Hitzesommer:Ein Sommer wie dieser

Schwedens höchster Berg schrumpft zusammen, und in Spanien spenden sich Schafe ihren eigenen Schatten. SZ-Autoren erzählen kuriose und traurige Hitzegeschichten aus Europa.

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Nättraby/Schweden

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Quelle: Marc Herold

Nie war ein Juli in Schweden so heiß wie dieser. Jedenfalls nicht in den 260 Jahren, seit denen schwedische Temperaturen aufgezeichnet werden. Riesige Waldflächen brannten ab. Zugschienen verbogen sich in der Hitze. Der Gletscher auf Schwedens höchstem Gipfel ist so schnell geschmolzen, dass er nun nicht mehr Schwedens höchster Gipfel ist. Und im ganzen Land, so scheint es, sind alle Ventilatoren ausverkauft. Im ganzen Land? Nein. Im kleinen Ort Nättraby stolperte ein findiger Tankstellenbesitzer über ein letztes, verstaubtes Exemplar. Jahrelang war der kleine weiße Tischventilator ein Ladenhüter gewesen. Selbst zum halben Preis - für sieben Euro - wollte ihn niemand haben. Schwedens Rekordsommer machte ihn nun zum Luxusgut. Der Tankstellenbesitzer versteigerte ihn aus Jux öffentlichkeitswirksam als letzten Ventilator Schwedens. Er bekam 145 Euro dafür. Hat er für einen guten Zweck gespendet.

(Silke Bigalke)

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Venedig/Italien

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Quelle: SZ

So eine Hitzewelle fordert zu besonderen Maßnahmen heraus: Kürzlich entkleidete sich ein französischer Tourist an der Bootsanlegestelle vor dem Markusplatz bis auf die Badehose - und ging baden. Im Wasser plantschend wurde er von einem Gondoliere freundlich gegrüßt, zuerst auf Italienisch, dann auf Französisch, und gefragt, ob er denn wisse, wo er sei und was er dort mache: an einem der schönsten historischen Orte der Welt? Woraufhin der Tourist antwortete, es sei ihm so heiß gewesen, dass er vorübergehend der Umgebung nicht gedacht habe. In der Regel sind solche Urlauber Anlass zur Empörung. In der Lokalpresse ist dann von "degrado" die Rede, vom Verfall der Sitten. Doch die Hitzewelle scheint die Umgangsformen zu ändern: Verständnisvoller jedenfalls ist man in Venedig wohl seit Jahren keinem Touristen mehr begegnet, der es an Respekt vor der Stadt hatte fehlen lassen.

(Thomas Steinfeld)

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Paterna/Spanien

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Quelle: SZ

Eigentlich ist man ja im ausgedörrten andalusischen Hinterland einiges an Hitze gewohnt. Dass das Verkehrsleitsystem auf der Autobahn nach Sevilla 53 Grad über dem Asphalt anzeigt - keine Sensation. Doch was nun auf seiner Viehweide geschah, das hatte der Bauer Antonio nahe dem Dorf Paterna noch nie erlebt: Da standen seine Schafe eng aneinandergedrängt, die Köpfe alle gesenkt. Sie standen aber nicht in einem chaotischen Haufen, sondern fast in Reih und Glied: meist zwei Schafe nebeneinander, dazu im rechten Winkel die nächsten beiden. Die Köpfe hatten sie unter die Bäuche der quer vor ihnen stehenden gesteckt. Und mittendrin die Lämmer. Antonio machte sich Vorwürfe: Auf der Weide gab es keine Bäume, die Schatten spenden könnten. So mussten die Tiere selbst für Schatten sorgen. "Sie sind gar nicht so dumm, meine Schafe", sagte Antonio und pfiff anerkennend durch die Zähne.

(Thomas Urban)

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Paris/Frankreich

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Quelle: SZ

Auf den Spielplätzen rufen die Eltern ihre Kinder regelmäßig zu sich, um sie von Kopf bis Fuß mit Wasser aus der Dose zu besprühen. Angenehmer wären ein paar schattenspendende Bäume, aber die muss man in Paris oft lange suchen. Die Stadtverwaltung hat jetzt eine Smartphone-App herausgebracht, auf der eingezeichnet ist, welche Straßen wann im Schatten liegen. Außerdem listet die App auf, wo Kirchen, Museen und Bücherhallen sind. Orte also, die entweder durch eine Klimaanlage oder jahrhundertealte Steinmauern vor der Hitze schützen. Rentner können sich nachmittags zu Hause abholen lassen, um den Rest des Tages in sogenannten Erfrischungsräumen zu verbringen. In Paris sind kaum Wohnungen mit Klimaanlagen ausgestattet, und auch in 40 Prozent der Metros und Regionalzüge bringt nur das offene Fenster ein wenig frische Luft. Dafür gibt es Durchsagen: "Trinken Sie regelmäßig."

(Nadia Pantel)

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Hamburg/Deutschland

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Quelle: SZ

Ein Schwan liegt erschöpft am Alsterufer. Er hat seinen langen Hals in die Böschung fallen lassen, seine Flügel hängen kraftlos im Wasser. Hamburgs Schwäne leiden unter diesem Sommer. Vier sind zuletzt verendet, wahrscheinlich weil sie sich im warmen Wasser tödliche Bakterien eingefangen haben. Für die Hansestadt ist das ein großes Thema. Das Schwanenwesen ist eine Institution hier, etabliert im elften Jahrhundert, gepflegt von einem spezialisierten Beamten, dem sogenannten Schwanenvater. Es gab Zeiten, in denen es per Senatsverordnung verboten war, Schwäne zu beleidigen. Jetzt ist die Sorge groß. Schwanenvater Olaf Nieß hat sie ins Winterquartier am Eppendorfer Mühlenteich geschickt. Dort ist das Wasser auch warm, aber Nieß hat die Vögel besser im Blick. Ihre Gesundheit ist wichtig für die Zukunft. Denn die Legende besagt, solange Schwäne auf der Alster schwimmen, wird Hamburg frei und reich sein.

(Thomas Hahn)

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Zürich/Schweiz

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Quelle: SZ

Die Sonne geht auf, zum Glück ist es bewölkt. Alles wie immer: Markise ausfahren, noch mal umdrehen. Der Balkon ist der einzige Ort der Wohnung, der bei diesen Temperaturen zum Schlafen einlädt. Der zweite Ort, die kalte Badewanne, ist in der Tiefschlafphase leider zu gefährlich. Die Markise wiegt sanft im Wind, am Horizont leuchten die Berge. Der Radiowecker durchbricht die morgendliche Stille. Nach wenigen Sätzen ist klar: Die Lage ist ernst. Dort oben, in den Alpen, sind die Wiesen so ausgedörrt, dass Kühe und Ziegen, die für gewöhnlich ihre Sommermonate damit verbringen, Gras zu fressen und Wanderer zu erschrecken, frühzeitig ins Tal zurückgeholt werden müssen. Der Alpabzug - eigentlich eine feierliche Angelegenheit - findet dieses Jahr in eher gedrückter Stimmung statt. Nächstes Thema: Die Importzölle auf Heu und Silomais sinken. Zeit, in die eiskalte Badewanne umzuziehen.

(Charlotte Theile)

© SZ.de/saul
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