Am Bodensee ist’s schön. Das finden auch die vielen Störche, die dort jedes Jahr brüten. Ganz besonders schön aber fanden sie dieses Jahr Hohenfels, eine kleine Gemeinde im Kreis Konstanz. Dort nisteten in einem Ortsteil mehr als 100 Weißstörche, was einem Bevölkerungszuwachs von 25 Prozent entspricht. Bürgermeister Florian Zindeler (CDU) wandte sich in einem offenen Brief ans Landesumweltministerium und bat um einen Leitfaden zum Umgang mit geschützten Arten. Zunächst schrieb der Südkurier über das Storchendorf, es folgten etliche Medien, am Ende titelte die Bild: „130 Horror-Störche terrorisieren Dorf“. So schlimm? Bürgermeister Zindeler wirkt am Telefon gelassen.
SZ: Herr Zindeler, Sie sitzen gerade im Rathaus von Hohenfels?
Florian Zindeler: Genau.
Wenn Sie aus dem Fenster schauen: Wie viele Störche sehen Sie?
Ich blicke auf die Straße, die Kirche, das Pfarrhaus, da ist jetzt leider kein Storch zu sehen. Unsere Gemeinde Hohenfels besteht ja aus fünf Ortsteilen, ich befinde mich im größten, Liggersdorf. Es kommt schon einmal vor, dass die Störche hier die Dächer besetzen, wenn sie sich auf den Abflug vorbereiten. Das ist ein wunderbares Schauspiel.
Und wo sind die Störche dann überwiegend?
Im Ortsteil Mindersdorf. Ende August bin ich da morgens vorbeigefahren, habe an einer Wiese mit Störchen angehalten und gedacht: Wow, das ist ja jetzt ein Bild. Ich habe gleich ein Foto gemacht und durchgezählt. Da waren es um die 130 Störche.
Heißt, auf vier Menschen in Mindersdorf kommt ungefähr ein Storch. Haben Sie deswegen – so zitiert Sie die Deutsche-Presse-Agentur – eine „Obergrenze“ für Störche und Nester gefordert? Eine etwas drastische, um nicht zu sagen horstseehoferische Wortwahl ...
Das wurde mir ein bisschen in den Mund gelegt. An anderer Stelle wurde ich gefragt, welche Lösung ich mir vorstellen könnte. Die Antwort muss das Umweltministerium liefern, vielleicht gibt es eine Orientierungsgröße bei Nestern, die als verträgliches Maß eingestuft wird. Wir sind dieses Jahr in Mindersdorf von acht auf 15 Storchennester gewachsen, pro Nest ist das ein Paar, dann kommen jeweils noch mehrere Jungtiere dazu. Das war der Grund, mal zu fragen: Wie soll das weitergehen?
Stören die Störche denn? Oder ist friedliche Koexistenz zumindest denkbar?
Da gibt es die unterschiedlichsten Reaktionen. Einmal ist da natürlich der Kot, der herumliegt, oder auch mal ein verlorenes Futtertier. Dann die Stöcke für den Nestbau, die runterfallen. Wir hatten mal vor unserem Kindergarten ein Nest, da wurde es aus hygienischen Gründen schwierig. Abends sammeln sich die Störche in den Nestern oder drum herum, dann wird geklappert. Der eine freut sich drüber, der andere ist genervt. Daher: Wie kriegen wir es hin, dass möglichst alle lange Freude an dem Thema haben und ein gutes Miteinander zwischen Mensch und Tier herrscht? Denn: Mir liebet ja unsre Nadur hier.
Nicht nur Sie. Was macht denn ausgerechnet Hohenfels für Störche so unwiderstehlich?
Zwischen Liggersdorf und Mindersdorf ist eine große Riedfläche, ein Offenland, das heißt: schöne Wiesen, vereinzelt Obstbäume und wenig Hecken. Die Nester sind dort gut platziert, weil der Storch seine Futterfläche überblickt. Immer, wenn irgendwo gemäht wird – zack –, ist einer da, dann 30, die auf der Wiese sitzen und ihr Mahl nur noch aufgreifen müssen.
Ihr Storchenbeauftragter sieht in der Anzahl der Tiere weniger ein Problem. Das führt zur Frage: Was ist ein Storchenbeauftragter?
Hier war es ursprünglich unser regionaler Naturschutzbeauftragter. Der hat sich um den ökologischen Ausgleich gekümmert, wenn etwa auf einer Wiese oder einem Acker ein Haus gebaut, also eine Fläche versiegelt wird. Für ein Storchennest konnte man Ökopunkte erhalten. Er hilft bei der Suche der besten Nistplätze, birgt tote Tiere und beringt Jungstörche im Nest, wenn sie auf die Welt kommen. Die kriegen an ihren Fuß eine Plastik- oder Metallklammer mit einer Identifikationsnummer. Dabei ducken sie sich, während die Großen drum herumfliegen. Das ist schon sehr interessant.
Also sind Sie doch pro Storch!
Er übt eine Faszination aus, und ich sehe ihn gerne. Wir müssen nur schauen, wie das weitergehen soll. Ich bin da ganz entspannt: Jetzt sind bald alle Störche wieder weggezogen, dann haben wir ein halbes Jahr Ruhe, um zu überlegen.