SZ-Kolumne "Bester Dinge":Fluss im Rücken kann auch entzücken

SZ-Kolumne "Bester Dinge": Einen "R(h)einfall" nannte ein Sprecher der Stadt Mainz die Bänke mit Blick zum Parkplatz.

Einen "R(h)einfall" nannte ein Sprecher der Stadt Mainz die Bänke mit Blick zum Parkplatz.

(Foto: Klaus Euteneuer/Twitter)

Mainz-Laubenheim lässt drei falsch herum angeschraubte Holzbänke wieder umdrehen. Welch fataler Fehler! Wen interessiert schon der Rhein, wenn ein Parkplatz in der Nähe ist?

Von Martin Zips

Man muss jetzt wirklich mal eine Lanze brechen, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Mainzer Grünamtes. Der Vorsteher des Ortsteils Laubenheim hatte sich vergangene Woche im rheinland-pfälzischen Investigativmagazin "SWR 4 Am Nachmittag" beklagt, "Auszubildende" hätten drei Bänke am Rheinufer falsch platziert. Wer auf ihnen Platz nehme, blicke nicht auf den Fluss, sondern auf den Parkplatz.

Lassen wir den Vorwurf sich einfach mal setzen - und fragen dann: Wen interessiert schon ein Fluss, wenn ein Parkplatz in der Nähe ist? Früher mag sich das Leben ja vornehmlich am Ufer abgespielt haben, Menschen siedelten sich dort an, fingen Fische, wuschen Wäsche oder gingen, allein oder zu zweit, für kurz oder lang, ins Wasser. Heute - das weiß der deutsche Cineast aus inspirierenden Werken wie "Manta Manta Teil Zwo" - ist es Asphalt, der den Strom des Lebens lenkt. Und was gerade noch ein Boot war, das ist jetzt ein Bot.

Geprägt wird dieses Kammerspiel aus Aufbruch und Ankunft vom Duft der Wunderbäume, feinster Luftpartikel und einem immer perfekter werdenden Einsatz künstlicher Intelligenz. Selbst noch das grellste Warnsignal beim Einparken, die verstörendste Stimme aus dem Navigationsgerät oder das überraschendste "Huphup" nach dem Berühren eines Funkknopfes kann - von einer Holzbank aus in Ruhe betrachtet - den Einblick in doch bewegend tiefe menschliche Intimität nicht verwehren. In ein Leben zwischen Lenkrad, Freisprechanlage, Babyschale und Erfrischungstuch.

Der Laubenheimer Ortsvorsteher dürfte es daher noch bereuen, seine - völlig zu Unrecht von der Internetblase verspotteten - Holzbänke wieder in Richtung Rhein drehen zu lassen. Er hat wohl nicht begriffen, wie inspirierend das Parkplatz-Ballett für uns flussmüde Lebenswanderer doch ist.

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