Süddeutsche Zeitung

Tiere:Coaching mit Wau-Effekt

In Management-Seminaren sollen nun auch Hunde, Wölfe, Esel und Schafe Führungsqualitäten vermitteln. Funktioniert das?

Von Titus Arnu

Mira und Maggy haben viel mehr drauf als "Sitz" und "Platz". Die braune und die silberne Labrador-Hündin sind "Leadership-Dogs", sie coachen schließlich Führungskräfte. Während andere Hunde Stöckchen apportieren und auf Kommando Pfötchen geben, "helfen Mira und Maggy Unternehmern und Managern dabei, klarer zu kommunizieren, zielgerichteter zu handeln, ihre Wirkung zu verbessern und sich und andere wertschätzender zu führen", sagt zumindest ihr Frauchen Melanie Ebert.

Ebert bietet in Willersdorf in Oberfranken "tiergestütztes Coaching" für Unternehmen und Einzelpersonen an. Sie beobachte, wie Mensch und Tier miteinander kommunizieren, dabei entstünden schnell Lerneffekte, sagt die Trainerin: "Hunde geben direkt und wertschätzend Feedback."

Soll man Chefs mit Wölfen, Mitarbeiter mit Schafen gleichsetzen?

Bei einer Übung müssen die Seminarteilnehmer etwa die Hunde durch einen Parcours führen, an Hindernissen vorbei, mit und ohne Leine. Mit Zwang und gebrüllten Kommandos funktioniert dies nicht, eher mit klaren Ansagen und Leckerlis. Melanie Eberts Coaching-Methode basiert auf der Formal "Wau-Effekt", das steht für "Wertschätzung, Achtsamkeit und Umdenken".

Die Branche ist sehr erfindungsreich, wenn es darum geht, zahlungskräftigen Kunden teure Einzelberatungen, Bücher und Fortbildungen zu verkaufen. Nach Geländespielen, Bachblüten, Kinesiologie und Hypnose sind nun Tiere als Hilfsmittel dran. Die kreativen Karriereberater bieten neben Hunden einen ganzen Streichelzoo für Teambuilding, Managementtraining und Konfliktlösungen an. Die Naturakademie bei Hamburg sitzt im Bereich Pferdecoaching fest im Sattel. In Lüneburg können Teams beim eselgestützten Coaching erfahren, was es bedeutet, wenn der Chef wirklich ein Esel ist. Die Wiener Trainerin Patricia Staniek geht mit ihren Kursteilnehmern in ein Wolfsgehege. Wer will, kann seine Führungsqualitäten auch an Schafen testen - wird die Herde brav folgen oder nur meckern?

Tierfreunden machen solche Experimente vielleicht Spaß. Aber kann man das Verhalten eines Labradors wirklich mit dem eines Mitarbeiters vergleichen? Soll man Chefs mit Wölfen, Untergebene mit Schafen gleichsetzen? In der Natur funktionieren Hierarchien anders als bei Menschen, doch es existieren durchaus auch Parallelen. Wenn man ein Wolfs- oder Husky-Rudel beobachtet, fällt einem schnell das größte, kräftigste und lauteste Tier auf. "Im Rudel führt aber nicht unbedingt der stärkste Hund, sondern der souveräne", sagt Melanie Ebert. Chef ist meist das teamfähigste Rudelmitglied, es organisiert das Überleben der Gruppe und managt Konflikte mit ruhiger Pfote.

Bei den Menschen haben dagegen in vielen Hierarchien immer noch vermeintliche Alpha-Tiere das Sagen. Die meisten davon sind ältere Männchen, die ihre Klappe besonders weit aufreißen, andere erfolgreich weggebissen haben oder an die oberste Position gelangt sind, weil sie als gute Fachkräfte gelten. Das muss aber nicht heißen, dass sie die schlauesten und sozialkompetentesten im Team sind. In ihren Seminaren versucht Trainerin Melanie Ebert, den Teilnehmern eine wertschätzende Kommunikation und Führung auf Augenhöhe mit Hilfe ihrer Hunde beizubringen. Die Tiere kooperieren nur, wenn man ihnen klar und ruhig vermittelt, was man von ihnen will. Wenn Chefs und Chefinnen verhindern wollen, dass man ihnen ans Bein pinkelt oder gleich die Waden beißt, sollten sie also vielleicht wirklich in die Hundeschule gehen.

Labradore sind als Trainer besonders gut geeignet, da die meisten von ihnen sensible Sozial-Antennen haben, so wie Mira und Maggy. Allerdings sind Labradore auch besonders verfressen. Für ein Leckerli würden sie alles tun, ohne Belohnung sind sie manchmal zu faul zum Aufstehen. Um sie auch ohne Futter zu motivieren, braucht es zusätzliche Animation durch Spaß und Spiel. Auch hier gibt es Parallelen, findet Melanie Ebert: "Man kann ja dem Mitarbeiter auch nicht jeden Tag eine Leberkäs-Semmel hinstellen und dann erwarten, dass er besser arbeitet", sagt sie, "dafür braucht es deutlich mehr sinnstiftende Aufgaben."

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