Am 21. April 2016, nachts um halb elf, klingelt eine Frau an einem Haus in dem kleinen Weiler Lenne an der Bundesstraße 64, zwischen Holzminden und Bad Gandersheim. Ihr Auto habe eine Panne, sagt die Frau, ob man ein Taxi rufen könne? Dann überlegt sie es sich anders: Kein Taxi, ein Rettungswagen soll kommen.
Der Rettungswagen kommt, aus dem Auto wird eine Frau geborgen, sie ist dem Tode nahe. Sie ist unterernährt, hat blaue Flecke am ganzen Körper, Würgemale am Hals, Haare wurden ihr büschelweise ausgerissen, Fesselspuren an den Hand- und Fußgelenken. Alle Bemühungen der Ärzte sind vergeblich. Susanne F., 41, stirbt nur Stunden später in einer Klinik in Northeim.
So nimmt einer der bizarrsten Kriminalfälle der vergangenen Jahrzehnte seinen Lauf. Wilfried Wagener, 47, und seine geschiedene Ehefrau Angelika, 48, bewohnten ein kleines Gehöft in Bosseborn, einem Stadtteil von Höxter. Über Jahre hinweg haben sie Kontaktanzeigen in Zeitungen quer durch Deutschland aufgegeben. Wie viele Frauen sich auf diese Anzeigen meldeten, weiß man bis heute nicht. Aber mindestens zwei haben das mit dem Leben bezahlt.
Seit dem 26. Oktober 2016 stehen Wilfried und Angelika Wagener vor dem Schwurgericht in Paderborn, und nicht nur wegen der außergewöhnlichen Taten, die der Staatsanwalt ihnen zur Last legt, ist dies ein Prozess, der auch einen erfahrenen Gerichtsreporter an den Rand seines Fassungsvermögens bringt. Zehn Tage lang hat Angelika Wagener ausgesagt, hat im angenehmsten Plauderton von ihrer 17 Jahre andauernden Lebensgemeinschaft mit Wilfried Wagener erzählt, von den Quälereien, die sei selbst erdulden musste, und denen, die sie anderen Frauen angetan hat.
Eine von ihnen, Anika, hat Wilfried geheiratet. Angelika berichtet, wie sie die junge Frau angelernt habe, was alles zu beachten sei im Umgang mit Wilfried. Es sei dann eine Zeit lang gutgegangen, "aber dann ging alles wieder los: nicht angeschaut beim Reden, nichts zu trinken hingestellt, genuschelt, Hände nicht gewaschen, wenn sie den Hund angefasst hatte, sexuell nicht willig genug". Dann wurde Wilfried "nervös", und Angelika musste der neuen Frau alles noch mal erklären, und noch mal, "sie stiehlt mir ja meine Zeit". Dann hat sie ihr eben mal ein Büschel Haare ausgerissen und die Hand rumgedreht - sie erzählt das so, als müsste jedermann einsehen, dass das ganz unvermeidlich war. Aber es nützte alles nichts, "und dann wurde es im Lauf der Zeit immer brutaler, und ich hab sie zu Boden gebracht und mich auf den Brustkorb gekniet, ich hab das 'Trampolin' genannt".
Stundenlang schilderte die Angeklagte in allen schrecklichen Details, aber ohne die geringste Gefühlsregung, wie sie die Leiche Anikas zerstückelt und verbrannt hatte, und wie sie gleichzeitig schon wieder mit den nächsten Frauen telefonierte, die sich auf ihre Anzeigen gemeldet hatten: "Mit Frauen", sagte sie, "ließ der Wilfried ja nicht locker."
Wilfried Wagener aber weist alle Schuld von sich. "Ich wollte doch nur glücklich werden", sagt er vor Gericht.
An diesem Dienstag wird der Prozess gegen die Wageners fortgesetzt.