Höxter-Prozess:"Danke fürs Zuhören"

Fortsetzung im Mordprozess von Höxter

Die Angeklagte Angelika Wagener steht neben ihrem Verteidiger im Landgericht in Paderborn

(Foto: dpa)
  • Ein Paar ist angeklagt, weil es mehrere Frauen in ihr Haus in Höxter gelockt und misshandelt haben soll, zwei der Frauen starben.
  • Die Angeklagte Angelika Wagener hat am Freitag ihr Schlusswort gehalten und erneut ihrem Ex-Mann die Schuld für die Taten gegeben; sie habe unter seiner Herrschaft gestanden.
  • Der Verteidiger von Angelika Wagener hatte am Dienstag überraschend einen Freispruch für seine Mandantin gefordert.

Von Hans Holzhaider, Paderborn

Es ist ihr letzter großer Auftritt: Angelika Wagener, angeklagt wegen zwei Fällen des versuchten und einem Fall des vollendeten Mordes im sogenannten "Horrorhaus von Höxter", hat nach fast zweijähriger Verhandlungsdauer vor dem Schwurgericht Paderborn das letzte Wort. Der Staatsanwalt hat eine lebenslange Haftstrafe gefordert, ihr Verteidiger Peter Wüller hat zur Verblüffung aller Prozessbeteiligten auf Freispruch plädiert.

Angelika Wagener hatte schon in der ersten Prozessphase umfassend ausgesagt. Zehn Tage lang hatte sie in allen schrecklichen Details geschildert, wie sie die Frauen, die sich auf Kontaktanzeigen ihres Ex-Ehemanns Wilfried gemeldet hatten, über Wochen und Monate hinweg misshandelt, erniedrigt, angekettet hatte. Zwei Frauen waren an den Folgen dieser Misshandlungen gestorben.

Sie hat sich verändert während dieses Prozesses. Die Haare sind dunkel gefärbt und viel sorgfältiger geschnitten, sie trägt modische Blusen und farblich abgestimmte Schals. Aber auch ihre Stimme, ihre ganze Art zu sprechen wirkt nicht mehr so hart und gefühllos wie damals. Manchmal schwankt die Stimme, als wäre sie den Tränen nahe.

Inhaltlich macht sie keine Abstriche an ihrer früheren Aussage. "Ich habe nichts verschwiegen, ich hab's einfach berichtet, wie es passiert ist", sagt sie. Aber zu all den Grausamkeiten sei es nur gekommen, weil Wilfried die absolute Herrschaft über ihr Leben ausgeübt habe. "Er hat mich durch Überreden, Strafen, Quälereien so erzogen, dass ich funktioniert habe, wie er es wollte." Wilfried sei der erste Mann in ihrem Leben gewesen, er habe sie mit romantischen und zärtlichen Gesten angelockt, aber dann sei die Beziehung rasch in ein System von Regeln und Bestrafungen umgekippt.

"Er hat mich angefüttert und dann am ausgestreckten Arm verhungern lassen." Er habe ihr alles bis ins Kleinste vorgeschrieben, ihr Leben sei von endloser Angst bestimmt gewesen, gegen seine Regeln zu verstoßen. Die Frauen, die ins Haus kamen, hätten für sie die Funktion gehabt, dass sie wenigstens ein bisschen Ruhe vor Wilfried bekam. Aber dann sei doch wieder sie an allem schuld gewesen, wenn die Frauen nicht nach Wilfrieds Pfeife tanzten. "Ich habe nie eine Frau zum Quälen gesucht", sagt Angelika Wagener. "Aber wenn man nie zu irgendwas Ruhe hat, dann wird man eben mal ärgerlich."

Die Mutter eines Opfers verlässt den Saal, sie findet die Aussage "unerträglich"

Nach anderthalb Stunden verlässt die Mutter der verstorbenen Anika W. mit ihrem Anwalt den Saal. "Das ist unerträglich", sagt die Mutter. "Eine Verhöhnung der Opfer", empört sich ihr Anwalt Roland Weber.

Nach einer Verhandlungspause kommt Angelika Wagener dann rasch zum Ende. Sie schildert, wie gut es ihr im Gefängnis gehe im Vergleich zu dem Leben mit Wilfried: "Ich habe in der JVA schon oft weinen müssen vor Dankbarkeit", sagt sie. "Jeder meint es da gut mit einem. Ich fange an, manchmal an mich zu denken." Zu dem Vorwurf, sie habe nie Mitleid mit den Opfern erkennen lassen, sagt sie: "Ich kann das einfach nicht empfinden. Wenn ich es könnte, wäre es zu diesen Grausamkeiten nicht gekommen." Dem Gericht dankt sie "für die Geduld und fürs Zuhören. Meine ganze Aussage hier war eine Wohltat für mich".

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