Hilfe für Obdachlosen:Wie die gute Tat eines Tischlers berühmt wird

  • Ein Tischler aus Oberösterreich stellt spontan einen Obdachlosen ein, der ihn auf der Straße um Arbeit bittet.
  • Auf Facebook und Twitter wird die Geschichte tausendfach verbreitet, der Tischler als Held gefeiert.
  • Das dient auch der kollektiven Selbstvergewisserung: Österreich ist mehr als nur FPÖ.

Von Hannah Beitzer

"Du kannst bei mir morgen zu arbeiten beginnen": Es ist ein Satz, aus einer spontanen Regung des Mitgefühls ausgesprochen, der den Tischler Herbert Hartl zu einer kleinen Berühmtheit macht. Auf Facebook schildert der Mann aus Oberösterreich, wie er auf der Straße einen Obdachlosen traf, ihn erst abwimmeln wollte - und ihm stattdessen einen Job gab. Einfach nur, weil der danach fragte. Der Tischler brachte den Obdachlosen, so beschreibt er es, sogar in ein Hotel. "Ohne zu wissen, wie er heißt, woher er kommt und was er kann", sagt er. Nun sei die Zufallsbekanntschaft von der Straße schon seit einigen Tagen "ein toller Kollege und guter Mitarbeiter".

Es ist eine Geschichte wie aus dem Sonntagsgottesdienst, tausendfach verbreiten begeisterte Menschen sie auf Facebook und Twitter. "Solche Menschen wie Dich braucht das Land", schreiben sie Hartl und: "Ich hätte auch gern so einen tollen Chef." Kommentare, die die Geschichte des Tischlers in Zweifel ziehen, ihm vorwerfen, nur Werbung machen zu wollen, gibt es auch. Doch die überwältigende Mehrheit der Kommentatoren feiert Hartl als Helden der Nächstenliebe.

Akt der kollektiven Selbstvergewisserung

Der Tischler erlebt das Gegenteil dessen, wofür die Nutzer sozialer Netzwerke für gewöhnlich in den Schlagzeilen stehen. Keinen Shit- sondern einen Candystorm. Dahinter steckt mehr als das wohlige Gefühl, das eine Geschichte von spontaner Nächstenliebe und glücklichen Zufallsbegegnungen bereitet.

Es geht dabei auch um einen Akt der kollektiven Selbstvergewisserung - in diesem Fall zum Beispiel verunsicherter Österreicher, die sich für die Wahlerfolge der FPÖ in ihrem Land schämen. "Wenn ich an die menschenverachtenden Asylproteste und den noch menschenverachtenderen FPÖ-Sager "Da drinnen können sie schreien, so laut sie wollen" denke (...), bin ich mir ziemlich sicher, dass man diese Geschichte nicht oft genug erzählen kann", schreibt etwa ein Autor des Hipster-Magazins Vice.

Wir sind nicht die FPÖ, wir sind Herbert Hartl: Diese Botschaft schwingt mit in der Begeisterung über die gute Tat des Tischlers. Auch wenn viele seiner Unterstützer wohl ehrlicherweise zugeben müssten: Im Alltag handeln die meisten Menschen anders als Hartl, ganz egal, ob in Österreich oder anderswo.

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