Süddeutsche Zeitung

Hochwasser in Deutschland:Sachsen-Anhalt bittet Brandenburg um Hilfe

Während sich die Lage in Schleswig-Holstein langsam entspannt, muss Sachsen-Anhalt weiter Menschen nach einem Dammbruch evakuieren. Das Land hat deshalb Brandenburg um Unterstützung gebeten. Der Druck auf die Dämme ist nach wie vor groß.

Nach einem Deichbruch bei Fischbeck im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt müssen weitere überflutete Orte evakuiert werden. Wie der Krisenstab der Landesregierung mitteilte, war die Lage in der Region in einigen Orten dramatisch. Schon in der Nacht wurden die Bewohner von Wust bei Fischbeck aufgerufen, ihre Häuser zu verlassen. Wegen des Hochwassers war die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) mit Booten vor Ort, um die Einwohner in Sicherheit zu bringen. AIm Laufe des Tages wurden auch die Menschen in Klietz und Kamern aufgefordert, ihre Dörfer zu räumen. Es bestehe Lebensgefahr. Nach einer Schätzung könnten sich jedoch noch rund 200 Menschen in den drei Ortschaften befinden.

Angesichts der dramatischen Entwicklung in Fischbeck hilft Brandenburg dem Nachbarland Sachsen-Anhalt. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) habe um Unterstützung bei der Evakuierung gebeten, sagte Brandenburgs Landeschef Matthias Platzeck (SPD). "Wir werden helfen", sagte Platzeck. Brandenburg werde Unterkünfte für mehr als 1000 Menschen schaffen, die ihre überfluteten Häuser verlassen müssen.

An der Bruchstelle des Deichs bei Fischbeck sei die Situation jedoch weitgehend stabilisiert. Die Bundeswehr hatte aus der Luft große Sandsäcke abgeworfen; es fließe mittlerweile weniger Wasser durch die Bruchstelle. Nach wie vor breiten sich jedoch gigantische Wassermassen im Hinterland aus. In Magdeburg entspannte sich dagegen die Lage, die Pegelstände sanken weiter.

Das Elbhochwasser in Lauenburg in Schlewig-Holstein hat offenbar seinen Scheitelpunkt erreicht. In der Nacht habe sich der Wasserstand am Pegel Hohnstorf auf der niedersächsischen Elbseite gegenüber von Lauenburg knapp unter 9,60 Meter eingependelt, in Lauenburg selbst lag er bei 9,63 Metern, sagte Krisenstabsprecher Karsten Steffen am Mittwoch. Am Vormittag wurde in Lauenburg ein Pegelstand von 9,64 Metern gemessen. Nach der Vorhersage der Magdeburger Hochwasservorhersagezentrale sollen die Pegelstände in den kommenden Tagen sinken, aber nur langsam. Laut Feuerwehrsprecher Thomas Grimm wird damit gerechnet, dass der Wasserstand der Elbe noch bis zum Wochenende bei mehr als neun Metern liegen werde.

"Wir sind über jeden Zentimeter weniger froh und freuen uns schon, wenn der Wert nicht weiter ansteigt. Denn ein Zentimeter weniger bedeutet 16 Tonnen weniger Wasserdruck für die Deiche", sagte Steffen. Die werden inzwischen nicht nur von Deichläufern, sondern auch mit Wärmebildkameras aus der Luft überwacht. So sollen undichte Stellen und von unten durchsickerndes sogenanntes Qualmwasser früh erkannt werden. Am frühen Nachmittag wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) nach Lauenburg kommen, um mit Helfern zu sprechen und sich ein Bild von der Lage machen.

Aus Lauenburg berichtet unser Korrespondent Carsten Eberts: Die Lauenburger Hafenstraße steht seit Tagen unter Wasser. Hier wird Kanzlerin Angela Merkel gegen 13 Uhr erwartet, sie will sich ein Bild von der Lage machen, Anwohnern Mut zu sprechen, den Hilfskräften danken. Wie man es als Kanzlerin so tut. Die Hafenstraße entlangspazieren kann jedoch auch Merkel nicht: An manchen Stellen steht das Wasser kniehoch.

Auch Niedersachsen kämpft weiter gegen die Elbeflut. Die Einsatzkräfte versuchen, die Deiche gegen die Wassermassen zu verteidigen. Tausende Helfer sind im Einsatz. Das Wasser soll nach Einschätzung der Katastrophenstäbe aber nicht mehr weiter steigen. Im Wasser treibende Bäume und Äste bedrohen jedoch Deiche und in Hitzacker auch die dünne Spundwand, die die Altstadt sichern soll. Etwa 50 Tonnen Treibgut holten die Einsatzkräfte nach Angaben des Landkreises Lüchow-Dannenberg in den vergangenen Tagen aus der Elbe. Zudem steigt die Gefahr, dass die Deiche durchweichen.

In Mecklenburg-Vorpommern sind mehr als 3000 Einsatzkräfte und Helfer in den Regionen um Dömitz und Boizenburg im Einsatz. Die Pegelstände blieben in der Nacht zum Mittwoch weitgehend stabil bei etwa 7,18 Metern in Dömitz und 7,32 in Boizenburg, normal sind etwa zwei Meter. An vielen Stellen sickert aber bereits Wasser durch die Deiche. Wie der Landrat des Kreises Ludwigslust-Parchim, Rolf Christiansen (SPD), mitteilte, seien diese Stellen aber noch unproblematisch.

Brandenburg scheint beim Hochwasser vergleichsweise glimpflich davonzukommen. Der Pegel der Elbe in der Prignitz bei Wittenberge ist in der Nacht zum Mittwoch um mehr als zehn Zentimeter zurückgegangen. Allerdings liegt der Wasserstand immer noch bei 7,60 Metern und damit nach Angaben des Koordinierungsstelle Krisenmanagement höher als bei der Flut im Sommer 2002 mit damals 7,34 Metern in der Spitze.

In der Region sind 2600 Helfer im Einsatz, um ein Durchsickern durch die Deiche zu verhindern. Das Hochwasser der Elbe ist mittlerweile auch in das Flüsschen Stepenitz geflossen. Dort sind die geplanten Deiche noch nicht gebaut. Deshalb wurden in der Gemeinde Breese mehrere Häuser überflutet. Ministerpräsident Matthias Platzeck und Innenminister Dietmar Woidke (beide SPD) machten sich am Mittwochmorgen aus der Luft ein Bild, teilte die Staatskanzlei mit. Im Anschluss wollte Platzeck das Katastrophenschutzzentrum in Wittenberge besuchen und Woidke in der Region mit weiteren Einsatzkräften sprechen.

Heftige Regenfälle haben die Donau in Bayern erneut anschwellen lassen. Die neue Flutwelle fließt auf das niederbayerische Krisengebiet zu. Höchststände wurden allerdings nicht mehr erwartet. Wie der bayerische Hochwassernachrichtendienst mitteilte, wurde im Flusslauf bis Regensburg verbreitet die Meldestufe drei erreicht. Im niederbayerischen Krisengebiet wurde der Scheitel noch erwartet. Dort wurde damit gerechnet, dass noch im Laufe des Tages ebenfalls die dritte Stufe erreicht wird. In Deggendorf zieht sich das Wasser langsam zurück. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, dass die immer noch gesperrte Autobahn 3 (Regensburg-Passau) bis Freitag wieder freigegeben werden soll.

Verspätungen auf ICE-Strecken

Die Sperrung einer Elbbrücke wegen Hochwassers bei Schönhausen in Sachsen-Anhalt wird auch am Mittwoch Verspätungen im Fernbahnverkehr verursachen. Freigegeben wurde dagegen nach Angaben der Deutschen Bahn eine bisher gesperrte Elbbrücke in Biederitz bei Magdeburg. Über sie sollen nun die ICE-Züge der Strecke Köln-Berlin fahren.

Es komme aber zu Verspätungen; auch auf der Strecke Berlin-Frankfurt am Main sei weiter mit Verzögerungen zu rechnen. Auch im Regionalbahnverkehr gibt es in der Region zahlreiche Einschränkungen. Wie lange die Sperrung der Brücke bei Schönhausen dauern werde, sei noch nicht abzusehen, sagte ein Bahnsprecher.

Ziehen Sie den Slider nach rechts und links, um die Auswirkungen des Hochwassers zu sehen. Diese Vorher-Nachher-Bilder sind Aufnahmen aus Fischerdorf, einem Stadtteil von Deggendorf in Bayern.

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