ohne Elektrizität.

Die meisten Läden und - für die Versorgung der Nation mit Benzin besonders prekär - auch die meisten Raffinerien der Region blieben geschlossen. Die Behörden haben eine nächtliche Ausgangssperre über die Stadt verhängt, um Plünderungen vor allem im Zentrum zu vermeiden, wo viele Büros in den Hochhäusern durch Windschäden in Mitleidenschaft gezogen wurden. Bisher wurden 33 mutmaßliche Plünderer festgenommen.

Etwa 37.000 Menschen aus der Küstenregion sind in 300 Notunterkünften quer durch Texas untergebracht. Für sie dürfte es so schnell kein Zurück geben. Der Gouverneur von Texas, Rick Perry, warnte vor einer Rückkehr, weil die Küstengemeinden zerstört oder zu unsicher für Rückkehrer seien.

Bush verspricht Hilfe

US-Präsident George W. Bush sagte den Opfern des Hurrikans am Dienstag umfassende Hilfe zu. Bei einem Besuch im texanischen Katastrophengebiet sprach er von einer "schwierigen Situation", die rasches Handeln erfordere.

Sowohl die Schutzmaßnahmen vor dem Eintreffen von Ike am vergangenen Samstagmorgen als auch die Aufräumarbeiten sollten aus Bundesmitteln finanziert werden. Hunderttausende Menschen, die den Evakuierungsaufrufen gefolgt seien, würden für die Zeit ihrer Abwesenheit finanziell entschädigt. "Mit angemessener Hilfe wird es ein besseres Morgen geben", sagte der Präsident.

Vorrang habe zunächst die Trinkwasser- und Stromversorgung, sagte Bush. Der US-Präsident ließ sich in Houston über die Situation unterrichten und verschaffte sich dann von einem Helikopter aus einen eigenen Eindruck. Zum Abschluss seiner Visite wollte Bush das Krisen-Operationszentrum in Galveston besuchen.

Nach dem Hurrikan Katrina war Bush auch deshalb kritisiert worden, weil er die Krisenregion erst nach Tagen besucht hatte.

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