Höxter:Psycho

Bisher geht die Polizei von zwei Frauen aus, die von Wilfried W. und seiner Ex-Frau Angelika bis zu ihrem Tod gequält wurden. Doch die Ermittlungen dauern an.

Von Bernd Dörries

Den Ermittlern hat Wilfried W. erzählt, dass es in Deutschland nur zwei Zeitungen gebe, bei denen er keine Anzeigen geschaltet habe. Seine Annoncen habe er in der ganzen Republik aufgegeben, sagte der 46-Jährige, auch in Tschechien. Die Texte klangen recht harmlos: "Junger Mann sucht . . .", so in der Art. Obwohl er so jung ja eigentlich nicht mehr ist. Die Frauen dürften auch nicht unbedingt auf einen wie ihn gewartet haben. Ein vorbestrafter Mann, arbeitslos, wohnhaft in Höxter in Ostwestfalen, in einem kleinen Haus, zusammen mit der Ex.

Am Telefon dann muss sich diese Geschichte etwas anders angehört haben. Aus der Ex wurde die Schwester, und Höxter-Bosseborn verwandelte sich in einen Ort, den man unbedingt einmal gesehen haben musste.

Die Frauen kamen - wahrscheinlich auch, weil sie sonst nicht viel hatten, was sie woanders hielt. Bei Susanne F., 41, verstorben vor einer Woche, konnte die Polizei nur feststellen: "Zu Freunden liegen uns überhaupt keine Erkenntnisse vor." Annika W., 33, verstorben am 1. 8. 2014, hatte zumindest noch ihre Mutter.

Vor zwei Wochen dann erreichte die Mutter eine letzte Nachricht. "Alles gut", so etwas in der Art stand unter der Nummer von Annika. Sehr eng war das Verhältnis nicht, alle paar Jahre ein Anruf, alle paar Monate eine SMS.

"Alles gut." Die Mutter dachte, alles sei so wie immer. Vor zwei Tagen erfuhr sie schließlich, dass es die Peiniger ihrer Tochter waren, die ihr die Textnachrichten schickten. Und dass Annika nicht in Amsterdam lebt, sondern zerstückelt in einer Tiefkühltruhe in Höxter liegt. 2013 hatte sie Wilfried W. geheiratet, ein Jahr später war sie tot. Hin und wieder wurde ein Stück ihres Körpers aus der Truhe geholt, im Ofen verbrannt und die Asche in der Umgebung verstreut. Beim Einwohnermeldeamt gaben sie an: "Nach Amsterdam verzogen." Niemand vermisste Susanne F. offenbar.

"Das sind Abgründe, das müssen auch erfahrene Mitglieder der Mordkommission erst einmal verkraften", sagt Ralf Östermann im Polizeipräsidium in Bielefeld. Die Abgründe liegen im Moment hinter einem Bauzaun in Bosseborn, einem kleinen Kaff bei Höxter in Ostwestfalen. Östermann hat die Zäune vor dem kleinen Haus aufziehen lassen, weil es noch Tage oder Wochen dauern werde, bis dort "jeder Zentimeter" abgesucht sei. Auf der Suche nach Spuren, auf der Suche nach weiteren Toten, die er nicht ausschließen kann.

Hoexter Couple Admits Second Murder

Unscheinbares Haus des Grauens: Das Wohnhaus in Höxter.

(Foto: Alexander Koerner/Getty Images)

40 Mitarbeiter hat seine Ermittlungsgruppe. Fragen gibt es noch viel mehr, seit vor einer guten Woche klar wurde, dass Susanne F. aus Bad Gondersheim in Niedersachsen zwei Monate in dem Haus gequält wurde und schließlich an ihren Verletzungen starb. Sie war wie Annika W. auf eine Annonce hin zu Wilfried W. und seiner Ex-Frau Angelika, 47, nach Ostwestfalen gekommen, in das kleine Giebelhaus.

Zuerst blieben sie wohl freiwillig, sagt Ermittler Östermann. Später ließ das Paar sie nicht mehr gehen. "Wenn eines der Opfer aufmüpfig wurde, dann wurde es an einem Heizungskörper festgekettet oder in der Badewanne", sagt Östermann. Den Frauen wurden Haarbüschel ausgerissen, sie wurden getreten und geschlagen. Sexuelle Motive hätten höchstens eine untergeordnete Rolle gespielt, sagt Östermann, dem Paar sei es eher um eine "Machtdemonstration" gegangen.

Zwei Frauen starben, die Ermittler gehen davon aus, dass drei bis vier weitere Frauen zeitweise in dem Haus gelebt haben in den vergangenen Jahren. Eine Frau aus Berlin hat sich gemeldet und wird zur Zeit vernommen, sie soll 2013 in Höxter gelebt haben, soll dort gequält worden sein. Aber nicht bis zum Tod. Eines Tages fuhr das Paar sie nach Braunschweig und setzte sie in den Zug. Einfach so. Susanne F. wollten die beiden nach Hause bringen, als es mit ihr zu Ende ging, vor einer Woche war das. Dann streikte der Motor, die beiden riefen einen Rettungswagen. "Überforderung", sagt Ermittler Östermann, sei das wohl gewesen. Kein Mitgefühl.

Wilfried W. hat mindestens sein halbes Leben damit verbracht, Frauen zu quälen. Es ist das Einzige, was bisher in seinem Lebenslauf steht. Schon Mitte der Neunziger hatte er seine damalige Lebensgefährtin geschlagen und mit Säure traktiert. Das Landgericht verurteilte ihn 1995 zu zwei Jahren und neun Monaten, von denen er nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Teil absaß. Ob es Bewährungsauflagen gab? Könne man derzeit nicht sagen.

Danach ist Angelika dran, es wird geheiratet, es beginnt der Missbrauch. Warum Angelika nicht wegrennt, kann die Polizei derzeit nicht sagen. Vielleicht, weil bald andere Frauen kommen, die das meiste abkriegen. Wilfried und Angelika lassen sich 2013 scheiden, aber wohl nur aus finanziellen Gründen.

Man lebt und quält und isst und schlägt und schläft zusammen in einem großen Zimmer im Erdgeschoss. Das Leben habe erst abends begonnen und die Qualen in der Nacht, sodass man nicht sagen könne, ob die Nachbarn irgendetwas hätten bemerken können, sagt Oberstaatsanwalt Ralf Mayer.

Es gibt aber durchaus Anwohner, die verschiedene Frauen gesehen haben, nur nachgefragt hat niemand. Angelika, die Ermittler nennen sie beim Vornamen, habe ein recht weitgehendes Geständnis abgelegt und stehe zu ihren Taten. Wilfried hingegen schiebe alles auf seine Ex. Für eine Unzurechnungsfähigkeit gebe es nach jetzigem Stand keine Anzeichen.

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