Süddeutsche Zeitung

Hitzewelle in Deutschland:Angriff aus der Sahara

Diskreter Übergang zwischen zwei Hochs: Zlatka hat Yasmine abgelöst, auf Hitze folgt mehr Hitze - nun aber schwüle. Meteorologen sagen für dieses Wochenende "Fieber" voraus, anstrengend werden vor allem die tropischen Nächte. Allerdings fehlt noch etwas für einen Rekord-Juli.

Von Christopher Schrader

Die 299 Euro haben sich gelohnt. Den Betrag hat ein Mann namens Wilhelm Hemmerde vor einiger Zeit an die Meteorologen der Freien Universität Berlin bezahlt, um die Patenschaft für das 25., in Mitteleuropa wetterbestimmende Hochdruckgebiet des Jahres 2013 zu übernehmen. Seit 1954 bietet die Hochschule diesen Service, sie finanziert damit ihre regelmäßige Wetterbeobachtung. Der Pate durfte, lang bevor sich sein Schützling bildete, einen Namen aussuchen. Es musste ein Frauenname sein und mit Y anfangen. Hemmerde wählte Yasmine.

Das Hoch wurde am 13. Juli getauft, als es südlich von Island auf die britischen Inseln zuschwebte. Lange trödelte es über der Nordsee herum; erst an diesem Freitag hat es sich über dem Nordkap aufgelöst. In den beiden Wochen haben die Wetterberichte immer wieder den von Hemmerde bestimmten Namen genannt. Meist durchaus anerkennend: Yasmine hat Deutschland schönstes Sommerwetter beschert, Sonne vom blauen Himmel, dazu nördlicher oder östlicher Wind, sodass es nicht zu heiß und schwül wurde.

Damit ist es jetzt vorbei. Das neue Hoch Zlatka über Italien - dort über der Adria - zusammen mit dem Tief Zaki über dem Atlantik westlich von Irland werden Deutschland ein glühendes Wochenende bringen. Der Deutsche Wetterdienst DWD warnt bereits vor anhaltender Hitze. "Am Samstag und Sonntag bekommt Deutschland Fieber. Wir erwarten das bisher heißeste Wochenende des Jahres", sagt Andreas Friedrich vom DWD. Die Temperaturen erreichen oder übertreffen vermutlich am Samstag in Stuttgart, Konstanz, Frankfurt, Nürnberg und Leipzig die 35-Grad-Celsius-Marke.

Sonntag verschiebt sich das Zentrum der Hitze vom Südwesten in den Osten: Berlin und die Lausitz könnten 38 Grad erreichen. "Für Cottbus stehen sogar 39 Grad in der Vorhersage", erklärt Friedrich. Im Gegensatz zum DWD halten andere Wetterdienste sogar Rekordtemperaturen von 40 Grad für möglich. Auch in München klettert das Thermometer voraussichtlich auf 35 Grad, obwohl Regenschauer angekündigt sind. Die Belastung für den Organismus wird steigen, weil es nachts nicht richtig abkühlt. Viele Orte erwarten sogenannte tropische Nächte, in denen das Thermometer 20 Grad oder mehr zeigt.

Auf trockene folgt schwüle Hitze

Zudem ist Zlatkas Hitze nicht so trocken wie die unter Yasmine. Die Luftfeuchtigkeit ist höher, es wird schwül. Für den Organismus des Menschen bedeutet das, dass der Schweiß nicht so leicht von Armen oder Stirn verdunsten und die Haut kühlen kann, weil die Luft schon relativ stark mit Feuchtigkeit gesättigt ist. Auch der Wind ist schwach. Der DWD errechnet aus solchen Größen eine gefühlte Temperatur, die in den kommenden Tagen auf 38 bis 42 Grad ansteigen könnte. Er warnt darum vor einer "extremem Hitzebelastung".

Den Unterschied zwischen Yasmine und Zlatka kann man mit einigen Grundbegriffen der Meteorologie leicht verstehen. Dort gilt eine Art Daumenregel: Reckt man den Daumen der linken Hand nach oben, krümmen sich die Finger im Uhrzeigersinn. In dieser Richtung strömt der Wind um ein Hochdruckgebiet herum. Bei Tiefs ist es - linker Daumen nach unten - umgekehrt. Da Yasmine nördlich von Deutschland vorbeizog, lenkte sie sehr lange kühle, eher trockene Luft vom Meer und aus dem Norden übers Land. Zlatka jedoch steht im Süden, sie schiebt Luft aus der Sahara über Spanien direkt nach Mitteleuropa. Das Tief Zaki über dem Atlantik verstärkt die Strömung noch. "Die beiden greifen wie zwei Zahnräder ineinander", sagt Friedemann Schenk, Meteorologe vom Dienst an der FU Berlin.

Die Beobachtung dieser Luftströmung erlaubt es Wetterkundlern, die Temperaturen am Boden recht genau zu bestimmen. "Wenn wir in anderthalb Kilometern Höhe 20 Grad Celsius messen, müssen wir zum Beispiel für Berlin 15 bis 17 Grad addieren", sagt Schenk. Die Zahl ergibt sich aus der Physik. Aufsteigende Luft kühlt sich auf jeweils 100 Höhenmetern um ein Grad ab, fallende erwärmt sich entsprechend. Das macht bei anderthalb Kilometern eben 15 Grad. Die zusätzlichen zwei Grad bis zur 17 sind ein Hochsommer-Hitze-Zuschlag.

Regensoll für Juli ist erst zu 20 Prozent erfüllt

Ohne den genauen Blick auf die Wetterkarte freilich war der Wechsel von Yasmine zu Zlatka nicht unbedingt zu bemerken: Die Hitze des Wochenendes erscheint als Fortsetzung und Steigerung des seit Wochen andauernden Hochsommers. Das liegt daran, dass sich der Übergang zwischen den beiden Hochs am Donnerstag eher diskret vollzog, ohne dass zwischendurch ein Tief das Wetter bestimmen konnte. So haben sich auch die Städte und Landschaften kaum abkühlen können. Für die Deutschen fühlt es sich damit wie die dritte Periode in diesem Jahr an, in der sich das Wetter sozusagen festgeklemmt hat und gar nicht wechseln will: Nach der langen Kälte im März und dem Regen mit anschließender Flut im Mai nun dauerhafte Hitze im Juli.

Der Monat steuert daher auf einen Spitzenplatz in der Statistik zu: "Top Zehn, aber nicht Top Drei", schätzt der DWD-Sprecher Friedrich. Ähnliche Hitze hatten zuletzt die Juli-Monate 2010 und 2006, als ebenfalls Sahara-Luft nach Deutschland strömte. Im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland erreichte der Juli den Rekord und lag mehr als fünf Grad über den Erwartungen, also dem Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990. Da kann der Juli dieses Jahres nicht mithalten.

Die Sonne schien zwar schon in seinen ersten drei Wochen länger als sonst im ganzen Monat zu erwarten ist. Sein Regensoll hingegen ist erst zu 20 Prozent erfüllt, so besagen es vorläufige Zahlen des DWD, Stand Freitag. Die mittlere Temperatur im deutschen Durchschnitt liegt jedoch bei aller Hitze nur etwa zwei Grad Celsius über dem statistischen Wert.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2013/kjan
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