Corona und Sprache:Nichts glänzt mehr

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Hotspots wie Monte Carlo waren Sehnsuchtsorte, sie standen für Glamour, für Reichtum, für: Sehen und gesehen werden. Heute hält man sich von Hotspots lieber fern. (Foto: Culture Club/Getty Images)

Mitterteich statt Monte Carlo, Impfstoff-Sonderlieferungen statt Champagner in Strömen: Was ist nur aus dem schillernden Begriff "Hotspot" geworden?

Von Martin Zips

Hotspot, das war lange ein meist positiv besetzter Begriff. Der Yachthafen von Monaco zum Beispiel galt zuletzt gerne als "Hotspot des Jetset". Die Stadt Weimar wiederum wurde da und dort schon als "Goethe-Hotspot" bezeichnet und das Horn von Afrika als "Hotspot der Biodiversität". Und natürlich war St. Moritz in der Schweiz ein "Hotspot der winterlichen Society", wie es im Jahr 15 vor Corona einmal das Fachblatt Bunte formulierte.

Aber dann war plötzlich zu lesen, dass es sich etwa beim Golf von Urabá um einen "Hotspot für Drogendealer" handelt (SZ). Das französische Übersee-Département La Réunion wiederum erschreckte als "Hotspot für Haiangriffe" ( Smithsonian Magazine) und Island verwirrte als "Hotspot der Bitcoin-Herstellung" ( taz). Da tröstete es auch kaum, dass beinahe zur gleichen Zeit US-Wissenschaftler den Bundesstaat Florida einen "Hotspot für invasive Fremdarten" nannten, Flugzeugfreunde den Maho-Beach auf St. Maarten einen "Hotspot für Planespotter" sowie internationale Vogelfreunde die Umgebung von Burgas an der bulgarischen Schwarzmeerküste einen "Hotspot für Birdwatcher". Den immer inflationärer verwendeten Begriff und seinen einst guten Ruf rettete das nicht. Besonders folgenreich war es, dass, quasi über Nacht, beliebte österreichische Skiorte, nordrheinwestfälische Schlachtereien, Landkreise in der Oberpfalz sowie norditalienische Fußballstadien zu "Corona-Hotspots" mutierten.

Hotspot anno 2021: Mitterteich im Landkreis Tirschenreuth in der Oberpfalz. Sozusagen das Gegenteil von Monte Carlo. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Erstmals für eine deutschsprachige Tageszeitung belegt ist die Erwähnung des englischen Wortes für das Jahr 1948. In einem Artikel des damaligen SZ-Chefredakteurs Werner Friedmann ist es Deutschland, welches als "Hotspot, wie die Amerikaner sagen", der russisch-amerikanischen Beziehungen bezeichnet wird. Von der Entwicklung dieser Beziehungen hänge es ab, so Friedmann, "ob wir leben oder sterben". So fröhlich also, wie er später manchmal schien, war der Begriff schon anfangs nicht.

Ob sich die Hotspot-Konnotation noch einmal ins Positive wendet? So wie damals, als es in Zügen plötzlich "Internet-Hotspots" gab? Oder als die Pet Shop Boys auf ihrem 14. Studioalbum Berlin zum "Hotspot" erklärten?

"Wir brauchen mehr Impfstoff für die Hotspots", fordert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und meint damit das deutsch-tschechische Grenzgebiet, andere Politiker verlangen, dass "Corona-Hotspots" in der Impfreihenfolge vorgezogen werden müssten. Also Universitäten zum Beispiel. Oder Schulen. Oder das Fichtelgebirge.

Der Winter-Hotspot schlechthin, jedenfalls in vorpandemischen Zeiten: St. Moritz, wo selbst Hunde Pelzmäntel tragen. Ob das Wort jemals zu altem Glanz finden wird? (Foto: Peter Klaunzer/AP)

Auf diese Weise könnte er noch mal streichholzartig aufflammen, dieser uns so vertraute Begriff. Ins wärmende Rampenlicht zurückkehren. So wie zum Beispiel der vorpandemische Hotspot St. Moritz samt seiner "bei der winterlichen Society" beliebten "Oase alpiner Kultur". Bei der Oase handelt es sich übrigens, laut Bunte, um das wunderschöne Museum des Malers Giovanni Segantini. Dieser starb im Jahr 1899 im Alter von nur 41 Jahren völlig überraschend auf einer einsamen Berghütte, die heute seinen Namen trägt. War es ein Virus? Oder der Blinddarm? Sein finales Alpentriptychon jedenfalls trägt den Titel: "La vita, La natura, La morte." Zu bewundern ist es im lichtdurchfluteten Kuppelraum des St. Moritzer Segantini-Museums, einem wahren - Verzeihung! - Hotspot der Hochgebirgsmalerei.

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