Hochwasser in Deutschland:"Wir bräuchten ein Boot"

Man walks through flooded street near Elbe river in east German town of Pirna

Pirna: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte (man achte auf den Namen des Lokals)

(Foto: REUTERS)

Sie harren in Wohnungen ohne Strom aus, füllen Sandsäcke und müssen zusehen, wie das Wasser in ihren Häusern und Geschäften steigt. Wie erleben die Betroffenen das Hochwasser? Menschen aus den überschwemmten Regionen berichten.

Ute Rietzschel, 56, Geschäftsführerin, Pirna (Sachsen):

"Mein Laden ist bereits 2002 abgesoffen, nun erwischt es uns ein zweites Mal. Ich weiß nicht, wie hoch das Wasser im Geschäft bereits steht. Ich hoffe, dass es nicht wie vor elf Jahren direkt in die Decke geht, wir haben erst eine neue Beleuchtungsanlage eingebaut. Das einzig Gute ist, dass wir uns diesmal vorbereiten konnten: Vor zwei Tagen haben wir die komplette Ladeneinrichtung ausgebaut und bei Nachbarn eingelagert. Außerdem haben wir Holzplatten an den Schaufenstern und Türen angebracht und Plastikplanen darüber gezogen. Wir hoffen, dass das hält. Was am Schlimmsten ist, dass man nichts tun kann - nur abwarten. Und zu allem Überfluss scheint jetzt auch noch die Sonne auf das ganze Elend."

Ulrike Abendroth, 27, Doktorandin, Halle (Sachsen-Anhalt):

"Seit heute Morgen sind wir vom Wasser umschlossen, es steht 20 Zentimeter im Haus, draußen reicht es bis an die Oberschenkel. Wir waren gestern Abend noch weg und als wir wieder kamen, war das Wasser noch nicht so hoch. Uns wurde gesagt, es gibt auf dem Weg zum Haus nasse Knöchel, aber wir durften rein. Innerhalb von sieben Stunden ist es dann noch mal 30 bis 40 Zentimenter gestiegen. Durchsagen wegen einer Evakuierung gab es keine, auch im Radio erfährt man nichts. Es gibt drei Hotlines, aber die sind ständig besetzt. Eigentlich ist es ein großes Durcheinander, auch im Internet erfährt man teils widersprüchliche Sachen von gebrochenen Deichen, oder wann der Scheitelpunkt der Saale erreicht ist. Wir haben Angebote von Freunden, zu ihnen zu kommen, aber dafür bräuchten wir ein Boot. Der Strom ist schon seit zwei Tagen weg, Trinkwasser haben wir zum Glück noch. Panik schieben muss ich daher noch nicht. Wir warten jetzt, ob sich die Lage weiter zuspitzt. Wir können uns immerhin mit unserem Nachbarn über seinen Balkon informieren, ob er mehr weiß als wir."

Thomas Kendzierski, 25, Student, Halle (Sachsen-Anhalt):

"Hochwasser haben wir in Halle schon öfter erlebt, aber gerade nimmt der Stand der Saale historische Ausmaße an. Jetzt helfen alle - junge und alte Menschen - Sandsäcke zu befüllen und zu verladen. Auch ich bin dabei. Vor Ort sind auch Soldaten der Bundeswehr, die mithelfen, die Dämme zu erhöhen. Trotzdem ist in der vergangenen Nacht ein Deich, der Halle-Neustadt schützen soll, überspült worden. In diese Stadtteile dringt jetzt Wasser. In manchen Häusern entlang der Saale steht das Wasser wohl bis zu zwei Meter hoch. Die Lage ist zwar sehr ernst, die Stimmung aber vor allem ruhig, manchmal sogar ausgelassen. Es ist beeindruckend mit anzusehen, wie die Menschen bei einer Notlage zusammen halten und gemeinsam ihre Stadt retten wollen."

Franz Huber, 22, Student, Passau (Bayern):

"Meinem Mitbewohner und mir wurde freigestellt, ob wir unsere Wohnung an der Ortsspitze in Passau verlassen oder dort bleiben. Am Sonntagnachmittag haben wir uns dann von der Wasserwacht mit einem Boot evakuieren lassen. Sonst wären wir wohl mindestens bis Mittwoch vom Wasser eingeschlossen gewesen. Wir sind beim griechischen Restaurant unten in unserem Haus aus dem Fenster geklettert und wurden mitgenommen. Jetzt übernachten wir bei Freunden. Unsere Wohnung liegt im zweiten Stock, daher mache ich mir eigentlich keine Sorgen um meine Sachen. Eigentlich war die Evakuierung sogar recht aufregend. Leid tut es mir vor allem für unsere Freunde, die einen Stock unter uns wohnen. Ihre Wohnung könnte es schon getroffen haben."

Khanh Do Duy, 34, Barbesitzer, Regensburg (Bayern):

"Wäre jetzt das Jahr 2001, wäre hier in der Bar alles unter Wasser. Seit der Flut 2002 wurde der Hochwasserschutz ausgebaut, eine silberne Wand bewahrt uns vor der Donau. Eigentlich ist sie recht hoch, aber in den vergangenen Tagen haben nur wenige Zentimeter gefehlt, dann wäre das Wasser einfach obendrüber gelaufen. Wir waren alle sehr angespannt, ich habe in den vergangenen zwei Nächten kaum geschlafen, habe mich jede Stunde im Internet nach dem aktuellen Höchststand erkundigt. Jetzt soll das Wasser bald zurückgehen und ich bin wirklich erleichtert. Auch, weil dann nicht mehr so viele Katastrophentouristen unterwegs sind. Nebenan auf der Steinernen Brücke geht es zu wie beim Bürgerfest, weil so viele Menschen kommen, um sich das Hochwasser anzuschauen. Hätten wir auch tagsüber geöffnet, könnten wir damit wahrscheinlich noch Geld verdienen."

Hochwasser in Deutschland

"Eine silberne Wand bewahrt und vor der Donau": Wenige Zentimenter entscheiden, ob die Bar von Khanh Do Duy aus Regensburg überschwemmt wird. 

(Foto: Khanh Do Duy)

Thomas Heinz, 33, Maurer, Deggendorf (Bayern):

"Die Evakuierungsmaßnahmen haben mich wirklich überrascht. Ich konnte mir nur noch einen Rucksack packen, dann mussten wir raus. Weil ich noch nicht lange in Deggendorf wohne, kenne ich noch nicht viele Leute im Ort. Deshalb muss ich mir wohl ein Hotel suchen. Meine Wohnung im Erdgeschoss steht jetzt bereits unter Wasser. Aber ich versuche, das mit Humor zu sehen: Die Spülmaschine war fast voll, wenigstens spare ich mir jetzt einen Waschgang."

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