Hessen verbietet Klubs der Hells Angels:Nimm das, Höllenengel!

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Totschlag, Körperverletzung, räuberische Erpressung: Die Rockergruppe Hells Angels hat in den vergangenen Jahren systematisch die Macht im Frankfurter Rotlichtviertel übernommen. Jetzt verbieten die Hessen zwei einflussreiche Klubs. Die Politik feiert einen gelungenen Coup - anderswo sind die Höllenengel kaum noch zu stoppen.

Marc Widmann, Frankfurt

Die Ermittler kamen mit der Dunkelheit. Zuerst schraubten sie am Vereinsheim das Schild mit dem geflügelten Totenkopf ab und durchsuchten die Räume. Dann froren sie die Konten ein. Jetzt sperren sie auch noch die Internetseiten: Seit Donnerstagabend sind zwei einflussreiche Frankfurter Vereine der Rockergruppe Hells Angels verboten.

"Sie sind nach unserer Überzeugung lupenreinstes organisiertes Verbrechen", sagt Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) am Freitag; er ist sichtlich gut gelaunt. Schließlich trifft das Verbot eine der mächtigsten Gruppen der Hells Angels in Deutschland: das Charter "Westend".

Die Frankfurter Rocker haben in den vergangenen Jahren systematisch die Macht im Rotlichtviertel rund um den Hauptbahnhof erobert. Ehemals hier herrschende albanische oder serbische Gangs vertrieben sie "mit brachialen Mitteln", wie ein Ermittler sagt.

Ihre Mitglieder sind wegen Totschlags, Körperverletzung, räuberischer Erpressung, schwerer Vergewaltigung oder Verstoßes gegen das Waffengesetz polizeibekannt. Sie waren eine Macht in Frankfurt. Kein Konkurrent wagte es mehr, sich mit ihnen anzulegen.

Zwei Millionen Euro - pro Monat

In ihren Bordellen und FKK-Klubs, so schätzen Fahnder, nehmen die Frankfurter Hells Angels inzwischen ein bis zwei Millionen Euro ein - jeden Monat. Zwei Jahre lang ermittelte das hessische Landeskriminalamt, bis genügend Material für ein Verbot gesammelt war. Dieses Verbot soll nun die Strukturen der Rocker zerschlagen und ihnen die finanzielle Basis entziehen.

"Wir dulden keinen Staat im Staate", sagt Innenminister Rhein. Schließlich gehe es den geschlossenen Klubs "Westend" und "Frankfurt" mit ihren 90 Rockern allein darum, "Macht über andere auszuüben" - und nicht etwa ums friedliche Motorradfahren. Nur jeder Fünfte der Männer besitze überhaupt einen Motorradführerschein.

Mitgliedern, die straffällig wurden, bezahlten die Hells Angels schon mal ganz spendabel die Anwälte. Nun wird erwartet, dass diese hochbezahlten Juristen auch gegen das Verbot vor Gericht ziehen.

Es ist nicht das erste Verbot in Deutschland: Hamburg schloss bereits in den Achtzigern das erste deutsche Hells-Angels-Charter; in den vergangenen Monaten wurden die Gruppen in Flensburg und Pforzheim dichtgemacht. Die dortigen Rocker dürfen nicht länger ihre Lederkutten und Embleme tragen. "Das ist ein hoher Ansehensverlust, das trifft sie hart", sagt ein Fahnder. Denn mit ihrem martialischen Auftreten schüchtern die Rocker gerne ihre Gegner ein.

Einfahrt des Frankfurter Klubs der Hells Angels: Hessen hat zwei einflussreiche Gruppen der Rockergruppe verboten. (Foto: dpa)

Solange jedoch nur einzelne Ortsgruppen verboten werden, können die Mitglieder einfach in eine andere Stadt wechseln - und dort wieder eintreten. Ein bundesweites Verbot von Hells Angels, Bandidos und anderen Rockergangs ist bislang nicht in Sicht, die rechtlichen Hürden sind hoch. Ein wesentliches Problem dabei ist, dass die verschiedenen Vereine nur regional aktiv sind. Man müsste ihnen nachweisen, dass sie zentral gesteuert werden - das ist beinahe unmöglich.

Herrscher des Steintorviertels

Manche Hells-Angels-Zweige sind inzwischen kaum noch zu fassen. Wo die Behörden ein frühes Verbot versäumten, hatten die Rocker genügend Zeit, in der legalen Wirtschaft Fuß zu fassen. In Hannover zum Beispiel kontrollieren die Höllenengel seit Jahren das Steintorviertel, auch hier haben sie ihre Konkurrenten vertrieben. Ihnen gehören dort längst auch Tanzkneipen, Bars und edle Restaurants. Sie haben GmbHs gegründet, verkaufen ihre eigene Biermarke, zahlen Steuern - alles völlig legal.

"Die haben sich komplett abgesichert", sagt ein Ermittler. Seine persönliche Meinung: Man hätte sie viel früher verbieten müssen. Mancherorts ist es dafür zu spät.

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