Hinter den Kulissen:Pippi Langstrumpf, Herr Nilsson und ich

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In einem Buch erzählen Schauspieler aus den Astrid-Lindgren-Verfilmungen die Geschichten hinter den Geschichten.

Von Gerhard Fischer

Die Pippi Langstrumpf, die man im Fernsehen sieht, ist nicht immer Inger Nilsson. Sie hatte bei den Dreharbeiten ein Double, wenn es gefährlich wurde - und meistens war das ein Junge: Pär Sundberg, der ansonsten Annikas Bruder Tommy spielte. "Wir waren ungefähr gleich groß", erzählt Sundberg. "Als Pippi auf dem Pferd stand und ein Bein ausstreckte, war das ich mit der roten Perücke." Pär Sundberg konnte das problemlos: Er hatte als Fünfjähriger die Akrobatenschule besucht und war später beim Kinderballett.

"Pippi Langstrumpf", "Michel aus Lönneberga", "Wir Kinder aus Bullerbü", "Die Brüder Löwenherz" - in Schweden wurden 31 Spielfilme nach den Büchern von Astrid Lindgren gedreht. Jetzt ist ein Buch erschienen mit Geschichten, die sich am Filmset zugetragen haben.

Die Journalisten Petter Karlsson und Johan Erseus haben mit den Schauspielern gesprochen und die Anekdoten zusammengetragen unter dem Titel: "Fran snickerboa till Villa Lillekulla" (Vom Tischlerschuppen zur Villa Kunterbunt). Natürlich soll es auch ins Deutsche übersetzt werden. "Wir stehen in Verhandlungen - es wird nach Deutschland kommen, schließlich ist dort ein großer Markt", sagt Annelie Eldh vom Forum-Verlag in Stockholm.

Eine Augenklappe und Pippi auf den Schultern

Dann können auch die Deutschen solche Sachen lesen: Als "Pippi in der Südsee" auf Barbados gedreht wurde, suchte man Statisten für die Rollen der Piraten. Zufällig war der norwegische Entdecker Thor Heyerdahl auf Barbados, weil er dort nach dem Wrack der "Ra I" suchte. Heyerdahl spielte also bei Pippi mit.

Im Buch ist eine schöne Szene abgebildet: Heyerdahl, der eine Augenklappe trägt, hat Pippi Langstrumpf auf den Schultern. Pippi richtet ein Gewehr auf einen Gegner, der mit erhobenen Armen vor ihnen geht. Dieser Mann ist ein englischer Millionär, den Regisseur Olle Hellbom an der Hotelbar aufgegabelt hatte.

Oder die Sache mit Herrn Nilsson, Pippis Affen. "Er war der Grund Nummer eins, dass ich mich so oft umziehen musste", erzählt Inger Nilsson. "Es war nicht lustig, diesen Affen auf meiner Schulter zu haben, er war mit einer Schnur angebunden, die um meinen Bauch gewickelt war. Herr Nilsson hatte viel Angst, da pinkelte und biss er. Er sah sehr süß aus, aber er roch nicht gut. Man sollte so einen Affen nicht als Haustier halten."

Trotzdem kauften sich viele Schweden einen Herrn Nilsson für ihr Zuhause. Schweden war eben Ende der Sechzigerjahre im Pippi-Langstrumpf-Taumel: Drei von acht Millionen Einwohnern saßen damals jeden Samstag vor dem Fernseher, um die Serie zu gucken.

"Melker hat meine ganze Karriere zerstört"

Apropos Fernsehen. "Ferien auf Saltkrokan" ist die einzige von allen Astrid-Lindgren-Erzählungen, die direkt für das Fernsehen geschrieben wurde. Im Mittelpunkt standen die pummelige Tjorven, der 90 Kilo schwere Bernhardiner Bootsmann, der nette Pelle und dessen Vater, der tapsige, sympathische Melker.

Torsten Lilliecrona, der den Melker spielte, hat seine Rolle später verflucht: "Melker", sagte er, "hat meine ganze Karriere zerstört." Als er am Göteborger Theater in Shakespeares Macbeth auftrat und die Bühne betrat, lachte das Publikum, und einer rief: "Da kommt doch Melker!"

Jan Ohlsson, der Michel aus Lönneberga, hat schnell Schluss gemacht mit der Schauspielerei. Heute arbeitet der 42-Jährige als Computer-Fachmann in Uppsala, gibt keine Interviews und hat nach Auskunft eines Freundes seit 25 Jahren keinen Streich mehr gemacht.

Das kleine Schweinchen, das Michel im Film mit Kirsch-Konzentrat betrunken gemacht hatte, wurde nach Drehende verkauft und landete irgendwo in Smaland als Braten auf dem Weihnachtstisch. Das Pferd Lukas ging auf einem Bauernhof in Pension und lebte putzmunter bis 1986.

Und Ida? Als man die kleine Ida damals suchte, hieß es in der Annonce: "Höchstens 1,05 Meter groß und nicht zu schwer für eine Fahnenschnur." Ida wurde bekanntlich von Michel an der Fahnenstange hinauf gezogen. Drei Meter hoch! Auch sie gibt keine Interviews mehr.

Allan Edvall, der den rabiaten Vater Anton Svensson mimte, soll privat sehr lustig gewesen sein. Von ihm wird in dem Buch diese schöne Geschichte erzählt: Er hat einmal in Algerien Urlaub gemacht, als ein kleines arabisches Kind auf ihn zulief und rief: "Michel!"

© SZ vom 16.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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