Himalaja:Die Geschichte einer tragischen Rettungsaktion

Himalaja: Es ist seine erste warme Suppe nach langer Zeit: Einen Monat lang hat Liang Shen-yue nichts zu sich genommen außer Salz und Wasser.

Es ist seine erste warme Suppe nach langer Zeit: Einen Monat lang hat Liang Shen-yue nichts zu sich genommen außer Salz und Wasser.

(Foto: Prakash Mathema/AFP)
  • Helfer haben einen 21-jährigen Studenten aus 2600 Metern Höhe im Himalaja-Gebirge gerettet. Der junge Mann hatte dort 47 Tage ohne Hilfe ausgeharrt.
  • Drei Tage vor dem Eintreffen der Helfer war seine 19-jährige Freundin gestorben.

Von Arne Perras, Singapur

Als sie ihn fanden, hat er geschlafen. Ein abgemagerter junger Mann, Läuse in den Haaren, Maden im rechten Fuß. Außer Wasser und Salz hat er die vergangenen vier Wochen nichts mehr zu sich genommen, die Vorräte aus dem Rucksack hielten nicht lange. Ein paar Packungen Nudeln, Kartoffeln, viel mehr hatte er nicht. "Wir waren überrascht, dass er noch am Leben war", erzählte ein Helfer später in Kathmandu. Nur wenige hielten das noch für möglich: Der junge Wanderer Liang Shen-yue aus Taiwan hat 47 Tage lang auf 2600 Metern Höhe überlebt. Ohne jede Hilfe von außen.

Der 21-jährige Student war am 9. März mit seiner 19-jährigen Freundin, Liu Chen-chun, in den Bergen von Nepal verloren gegangen. Sieben Wochen später entdeckten Einheimische ein rotes Zelt nahe einem schwer zugänglichen Wasserfall - und dann wurde Liang gerettet. Für seine Gefährtin kam die Hilfe jedoch zu spät, sie starb drei Tage vor Eintreffen der Suchmannschaft.

Drei Tage. Auch für Helfer ist so etwas schwer zu verkraften. Das junge Paar war zum Trekking in die beliebte Gegend Langtang gereist, nordöstlich der Hauptstadt Kathmandu. Am 22. Februar starteten sie ihre Wanderung, das junge Paar hatte Zelt und Proviant bei sich, doch machte es sich ohne ortskundigen Führer auf den Weg. Am 3. März hatten sie noch Kontakt zu ihren Familien gehabt, dann wurde das Wetter schlecht, es gab starken Schneefall. Verwandten und Freunden gelang es nun nicht mehr, Kontakt aufzunehmen. Am 9. März wurden die beiden noch einmal auf dem Weg gesehen, dann waren sie verschwunden. Im Dorf Langtang, wo sie mit Freunden zusammentreffen sollten, kamen sie niemals an.

Mitte März schlugen die Angehörigen Alarm. Der Vater des Studenten reiste nach Nepal und charterte einen Hubschrauber, um die beiden zu finden. Doch obgleich mehrere Bergführer im Einsatz waren und sie verschiedene Routen prüften, blieb die Suche lange erfolglos. Schneefall und Lawinen machten es riskant, die Suche nach dem vermissten Paar auszuweiten.

Wie sie den Weg verloren haben, ist immer noch nicht ganz geklärt. Ein beteiligter Helfer sagte in Kathmandu, die Studenten hätten versucht, entlang eines Flusses in eines der Dörfer abzusteigen und seien dann ganz in der Nähe eines Wasserfalls nicht mehr weitergekommen. Ein Aufstieg sei ihnen nicht mehr geglückt, so waren sie in der eisigen Wildnis gefangen.

Die Region ist bei Wanderern beliebt

Langtang, südlich von Tibet gelegen, ist eine der beliebtesten Trekking-Gegenden im ganzen Himalaja. Als ein Erdbeben vor genau zwei Jahren Nepal erschütterte, war dieses Tal besonders schwer betroffen. Der Aufbau geht nur schleppend voran, auf effiziente Hilfe des Staates warteten die Überlebenden trotz Milliardenhilfen der Weltgemeinschaft meistens vergebens. Doch ist der Tourismus wieder in Gang gekommen, die Bergfreunde sind zurückgekehrt in dieses sehr arme Land, sie bringen Devisen, die Nepal dringend benötigt. Aber immer wieder gehen auch Wanderer verloren, weil sie Risiken falsch einschätzen, weil sie auf ortskundige Führer verzichten oder einfach nur Pech haben.

Seine Blutwerte sind in Ordnung, doch das Trauma kann ihm keiner nehmen

Den überlebenden Studenten Liang flog ein Hubschrauber ins Grande International Hospital von Kathmandu aus, Bilder nach der Rettung zeigen den Mann in eine dicke grüne Decke gewickelt, er kauert auf einem Klinikbett und lächelt, er sieht sehr erschöpft aus. Ein Arzt erklärt, der Gerettete könne nur langsam erzählen, einem Reporter der Agentur AFP sagt Liang nicht viel mehr, als dass es da oben "sehr kalt" gewesen sei und dass sie Schwierigkeiten hatten, Schlaf zu finden. Viel wichtiger als das Erzählen ist an diesem Tag, eine erste warme Suppe zu schlürfen. Eine erste Suppe nach vier Wochen.

Die Ärzte schienen überrascht zu sein, wie stabil der Gerettete doch war. In den sieben qualvollen Wochen hat er immerhin mehr als 30 Kilogramm Gewicht verloren. Bluttests erbrachten zunächst gute Ergebnisse, doch müssten sie ihren Patienten nun mit großer Vorsicht behandeln und ernähren, sagte der Mediziner Chakra Raj Pandey in Kathmandu. Außerdem sei psychologische Hilfe unerlässlich. Denn das Trauma vom Verlust der Freundin können ihm die Ärzte auch mit den besten Medikamenten nicht nehmen.

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