Süddeutsche Zeitung

Homosexuelle in Afrika:Schwulsein als Verbrechen

Verfolgt und drangsaliert: Zwei Afrikaner sind im Senegal zu je acht Jahren Haft verurteilt worden. Ihre Vergehen: Homosexualität und Hilfe für Aidskranke.

Judith Raupp

Sie saßen gesellig beisammen, als die Polizei das Haus in Dakar stürmte. Der Senegalese von Diadji Diouf und seine Gäste hätten sich "unanständig benommen" und "unnatürliche Handlungen vollzogen", behaupteten die Ordnungshüter und führten die Männer ab.

Das Verbrechen, das Diouf und seinen Freunden vorgeworfen wird: Sie sollen schwul sein. Darauf steht in dem westafrikanischen Land Gefängnis. Am Mittwoch wurden die neun Angeklagten zu je acht Jahren Haft verurteilt.

"Das ist die höchste Strafe, die im Senegal jemals gegen Homosexuelle verhängt wurde", sagt ihr Verteidiger Issa Diop. Er will das Urteil anfechten. Selbst der Staatsanwalt forderte "nur" fünf Jahre Haft. Aber der Richter in Dakar hielt es für erwiesen, dass die Angeklagten neben ihren angeblichen sexuellen Vergehen auch noch einer "kriminellen Vereinigung" angehören.

Deshalb verhängte er neben den fünf Jahren Höchststrafe für homosexuellen Verkehr zusätzliche drei Jahre Gefängnis. Bei der vermeintlichen Verbrecherbande handelt es sich allerdings um eine Hilfsorganisation für aidskranke und HIV-positive Menschen. Diouf engagiert sich außerdem in der senegalesischen Vereinigung für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle LGBT.

"Der Senegal ist leider keine Ausnahme. Lesben und Schwule werden in vielen afrikanischen Ländern gesetzlich verfolgt und im Alltag drangsaliert", berichtet ein Vertreter der kenianischen Homosexuellen-Organisation Galck. Er nennt sich "Kuria" und will seinen echten Namen nicht nennen - aus Angst.

"Schlimmer als Schweine oder Hunde"

Der 36 Jahre alte Menschenrechtsaktivist fürchtet nicht nur die Polizei. Manche seiner Mitstreiter sind angepöbelt und zusammengeschlagen worden. Auch Morde gab es. In einigen islamischen Regionen Afrikas gilt offiziell die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Liebe. Aber auch die christliche Kirche hetze sehr oft gegen Homosexuelle, beobachtet der Kenianer. "Viele Afrikaner lassen sich vom Urteil dieser mächtigen Gottesmänner beeinflussen. Sie betrachten deshalb Schwule und Lesben als minderwertig", sagt er.

Mindestens so intolerant wie manche Pastoren oder Imame sind aber auch einige Staatspräsidenten Afrikas. Der simbabwische Diktator Robert Mugabe verunglimpft Homosexuelle als "Wesen, die schlimmer als Schweine oder Hunde" seien.

Und selbst Ugandas Präsident Yoweri Museveni, den westliche Regierungen gern als engagierten Demokraten loben, sieht in der Homosexualität eine "Dekadenz und eine Gefahr für unsere Gesellschaft". In Afrika hält sich die verbreitete Meinung, gleichgeschlechtliche Beziehungen seien eine Lebensform der Weißen, die erst mit der Kolonialzeit in ihre Heimat gekommen sei und gegen die afrikanische Kultur verstoße. Historiker berichten dagegen, es habe in Afrika schon vor der Herrschaft der Weißen sexuelle Beziehungen zwischen gleichen Geschlechtern gegeben.

"Kuria" ist überzeugt, dass die Ansichten der Afrikaner liberaler werden: "Immer mehr Schwarze tolerieren homosexuelle Paare, wenn sie weiß sind. Weshalb sollten sie Menschen ihrer eigenen Hautfarbe diskriminieren?" Mit gutem Beispiel ist Südafrika vorangegangen. Noch vor manchem Staat Europas hatte das Land vor drei Jahren die Homosexuellen-Ehe legalisiert.

Aktivisten hoffen zudem auf die Aids-Aufklärung. "Über das Gesundheitsthema wird auch die Homosexualität vom Stigma befreit", glaubt "Kuria". Angesichts der hohen Infektionsraten komme keine Regierung Afrikas an Aufklärung vorbei.

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Quelle:
SZ vom 09.01.2009
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