Historische Kriminalfälle:Die Mörderin, die sie "Schwarze Witwe" nannten

Historische Kriminalfälle: Trieb sie die Geldgier an oder war es die Lust am Morden? Bis zu 40 Menschen soll Belle Gunness getötet haben.

Trieb sie die Geldgier an oder war es die Lust am Morden? Bis zu 40 Menschen soll Belle Gunness getötet haben.

(Foto: mauritius images / TopFoto)

Wie die gebürtige Norwegerin Belle Gunness in den USA zur Serienmörderin wurde - und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf mysteriöse Weise verschwand.

Von Florian Welle

Verglichen mit ihren männlichen Kollegen sind Serienmörderinnen in der Minderheit. Doch es gibt sie. Belle Gunness war eine der ersten und auch gleich eine der grausamsten. Die Zahl ihrer Opfer schwankt und ist bei Weitem nicht das einzige Geheimnis, das die gebürtige Norwegerin umgibt. In seriösen Quellen bringt sie es auf elf bis 40 Morde. In sensationslüsternen wird hingegen schon mal von 180 geredet.

So oder so treffen die Spitznamen, die man der 1859 in Selbu Geborenen nach ihrem mysteriösen Verschwinden 1908 gegeben hat, zu: Für die einen war sie "Lady Bluebeard", für andere eine "moderne" Lucrezia Borgia oder, so der Titel eines Buches, nicht weniger als "Hell's Princess".

Belle Gunness, gebürtige Brynhild Størset, wanderte mit Anfang zwanzig nach Amerika aus, um den bescheidenen Verhältnissen ihrer Heimat zu entkommen. Geld wird später bei all ihren Taten eine Rolle spielen - sie kassierte im Laufe der Jahre Tausende Dollars von Versicherungen. Die Sehnsucht nach der unbedingten Verwirklichung des amerikanischen Traums gilt vielen als treibendes Motiv. Genauso ist es aber möglich, dass sie schlicht eine Psychopathin war, der die Taten Lust verschafften.

1884 heiratet die mit über einen Meter achtzig recht große und mehr als 90 Kilo auch sehr stämmige Belle in Chicago ihren ersten Gatten Mads Sorenson. Wegen ihres Äußeren keimte später der Verdacht auf, ob sie in Wahrheit ein verkleideter Mann war. Das Paar wird diese Gerüchte mit vier Kindern widerlegen und ein Süßwarengeschäft eröffnen.

Das brennt 1897 nieder, die Versicherung zahlt. Dann zwei Schicksalsschläge: Zuerst stirbt die Älteste, Caroline, an Kolitis, zwei Jahre später folgt Bruder Axel. Es könnte allerdings auch sein, dass beide mit Strychnin vergiftet wurden - die Symptome ähneln einander - und deshalb Belles erste Opfer waren. Beide Kinder waren versichert.

Als ihr zweiter Ehemann stirbt, erzählt sie, ein Fleischwolf sei auf seinen Kopf gefallen

Im Sommer des Jahres 1900 erliegt Mads einem Herzinfarkt. So lautet zumindest die Diagnose des Hausarztes, nachdem der erste behandelnde Arzt eine Strychnin-Vergiftung nicht ausschloss. Das Verdächtige an dem Tod: Er ereignete sich just an dem Tag, an dem sich zwei Lebensversicherungen von Mads überschnitten.

So kassiert Belle doppelt. Mit der Summe zwischen 5000 und 9000 Dollar erwirbt sie ein Jahr später eine Schweinefarm und zieht mit den Kindern Lucy und Myrtle nach LaPorte/Indiana.

Im April 1902 heiratet sie zum zweiten Mal und wird spätestens jetzt zur Serientäterin. Nach der Heirat mit dem verwitweten Metzger Peter Gunness überschlagen sich die Ereignisse. Zuerst stirbt überraschend dessen kleine Tochter. Im Dezember ist Belle schwanger, und kurz vor Weihnachten ist Peter selbst tot. Die Umstände sind wieder dubios. Angeblich sei ein Fleischwolf aus dem Regal auf Peters Kopf gefallen und habe den Schädel zertrümmert, so die Witwe.

Sie kommt damit durch und streicht aufs Neue eine erhebliche Versicherungssumme ein, obwohl Restzweifel bleiben. So behauptet etwa Jennie Olson, die wohl ein Pflegekind der Familie war, im Gespräch mit Freundinnen: "Meine Mutter hat meinen Papa getötet. Sie erschlug ihn mit einem Fleischerbeil." 1906 ist das Mädchen auf einmal verschwunden. Auf Nachfrage behauptet Belle, Jennie sei aufs College nach Kalifornien gegangen. Dass das eine Lüge ist, wird für alle erst 1908 zur traurigen Gewissheit.

Blickt man auf jenes Foto, das im Zusammenhang mit Belle Gunness stets auftaucht und sie mit Myrtle, Lucy und dem kleinen Philip im Sonntagsgewand zeigt, ahnt man kaum, dass einen eine Mörderin anblickt. Nach dem Tod des zweiten Mannes denkt sich Belle eine Masche aus, die viele das Leben kosten wird.

Sie gibt in norwegischsprachigen Zeitungen Heiratsannoncen auf. Mit Erfolg.

Auch dass die Männer Stillschweigen wahren, heimlich auf Nebenstraßen und mit ihrem Ersparten kommen sollen, schreckt sie nicht ab. Einmal angekommen haben Ole B. Budsburg, Henry Gurholdt, Olaf Lindbloom, um nur einige zu nennen, keine Chance. Belle mischt Strychnin ins Essen, zerteilt dann die Leichen und vergräbt sie im Schweinestall.

Wer weiß, wie lange sie ihr Mordgeschäft noch betrieben hätte, wenn nicht die Liebe dazwischengefunkt hätte. Der von ihr verschmähte Knecht Ray Lamphere wird mit seiner Eifersucht für Belle zunehmend zur Gefahr. Genauso wie Asle Helgelien. Der stößt auf der Suche nach seinem verschwundenen Bruder Andrew auf dessen Korrespondenz mit Belle und nimmt Kontakt zu ihr auf. Was nun folgt, ist das rätselhafteste Kapitel, das aufzudröseln wohl nie möglich sein wird.

Sicher ist nur, dass die Farm im April 1908 in Flammen aufgeht, und die Behörden danach zu graben beginnen. Dabei geht man jedoch unter den Augen vieler Schaulustiger so schlampig vor, dass die genaue Zahl der männlichen Opfer für immer ein Geheimnis bleiben wird.

Belle lebte als unwesentreibendes Phantom in den Köpfen der Menschen fort

Zudem findet man die Leichen von Myrtle, Lucy, Philip und Jennie Olson. Sowie die einer enthaupteten Frau. Ob es sich bei ihr um Belle Gunness handelt, ist bis heute ungeklärt, nachdem selbst eine DNA-Analyse im Jahr 2008 keine Lösung brachte.

Und so reißen jene Stimmen nicht ab, die schon damals hinter dem Brand ein raffiniertes Täuschungsmanöver vermuteten. Danach hätte Belle mithilfe des verblendeten Ray - über seine genaue Rolle gibt es die widersprüchlichsten Aussagen - eine unschuldige Frau enthauptet, um anschließend Feuer zu legen und zu verschwinden.

Im Gegensatz zu Lamphere, der wegen Brandstiftung verurteilt wurde und noch in der Haft starb, lebte Belle als unwesentreibendes Phantom in den Köpfen der Menschen fort.

Zuletzt meinte man sie 1931 in der wegen Giftmordes angeklagten Esther Carlson zu sehen. Doch sehr vieles weist heute darauf hin, dass Carlson, die damals noch vor Prozessbeginn starb, nicht Belle Gunness gewesen sein kann.

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