Höxter-Prozess:"Ich bin froh, dass jetzt alles vorbei ist"

  • Im Prozess um das "Horrorhaus von Höxter" hat das Landgericht Paderborn sein Urteil gesprochen.
  • Angelika Wagener muss wegen Mordes durch Unterlassen für 13 Jahre, ihr Ex-Mann Wilfried Wagener für elf Jahre in Haft. Er wird die Haft wegen verminderter Schuldfähigkeit vorerst nicht antreten müssen und in die Psychiatrie eingewiesen.
  • Von der bei Mord eigentlich vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe wich das Gericht wegen der umfassenden Aussage von Angelika Wagener ab.

Von Hans Holzhaider, Paderborn

Nach fast zwei Jahren Verhandlung hat das Landgericht Paderborn im Prozess um das "Horrorhaus von Höxter" die Urteile gesprochen. Angelika Wagener, 49, wurde wegen zwei Fällen des versuchten und einem Fall des vollendeten Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt. Ihren Ex-Mann Wilfried Wagener, 48, verurteilte die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz von Bernd Emminghaus zu elf Jahren Freiheitsstrafe, die er aber vorerst nicht antreten muss. Wegen erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit infolge seines Schwachsinns und einer Persönlichkeitsstörung wird Wilfried Wagener in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Das Gericht blieb damit deutlich unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten lebenslangen Freiheitsstrafen.

In der Urteilsbegründung ging Emminghaus auf die Biografie der Angeklagten ein. Angelika Wagener stamme aus "behüteten Verhältnissen" auf einem kleinen Bauernhof, habe die Realschule und eine Gärtnerlehre abgeschlossen, der Besitzer der Gärtnerei, in dem sie arbeitete, habe sie wegen ihrer Zuverlässigkeit so geschätzt, dass er ihr die Leitung des Betriebs angeboten habe. "Das hat sie abgelehnt. Ein schwerer Fehler", sagte der Richter. Über eine Kontaktanzeige habe sie dann Wilfried Wagener kennengelernt, der wegen Misshandlung seiner ersten Ehefrau schon eine Gefängnisstrafe verbüßt hatte. Schon kurz nach der Heirat sei es auch in dieser Beziehung zu schweren Gewalttätigkeiten seitens des Mannes gekommen. "Sie suchte die Schuld dafür oft bei sich selbst, weil sie seinen Ansprüchen nicht genügte", sagte Emminghaus. 2003 wurde die Ehe "aus rein finanziellen Gründen" geschieden. Danach hätten die Angeklagten mit etlichen Kontaktanzeigen eine neue "Traumfrau" für Wilfried gesucht.

Für zwei Frauen, Anika W. und Susanne F., endete die Bekanntschaft tödlich. Anika W. hatte sich Anfang Oktober 2013 auf eine Anzeige gemeldet, zwei Wochen später wurde sie Wilfried Wageners dritte Ehefrau. Aber schon nach kurzer Zeit wurde er "ungehalten und unzufrieden", und Angelika Wagener versuchte, die neue Frau durch immer grausamere Misshandlungen zu disziplinieren. Schließlich ließ sie Wasser in die Badewanne, in der Anika W. angekettet war, und erklärte, sie werde "die alte Kuh" ersaufen lassen. Das wertete das Gericht als versuchten Mord. Wilfried Wagener zog die Frau schließlich aus der Wanne. Anika W. starb wenig später, nachdem sie in völlig entkräftetem Zustand mit dem Hinterkopf auf das Hofpflaster gestürzt war.

Angelika Wagener habe Beitrag zur Aufklärung geleistet

Nahezu das gleiche Schicksal erlitt Susanne F., die etwa eineinhalb Jahre später in das Haus der Angeklagten in Höxter einzog. Auch sie wurde über Monate hinweg schwer misshandelt, stürzte schließlich, als sie von den Angeklagten hin- und hergeschubst wurde, und schlug mit dem Kopf gegen einen Schrank. In beiden Fällen unterließen es die Angeklagten, ärztliche Hilfe zu holen, obwohl sie nach Überzeugung des Gerichts den lebensbedrohlichen Zustand der Frauen erkannten. Weil im Fall Anika W. nicht mehr feststellbar war, ob sie bei rechtzeitiger Hilfe überlebt hätte, wertete das Gericht diesen Fall nur als versuchten Mord durch Unterlassen.

Von der bei Mord eigentlich zwingend vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe wich das Gericht ab, weil Angelika Wagener durch ihre Aussage einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Taten geleistet habe. Insbesondere im Fall Anika W. beruhe das Urteil "ausschließlich auf den Angaben, die Angelika Wagener aus freien Stücken, umfassend und in vielen widerwärtigen Einzelheiten" gemacht habe, sagte Richter Emminghaus. Bei Wilfried Wagener wirke sich auch die verminderte Steuerungsfähigkeit strafmildernd aus. Das "menschenverachtende Verhalten" und die "Vielzahl der Misshandlungen" seien schon Bestandteile des Mordes durch Unterlassen und könnten daher nicht, wie von Staatsanwalt Ralf Meyer gefordert, eine höhere Strafe begründen.

Die Verteidiger der beiden Angeklagten gaben zu erkennen, dass sie zufrieden sind. Auch Sigrid K., die Mutter der getöteten Anika W., kann mit der Entscheidung des Richters leben. "Ich bin froh, das jetzt alles vorbei ist", sagte sie nach der Urteilsverkündung.

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