Hexenjagd in Papua-Neuguinea:Gefoltert, geköpft, verbrannt

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Der Fall ging um die Welt: Im Februar wird eine junge Mutter auf einem Scheiterhaufen in der Stadt Mount Hagen in der papua-neuguineischen Provinz Western Highlands verbrannt. (Foto: AFP)

Erneut sind in Papua-Neuguinea zwei Frauen tagelang gefoltert und dann hingerichtet worden, weil sie jemanden verhext haben sollen. Menschenrechtler kritisieren, der Vorwurf Hexerei werde oft nur als Vorwand genutzt - um Gewalt gegen Frauen zu rechtfertigen.

Von Felicitas Kock

Zwei Frauen werden verschleppt, weil sie durch Hexerei einen Lehrer getötet haben sollen. Sie werden von einem wütenden Mob auf den Dorfplatz gezerrt, dort festgehalten und tagelang gefoltert. Ihr Martyrium endet mit dem Tod, den Frauen wird der Kopf abgeschlagen. Die Sicherheitskräfte des Dorfes in Papua-Neuguinea, heißt es, hätten der Enthauptung zugesehen, unfähig, etwas gegen die tobende Menschenmasse zu unternehmen. "Wir waren hilflos", sagen die Polizisten später lokalen Medien - wieder einmal.

Nur wenige Tage vor den Enthauptungen wurden in dem Inselstaat im Pazifik sechs Frauen und ein Mann wegen Hexerei-Verdachts mit glühenden Eisenstangen gefoltert. Im März ging das Schicksal einer jungen Mutter um die Welt, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, weil man sie als Hexe für den Tod eines fremden Kindes verantwortlich machte. Auch hier hatte die Polizei keine Chance. Und auch hier war die Frau von einer Horde zorniger Menschen umgeben, die sie brennen sehen wollten.

Folter und Tod angeblicher Hexen auf öffentlichen Plätzen, in Dörfern und Kleinstädten, ohne dass jemand etwas dagegen unternimmt - für viele Westeuropäer klingt das nach dunkelstem Mittelalter. "Der Glaube an Hexerei gehört zum Weltbild vieler Menschen in Papua-Neuguinea", erklärt Joachim Görlich, der das Land seit 1989 immer wieder bereist und erforscht. "Es handelt sich um ein magisches, sehr komplexes Weltbild: Alles hängt hier irgendwie zusammen und nichts geschieht einfach so", sagt der Ethnologe.

Wenn sich jemand verlieben soll, wird mitunter Liebesmagie angewandt, wenn eine reiche Ernte eingebracht werden soll, Gartenmagie - und wenn jemand stirbt, wird nicht zwangsläufig nach einer naturwissenschaftlichen Begründung gesucht, sondern nach einem Hexer, der für den Tod verantwortlich sein könnte. Die Suche nach übernatürlichen Ursachen spielt besonders dann eine Rolle, wenn der Tote hoch angesehen war, wie jetzt im Fall des Lehrers - oder sehr jung und damit eigentlich noch nicht zum Sterben bereit, wie bei der Hexenjagd im März.

Als Wurm in die Körper der Opfer

Darüber, wie eine Hexe tötet, gibt es unterschiedliche Annahmen. Weit verbreitet ist laut Görlich die Vorstellung, die Hexe verwandle sich in einen Wurm, dringe in den Körper ihres Opfers ein und fresse dessen Eingeweide auf.

Wer als Hexe verdächtigt wird, hängt meist mit Geschlecht und sozialer Stellung zusammen. Die UN-Berichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen, Rashida Manjoo, kritisierte nach ihrem Besuch in Papua-Neuguinea 2012, dass die Anschuldigung, eine Hexe zu sein, vor allem Witwen und andere Frauen ohne Familie treffe, denen es an schützenden sozialen Beziehungen fehlt.

Allgemein werde der Vorwurf der Hexerei oft nur als Vorwand für Gewalt gegen Frauen genutzt. "Ich war geschockt von der Brutalität, mit der gegen Frauen vorgegangen wird, die verdächtigt werden, Hexen zu sein. Die Angriffe schließen häufig Folter, Vergewaltigungen, Genitalverstümmelungen und Mord mit ein", schildert Manjoo in ihrem Bericht. Die Gewalt gehe meist von jungen Männern aus, die wiederum von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft angestachelt würden. "Meinen Gesprächspartnern zufolge wird die Beschuldigung als Hexe auch genutzt, um Frauen ihr Land oder ihren Besitz wegzunehmen", heißt es weiter.

Auch Joachim Görlich musste bei seinen Aufenthalten in Papua-Neuguinea feststellen, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten ein regelrechtes Geschäft um die Hexerei entwickelt hat. Weil verdächtigte Hexen laut Gesetz nicht mehr getötet werden dürfen, würden häufig Kompensationszahlungen verlangt, sagt der Ethnologe. Die beschuldigte Frau müsse die Familie ihres "Opfers" finanziell entschädigen. Darüber hinaus würden aber auch immer wieder Männer drohen, eine mächtige Hexe zu kennen, um auf diese Weise Schutzgeld zu erpressen.

Trotz des Verbots werden immer wieder als Hexen verdächtigte Frauen gelyncht. Es genüge ein Unglück oder ein Tod innerhalb einer Gemeinschaft, um ihn einer Frau in die Schuhe zu schieben und sie dafür zu bestrafen, beschreibt UN-Berichterstatterin Manjoon.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International drängt die Regierung Papua-Neuguineas deshalb dazu, den Sorcery Act abzuschaffen, ein Gesetz aus dem Jahr 1971, das "bösartige Hexerei" unter Strafe stellt. Zwar wurde das Gesetz ursprünglich eingeführt, um die Tötung mutmaßlicher Hexen zu verhindern und durch Haftstrafen zu ersetzen. Kritiker sind sich jedoch sicher, dass der Gesetzestext stattdessen die Vorstellung von Hexerei als Straftatbestand festigt.

"Die Abschaffung des Hexereigesetzes ist eine der dringendsten Maßnahmen, um weiteren schrecklichen Angriffen vorzubeugen", heißt es in einer Amnesty-Mitteilung vom 5. April. Die Politik hat sich des Problems mittlerweile angenommen. Die Kommission für Verfassungs- und Gesetzesreformen hat der Regierung empfohlen, den Sorcery Act für nichtig zu erklären.

Wie viel dieser erste Schritt tatsächlich bringen kann, bleibt abzuwarten. "Der Staat ist in Papua-Neuguinea sehr schwach", sagt Görlich. Deshalb sei die Polizei bislang auch machtlos, wenn eine wütende Menschenmenge eine Frau auf einem Scheiterhaufen verbrenne.

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