Süddeutsche Zeitung

Zuständigkeiten von Ministerien:Dahoam is Daheim

Das Bundesinnenministerium ist auch unter der SPD weiter ein Heimatministerium. Wo bleibt der Spott über #HeimatNancy?

Von Elisa Britzelmeier

Was ist Horst Seehofer damals verlacht worden. Als er 2018 sein Ministerium umbenannte in "Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat", war der Spott groß. "Jedem Haushalt einen deutschen Schäferhund", hieß es in den sozialen Medien, "Florian Silbereisen wird Staatssekretär", oder: "Zum Mittagessen bitte deutsche Hausmannskost". #HeimatHorst war geboren. Es folgten Feuilletondebatten, Tagungen und Sammelbände zum Heimatbegriff, der schönste Titel: "Eure Heimat ist unser Albtraum".

Jetzt gehört das Innenministerium der SPD, geleitet wird es von Nancy Faeser. Und siehe da: Der Bau geht, die Heimat bleibt. "#BMI bleibt #Heimatministerium", twitterte der offizielle Account. "Unser neuer Name: Bundesministerium des Innern und für Heimat."

So was. Diese Regierung, die "Mehr Fortschritt wagen" will, klebt also weiter am verstaubten, schwer unter CSU-Verdacht stehenden Begriff "Heimat"? Wo bleiben nur die Tweets zu #HeimatNancy?

Sprachlich irritiert natürlich nach wie vor die Kombination aus Genitiv- und "Für"-Konstruktion ("des Inneren und für Heimat"), und auch wer darauf hinweist, das klinge doppelt gemoppelt, hat recht. Dürfte Absicht sein. Schließlich geht's hier um die Betonung der eigenen Wurzeln, um das Bild einer Heimat, die ganz stark innen zu verorten ist.

Kissen, Kerzen, T-Shirts: Heimat steht längst überall

Dass sich auch SPD, Grüne und FDP auf die Heimat einigen können, überrascht allerdings nur auf den ersten Blick. Längst wird über alle Parteien hinweg versucht, das Heimatfeld nicht allein der AfD zu überlassen. So sprach etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon 2017 von einer "Sehnsucht nach Heimat" und Grünen-Chef Robert Habeck davon, dass Politik eine "Heimatidee" formulieren müsse. Und längst steht der Heimatbegriff auch sonst überall. Auf Dekokissen (mit Hirschgeweih!), auf Brotzeitbrettern und Kerzen (mit Tannenzapfen!), auf den Türen von Techno-Clubs, Cafés und Berliner Werbeagenturen. Nicht nur auf rechtslastig, sondern auch auf hipsterverdächtig aussehenden T-Shirts (#Heimatliebe).

Man könnte bei dieser Fülle fast meinen, Seehofers Ministerium habe ganze Arbeit geleistet. Wären nicht vor der Wahl die bohrenden Fragen von Grünen, FDP und Linken gewesen, was die Abteilung H eigentlich so erreicht habe, Ergebnis: Nun ja. Sogar innerhalb des Ministeriums rätselte man.

Nein, die Heimatrenaissance hatte längst vor der Ministeriumsumbenennung begonnen, womöglich schon bei der heimatfarbenen Fußball-WM 2006, spätestens aber seit der sogenannten Flüchtlingskrise. Was bemerkenswert ist in einem Land, in dem man den Heimatdiskurs nach dem Nationalsozialismus für ziemlich durch hielt, weil völkisch verklärt. Die Idee hatte Seehofer übrigens aus Bayern mitgebracht, wo es seit 2013 das "Staatsministerium der Finanzen und für Heimat" (der und für!) gibt, und auch NRW hat seit 2017 ein "Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung". Soundmäßig schwingt da immer ein bisschen Gerhard Schröder mit, der bekanntermaßen mal vom "Ministerium für Familie und das andere Gedöns" sprach.

Die wirklich gruseligste Variante der Ministeriumsumbenennung kommt aktuell aus Afghanistan, wo die Taliban mal eben das Frauenministerium aufgelöst und durch ein "Ministerium der Tugenden und Laster" ersetzt haben. Aber beim Blick auf andere Länder findet sich auch eher heiteres Gedöns. In Großbritannien etwa existiert ein Ministerium gegen Einsamkeit, in Indien eines für Yoga und in Japan eines für Toiletten. Klingt lustig - ergibt am Ende aber vielleicht mehr Sinn als die gute alte Heimat.

Wenn man sich schon Extravaganz leisten will: Warum nicht gleich ein Ministerium für alberne Gangarten, in Anlehnung an Monty Python? Dann wäre wenigstens gleich klar: Hier geht es ums gute Gefühl. Des und für alle.

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