Süddeutsche Zeitung

Hessen:Milliardär mit Herz für die Provinz

Lutz Mario Helmig ist Arzt, mehrfacher Milliardär und seit 30 Jahren mit dem Bürgermeister von Grebenhain befreundet. Als die hessische Gemeinde immer tiefer in die roten Zahlen rutscht, begleicht der 68-jährige Unternehmer mit 2,1 Millionen Euro die Schulden des Dorfes - und stellt eine Bedingung.

Von Benedikt Warmbrunn

Für den Mittwoch hatte Bürgermeister Manfred Dickert sich zwei Arbeitsaufträge gegeben. Den ersten erledigte er am Vormittag, er musste einen Vertrag unterschreiben. Dann wurde er in seiner Arbeit gestört, ständig rief ihn jemand an, und auf sein Ritual, die Pfeife zur Mittagsstunde, wollte er auch nicht verzichten. Den zweiten Arbeitsauftrag erledigte Dickert also erst am Nachmittag. Es war eine zweite Unterschrift, für die zweite Ausfertigung des Vertrages. Mit den unterschriebenen Papieren machte der Bürgermeister von Grebenhain nach Dienstschluss einen Spaziergang, um sie in einen Briefkasten zu werfen. Erste Unterschrift, zweite Unterschrift, Spaziergang: Am Abend war alles erledigt, um die Schulden der hessischen Gemeinde zu begleichen.

Dickert gab eine Vereinbarung ab, dass Grebenhains Schulden in Höhe von 2,1 Millionen Euro durch eine Spende beglichen werden. Der andere Unterzeichner: Lutz Mario Helmig, von 1977 an Gefäßchirurg an der Klinik Oberwald in Grebenhain, 1987 Gründer einer Klinik-Gruppe, die er nach dem griechischen Gott der Heilkunst (Asklepios) benannte, 1994 Gründer einer Hospitalgesellschaft, die er nach dem griechischen Gott der Sonne (Helios) benannte. 2010 ordnete das Manager Magazin Helmig auf der Liste der 500 reichsten Deutschen auf Platz 70 ein, mit einem Vermögen von 1,4 Milliarden Euro.

1983 wurde Dickert zum Bürgermeister der Gemeinde im Vogelsbergkreis gewählt, damaliger Schuldenstand: umgerechnet 2,4 Millionen Euro. Im November geht er in den Ruhestand. Dass er eine Gemeinde ohne Schulden übergeben kann, "das ist phantastisch", sagt er. Sieben von 25 Darlehen können gekündigt werden, für die anderen werden separate Sonderkonten eingerichtet. Bei einem Etat in Höhe von zehn Millionen Euro wird Grebenhain pro Jahr 120.000 Euro mehr zur Verfügung haben.

Dickert kennt Helmig seit fast 30 Jahren, "es gab das eine oder andere Gespräch", mehr will er über Helmig und das Verhältnis der beiden Männer nicht verraten. Er erzählt nur, dass es im Mai ein Gespräch gegeben habe, in dem Helmig ihm sagte, dass er spenden wolle, "und zwar noch in meiner Amtszeit". Ob die Spende eine Belohnung für seine Arbeit sei? Dickert weicht aus, verweist auf die Entwicklung des Schuldenstands und darauf, dass die Gemeinde mit ihren 15 Ortsteilen "investiert hat wie die Schweine". Acht Kläranlagen, zwölf Wasserwerke, eine Sporthalle mit Platz für 350 Menschen. Dickert sagt: "Die Gemeinde ist immer eine Herausforderung gewesen - und das bleibt sie auch." Helmig hat die Bedingung gestellt, dass Grebenhain drei Jahre lang keine neuen Schulden aufnehmen darf, außer bei Investitionen in die Infrastruktur. "Die Ausnahme war bitter nötig", sagt Dickert. Nächstes Jahr soll ein Wasserhochbehälter gebaut werden.

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SZ vom 18.07.2013/jst
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