Dognapping:Warnung vor dem Hundedieb

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Kleine Rassen sind bei Dieben beliebt - weil man sie unter den Arm klemmen und wegrennen kann. Tierschützer raten, Hunde nicht vor Geschäften anzuleinen. (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Fast täglich stellen verzweifelte Hundebesitzer Vermisstenanzeigen online, bei Entführern besonders begehrt sind Französische Bulldoggen und Malteser. Wie dreist die Diebe vorgehen - und wie sich die Tiere schützen lassen.

Von Titus Arnu

Brutus war nur zehn Minuten allein, und schon war es passiert. Der braunweiße Shih-Tzu-Malteser-Mischling war von seinem Frauchen vor einem Supermarkt in Unna, Nordrhein-Westfalen, angeleint worden. Als die Dame zehn Minuten später aus dem Laden kam, war das Tier verschwunden. "Die Geschädigte schließt aus, dass der gechipte Vierbeiner aus freien Stücken weggelaufen ist, weil er dies noch nie getan hat", hieß es im Polizeibericht. Auf Deutsch: Brutus wurde geklaut. Die Polizei veröffentlichte ein Fahndungsfoto und suchte nach Zeugen.

Ähnlich dramatische Erlebnisse hatte ein Zwergspitz in Großsachsenheim (Baden-Württemberg). Die Polizei Ludwigsburg berichtet, ein unbekannter Täter habe den Hund gestohlen, der sich gegen 10.40 Uhr allein auf einem Spielplatz aufgehalten hatte.

Der hellbraun-weiße Zwergspitz sei den bisherigen Ermittlungen zufolge von einem 20 bis 25 Jahre alten, 1,70 Meter großen Mann entführt worden. Eine Nachbarin hatte den Vorfall beobachtet. Das wirft einige Fragen auf: Was treibt ein Hund allein auf einem Spielplatz? Wer zum Teufel entführt einen Zwergspitz? Und warum?

Weitere fellsträubende Fälle von Hundediebstahl kann man in der Facebookgruppe " Gestohlene Hunde" nachlesen. Fast täglich stellen dort verzweifelte Herrchen und Frauchen Suchmeldungen ein: Königspudel Chrysantho, Chihuahua Filou, Französische Bulldogge James, Berner Sennenhund Pelle - alle wie vom Erdboden verschluckt. Auch Charlie, ein Mops, wurde gemopst. Die Zahl der Diebstähle hat nach Angaben von Tierschutzverbänden in den vergangenen zwei Jahren zugenommen. Im Verdacht stehen laut Polizei organisierte Banden, die gestohlene Tiere gewinnbringend verkaufen. Weitere Motive der Diebe: Die Hunde werden an Tierversuchslabore verhökert und für illegale Hundekämpfe verwendet - oder die Entführer wollen Lösegeld erpressen.

Viele Hunde dackeln einfach mit den Entführern mit

Besonders begehrt sind kleine Moderassen wie Französische Bulldogge, Malteser, Mops, Chihuahua, Mini-Pudel oder Jack-Russell-Terrier. Welpen dieser Rassen kosten oft 2000 Euro und mehr. Wenn man solche Tiere vor einem Geschäft anbindet und unbeaufsichtigt lässt, werden sie zur leichten Beute, zumal die Täter sie unter den Arm klemmen und wegtragen können - das geht mit einer Dogge oder einem Bernhardiner nicht so leicht. Und mit ihren Stummelbeinchen können die überzüchteten Winzlinge schlecht flüchten. Zumal sie nichts Böses ahnen: Viele Opfer dackeln einfach arglos mit ihren Entführern mit.

Die Diebe werden immer dreister, nicht nur in Deutschland, und zum Teil auch gewalttätig. In Texas wurde ein Paar beim Gassigehen mit einem Sturmgewehr bedroht, bei dem Überfall wurde eine Englische Bulldogge erbeutet. In San Francisco wurde eine 30-Jährige auf der Straße niedergeprügelt, die Gewalttäter stahlen ihre beiden "Frenchies". In Jacksonville ließ ein Pizzabote einen Teacup-Pudel mitgehen. Im vergangenen Jahr erregte die Entführung von Lady Gagas Französischen Bulldoggen Gustavo und Koji weltweit Aufmerksamkeit.

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Unbekannte schossen einen Dogwalker an, der die Hunde der Sängerin in Hollywood ausführte, einen Tag später wurden die verstörten Tiere angeleint an einer Straßenecke entdeckt. Die Vermutung der Polizei: ein Aufnahmeritual für Mitglieder einer Gang - Promi-Dognapping als Mutprobe.

In den USA und in Großbritannien sind die Fallzahlen drastisch gestiegen: Die Organisation Doglost, die eine Datenbank für vermisste Hunde betreibt, verzeichnete 2020 insgesamt 465 gestohlene Hunde in Großbritannien und Irland. Im Vergleich zu den Zahlen von 2019 entsprach das einem Anstieg um 250 Prozent. Schätzungen von Tierschützern zufolge werden auch in Deutschland täglich Hunde gestohlen, besonders häufig in Großstädten, belastbare Zahlen gibt es allerdings nicht. Die Dunkelziffer ist hoch: Nicht jeder Wauwauklau wird angezeigt. Zudem erfassen die Bundesländer keine Daten zu gestohlenen Hunden.

Fest steht, dass die Diebe mit ihrer lebenden Beute Millionen erlösen. Die Tiere werden meist über Kleinanzeigen im Internet verkauft, oft mit gefälschten Papieren, Abnehmer finden sich immer. Die Aufklärungsquote ist gering, nur selten gelingt es Ermittlern, den illegalen Hundehandel zu unterbinden. Hundraub ist allerdings kein Kavaliersdelikt: Wer sich eine "fremde bewegliche Sache" (also auch ein Tier) unrechtmäßig aneignet, heißt es im Strafgesetzbuch, um sich oder einen anderen damit unrechtmäßig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Was gegen Hundediebstahl hilft

Die wichtigste Maßnahme gegen Hundeklau ist es, dem Tier einen Identifikationschip zu implantieren und die Nummer registrieren zu lassen. Bei der Tierschutzorganisation Tasso e. V., die eine kostenlose Haustierdatenbank betreibt, sind mittlerweile zehn Millionen Tiere registriert. "Ein Mikrochip schützt zwar nicht vor Diebstahl, dennoch sollten verantwortungsvolle Tierhalterinnen und -halter ihren Hunden und auch Katzen einen Mikrochip implantieren lassen und ihr Tier registrieren", sagt Sarah Ross, Heimtierexpertin bei der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. "Im besten Fall kann dies helfen, das Tier wiederzufinden." Tierheime, Tierärzte und Polizei können die Mikrochips auslesen.

Auf der Seite von Vier Pfoten kann man weitere Tipps nachlesen, wie man sich vor Hundedieben schützen kann. "Das einfachste Mittel gegen Diebstähle: nicht vor dem Geschäft anleinen!", rät Sarah Ross. Außerdem sollte man den Hund nicht stundenlang allein im Garten lassen - und ihn auch nicht ins Auto sperren (was man im Sommer sowieso nicht tun sollte). Denn immer wieder kommt es vor, dass Autos mitsamt Hunden gestohlen werden. Manchmal geht es den Dieben eher ums Auto, und die Tiere werden irgendwo ausgesetzt oder getötet, manchmal geht es ihnen aber auch um den Hund. Dank GPS-Trackern und Mikrochips können einige dieser Fälle aufgeklärt werden.

Das Herrchen eines Beagle-Weibchens namens Käthe war im vergangenen Jahr ziemlich verblüfft, als sich die Hündin während einer Jagdprüfung in Thüringen mit übernatürlich hoher Geschwindigkeit entfernte. Eigentlich hätte sie eine Fährte im Wald verfolgen sollen, aber dann raste sie auf einer Bundesstraße davon. Für ihren Besitzer war sofort klar: Käthe war gestohlen worden und saß in einem Auto. Er setzte sich ebenfalls ins Auto und folgte dem Live-Standort seines Hundes per App. Nach einer zweistündigen Verfolgungsjagd wurden die Entführerinnen auf der Autobahn gestoppt. Es handelte sich um zwei Frauen, die behaupteten, sie hätten Käthe gefunden und bei einem Tierheim abgeben wollen. In diesem Fall: happy Hund, happy End.

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