Montagabend in Berlin. Nach einem Clownübergriff muss ein 16-Jähriger notoperiert werden. Doch die Rollen von Täter und Opfer sind in diesem Fall vertauscht: Mit einem Hammer will der maskierte 16-Jährige eine Gruppe Jugendlicher erschrecken - und wird selbst zum Opfer. Ein 14-Jähriger geht mit einem Messer auf den vermeintlichen Angreifer los und trifft ihn am Oberkörper. Unter der Maske erkennt er zu spät einen Bekannten.
Berlin:14-Jähriger sticht Angreifer in Clownsmaske nieder
Ein "Horror-Clown" hatte in Berlin eine Gruppe Jugendlicher bedroht. Einer von ihnen zückte das Messer und verletzte den 16-jährigen Angreifer lebensgefährlich.
Der Horror-Clown-Hype ist in Deutschland angekommen. Wer im Netz unterwegs ist, bekommt das Gefühl, das Land wimmle plötzlich von wahnsinnigen Sadisten, die nur darauf gewartet haben, sich eine bunte Maske aufzusetzen und mit einer Kettensäge bewaffnet aus dem nächsten Gebüsch zu springen. Auf Facebookseiten mit Namen wie "Stoppt die Killerclowns in Deutschland" warnen Menschen davor, abends das Haus zu verlassen und empfehlen, bestimmte Gebiete zu meiden. In Videos wird erklärt, wie man sich mit einem Baseballschläger zur Wehr setzt. Hinzu kommen frei erfundene Horrormeldungen - unter anderem wurde am Sonntag die Falschmeldung verbreitet, ein Grusel-Clown habe einen Mann in Hannover getötet.
Doch nicht nur über Social Media wird die Hysterie befeuert, auch die Politik hat das Thema längst für sich entdeckt: Die CSU in Bayern kündigt reflexhaft an, hart gegen Horror-Clowns vorzugehen, in Schleswig-Holstein will die CDU das Strafrecht konsequent anwenden - und notfalls sogar verschärfen.
Passiert ist bislang: wenig. Das bayerische Innenministerium spricht immer noch von Einzelfällen, die Kollegen in Nordrhein-Westfalen zählten in den vergangenen Tagen immerhin "110 polizeibekannte Vorfälle mit Clowns". Die Zahl der Geschädigten indes ist - wie schon in den USA, wo der Grusel-Trend herkommt - äußert gering. Nach Informationen des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes handelt es sich in den meisten der 110 Fälle um Clownsichtungen. In einigen Fällen wurden Passanten bedroht, in weniger als zehn Fällen kam es zu körperlichen Übergriffen, ein Mann erlitt etwa eine leichte Schnittwunde, ein Jugendlicher wurde bei einem Gerangel geschlagen. In einem Fall fiel ein Mann vor Schreck vom Rad.
"Das ist ein Teufelskreis"
"Jeder dieser Einzelfälle ist schlimm. Aber wir sollten hier nichts skandalisieren", warnt Jens Hoffmann, Leiter des Instituts Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt. Natürlich ist es kein Spaß, sich zu bewaffnen und Menschen zu verängstigen. Insbesondere wenn die Maskierten Waffen dabei haben und Kinder erschrecken. Doch längst nicht alle Clowns sind gefährliche Wahnsinnige. Im Gegenteil: Die meisten "Täter" sind Jugendliche, die einem Hype hinterherrennen. "Das ist ein Teufelskreis: Bis vor kurzem wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, sich als Clown zu verkleiden und Menschen zu erschrecken. Inzwischen ist das zum Selbstläufer geworden", sagt Hoffmann. "Aber natürlich sind nicht alle, die sich als Clowns verkleiden gefährlich. Die Maskierung an Halloween hat ja durchaus Tradition." Sein Rat: Wir sollten das Ganze nicht bedrohlicher machen als es ist, sondern überlegen, wie wir damit umgehen. Denn: Je mehr Aufmerksamkeit die Horror-Clowns bekommen, desto mehr Nachahmer gibt es.
Auch bei der Polizei mehren sich die Stimmen, die zur Mäßigung aufrufen - nicht nur die Clowns, sondern auch die beunruhigten Bürger: Im Internet würden derzeit viele Falschmeldungen kursieren, welche die Bevölkerung zusätzlich verunsichern und zu "nicht immer vom Notwehrrecht gedeckten Reaktionen" führen könnten, teilte etwa die Polizei im nordrhein-westfälischen Viersen mit. Nach Angaben der Polizei in Aachen wird derzeit in sozialen Netzwerken "verstärkt" zu Selbstjustiz gegen Clowns aufgerufen. Die Beamten warnen nun davor, sich zu bewaffnen.
Glaubt man Hoffmann, hilft vor allem eins: Wegschauen. "Wer jetzt beunruhigt ist, sollte sich auf keinen Fall die Horrorvideos ansehen", sagt der Psychologe. "Wir Menschen haben immer das Bedürfnis zu verstehen, was uns bedroht, aber damit bewirken wir oft das Gegenteil - und verstärken die eigene Angstspirale." Manchmal hilft es aber auch, genauer hinzusehen: In Berlin erkannte der 14-Jährige schließlich unter der Maske seinen Bekannten- und leistete dem vermeintlichen "Horror-Clown" Erste Hilfe.