Hochwasser:„Möbel sind meistens nicht mehr zu retten“

Lesezeit: 3 Min.

Im baden-württembergischen Rudersberg kehren die Betreiber eines Gasthauses nach dem Hochwasser den Schlamm aus dem Gastraum. (Foto: dpa)

Wenn Keller oder gar Wohnzimmer geflutet werden, müssen Betroffene nicht nur das Wasser beseitigen. Auch Schlamm und Dreck zerstören die Räume. Ein Reinigungsexperte erklärt, wie er vorgeht und welche Schäden unbehebbar sind.

Interview von Violetta Simon

Franz Sommer hat gerade viel zu tun. Sein Unternehmen mit Sitz in Hockenheim in Baden-Württemberg beseitigt den Schlamm und Dreck aus Kellern und Häusern der Region, den das Hochwasser hineingespült hat – so wie Ende Mai im Saarland, wo die Äcker überschwemmt wurden. Die anfallende Arbeit ähnelt in vielen Bereichen einer Komplettrenovierung. Gemeinsam mit seinem Sohn Pascal Sommer hat sich der 51-jährige Raumausstatter auf die Wiederherstellung von überfluteten Räumen spezialisiert.

Was finden Sie vor, wenn Sie ein geflutetes Gebäude betreten?

Vor allem kaputte Türen und Mobiliar. Alles, was aus Holz ist – Bodendielen, Schränke, Treppen – ist aufgequollen. Anders als beim Leitungswasserschaden ist das Wasser stark verschmutzt, wenn etwa Äcker und Straßen überflutet werden. Dann hat man Reste von Schlamm drin – aber auch mal Heizöl oder Düngemittel, wenn ein Tank beschädigt wurde. Bevor wir da anfangen können, müssen wir sämtliche Schadstoffe mit Spezialmitteln lösen und beseitigen.

Aber erst einmal müssen Sie das Wasser abpumpen, oder?

Wenn nötig, ja. Allerdings sind die Bewohner und die zuständigen Feuerwehren in Deutschland ausgesprochen aktiv: Wenn wir zur Besichtigung kommen, haben die meistens schon alles abgesaugt und das Gröbste sauber gemacht. Die lassen die Brühe nicht so lange drin, bis jemand vorbeikommt. Das ist auch deshalb gut, weil so weiterer Schaden begrenzt wird. Übrigens sind Versicherte dazu verpflichtet, den Schaden zu reduzieren.

Franz Sommer hat sich mit seinem Unternehmen "Sommer Raumausstattung" auf das Wiederherstellen überfluteter Räume spezialisiert. (Foto: Privat)

Worauf achten Sie, wenn Sie mit dem Reinigen beginnen?

Zuerst schauen wir uns die Bausubstanz an: Schäden an Böden oder Mauern erkennt man oft erst auf den zweiten Blick. Dazu muss man den Estrich öffnen oder die Fliesen abschlagen, um zu sehen, ob Wasser seitlich reingelaufen ist. Ist das der Fall, kann man nur noch alles entfernen und erneuern.

Nun strömt Wasser nicht nur von außen in die Räume, sondern gelangt über die Kanalisation nach innen.

Bei Hochwasser und starken Regenfällen kommt es vor, dass das Abwasser zurück an die Oberfläche gedrückt wird. Dann dringt es zwar gewissermaßen auch von außen ein, kommt aber aus der Kanalisation. In tiefer gelegenen Gebäuden führt der Rückstau dazu, dass Abwasser aus Toilette und Waschbecken austritt. Dann ist es mit Trocknen nicht getan, und wir müssen erst einmal alles desinfizieren – ein aufwendiges Verfahren, bei dem zunächst ein Luftreiniger zum Einsatz kommt. Am Ende wird alles im Sprüh- und Handwaschverfahren desinfiziert.

In welchem Zustand treffen Sie die Bewohner an?

Wenn es um den Keller geht, trifft es die Leute nicht so stark. Doch wenn der Wohnbereich verwüstet wurde und sie ausziehen müssen, ist es anders: Der komplette Hausrat muss ausgelagert werden, nur das Nötigste kann mit. Da gibt es einiges zu verarbeiten. Wir bleiben nah dran und versuchen genau zu erklären, was gemacht wird. Bis sie in ihre Häuser zurückkehren können, vergehen vier bis sechs Monate. Für unsere Arbeit das Minimum, für Betroffene eine lange Zeit.

Was erwartet sie nach der Rückkehr, was machen Wasser und Schlamm mit der Einrichtung?

Wenn ein Raum komplett unter Wasser steht, wird es schwierig. Im Wohnbereich kommt es auf das Ausmaß an. Quillt Holz erst mal auf, müssen die Türen raus. Auch Möbel sind meistens nicht mehr zu retten. Für die Wiederherstellung von Hausrat gibt es Fachfirmen, aber bei einem Toaster lohnt sich der Aufwand nicht, bei Fahrrädern schon eher. Fliesen vertragen viel, doch wenn Wasser dahinter reinläuft und das Mauerwerk durchfeuchtet, müssen sie ebenfalls ausgebaut werden. Teppiche, Tapeten, Verkleidungen aus Gipskarton – das alles muss weg. Nach der Trocknung ist die Bausubstanz zwar wiederhergestellt, aber alles ist zurück auf null. Man beginnt wieder von vorn, verputzt Mauern, tapeziert Wände.

Wird das teuer für Hausbesitzer?

Die Standards bei uns in Deutschland sind hoch, deshalb wird in der Regel nicht groß rumgemacht, sondern gleich zurückgebaut. Das bedeutet: Putz weg, Boden raus und die Grundsubstanz erneuern. Die Kosten übernimmt die Gebäudeversicherung – jedoch nicht die Kosten für den Hausrat. Mieter gehen oft davon aus, dass sie nichts dafür können, wenn ein Unwetter Schäden verursacht. Die Gebäudeversicherung greift aber nur bei Schäden am Gebäude. Wer eine Hausratsversicherung abschließt, bekommt den Neupreis des Hausrats – und kann alles neu anschaffen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSiedlungspolitik
:Nach dem Hochwasser ist vor der Dürre

Die Klima-Katastrophen sind gekommen, um zu bleiben – und nun wird über bessere Warnsysteme und höhere Dämme diskutiert. Dabei müsste sich etwas anderes grundlegend ändern.

Von Gerhard Matzig

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: