Süddeutsche Zeitung

Heiligsprechung von Mutter Teresa:Wunder gibt es immer wieder

Wer als Seliger oder Heiliger verehrt werden darf, ist in der katholischen Theologie streng geregelt. Wie wird man heilig? Wer entscheidet darüber? Und was macht der Advocatus Diaboli?

"Diese kleine Frau" sei eine "Botschafterin des Evangeliums", hieß es in der Predigt zu Mutter Teresas Seligsprechung im Jahr 2003 von Papst Johannes Paul II. Er nannte die 1997 gestorbene Mutter Teresa von Kalkutta eine "Ikone des Guten Samariters", die sich in ihrer Arbeit für die Ärmsten der Armen "nicht einmal von Konflikten und Kriegen aufhalten" ließ. Sie sei "eine der bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Epoche". Die Ehrung nur sechs Jahre nach dem Tod der Ordensfrau war die schnellste Seligsprechung der Neuzeit.

Schon damals war klar, dass auch die Heiligsprechung schnell vonstatten gehen sollte. Die Kanonisierung mag mit ihren antiquierten Riten, Märtyrertoden und vor allem mit den amtlich bestätigten Wundern vielen weltfremd und völlig aus der Zeit gefallen erscheinen. Für die Katholiken ist die Heiligenverehrung jedoch einer der wichtigsten Bestandteile des Glaubens.

19 Jahre nach ihrem Tod soll Mutter Teresa jetzt also heiliggesprochen werden - für die katholische Kirche ist das Eiltempo. Denn der Weg zu einem ganz und gar überirdischen Wesen ist strikt reglementiert.

Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was ist ein Heiliger?

Selige und Heilige dienen gläubigen Katholiken als theologisches und lebenspraktisches Vorbild. Darüber hinaus gelten diese Vorbilder in der katholischen Theologie quasi als menschlicher Gottesbeweis, in ihrer Person wird deutlich, dass "jeder, der den Spuren des Herrn nachfolgt, das Ziel seines Lebens in der Herrlichkeit des ewigen Lebens erreicht", wie es das Bistum Trier auf seinen Webseiten erläutert.

Was unterscheidet Heilige von Seligen?

Wer in das Buch der Seligen aufgenommen wird, darf ab sofort örtlich begrenzt verehrt werden. In München beispielsweise gehört dazu die Selige Theresia Gerhardinger, eine Nonne, die sich im 18. Jahrhundert um die Erziehung und Ausbildung von Mädchen verdient machte. Heilige dagegen werden von der ganzen Weltkirche verehrt. Die Seligsprechung ist Voraussetzung für die Heiligsprechung.

Wie wird man heilig?

Allererste Voraussetzung dafür, heilig zu werden, ist, dass man im Volk verehrt wird. Außerdem muss die Person überdurchschnittlich tugendhaft gelebt haben - was die drei christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung angeht, aber auch andere Grundtugenden (Gerechtigkeit, Weisheit, Mut und Mäßigung). Der Lebenswandel des Selig- beziehungsweise Heiligzusprechenden wird im ersten Verfahrensteil geprüft. Außerdem muss die Person entweder einen Märtyrertod gestorben sein oder mindestens ein Wunder vollbracht haben. Dieses Kriterium wird im zweiten Schritt unter Mithilfe von Medizinern geprüft..

Welche Wunder hat Mutter Teresa vollbracht?

2002 erkannte Papst Johannes Paul II. die Heilung einer krebskranken Frau in Indien als ein Wunder Mutter Teresas an. Ihr war ein Bild der Nonne auf den Bauch gelegt worden. Eine medizinische Erklärung gab es nicht. 2015 fand sich die zweite wundersame Tat, für die Mutter Teresa verantwortlich sein soll: Ein Brasilianer wurde ohne wissenschaftliche Erklärung von mehreren Hirntumoren geheilt, nachdem Angehörige die Nonne angeblich um Hilfe gebeten hatten. Papst Franziskus erkannte dies 2015 als Wunder an, der Weg für die Heiligsprechung war frei.

Wie läuft das Verfahren ab?

Frühestens fünf Jahre nach dem Tod einer Person kann eine Diözese oder ein Orden den Heiligen Stuhl um Erlaubnis bitten, das Seligsprechungsverfahren zu eröffnen. Falls dem stattgegeben wird, übernimmt der Postulator die Leitung des langwierigen, in zwei Blöcke gegliederten Verfahrens: Er prüft zum Beispiel die Biographie des selig zu sprechenden, hört Zeugen an, sammelt und bewertet Quellen. Das Verfahren wird anschließend von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse - ein etwa 70-köpfiges Gremium mit Angelo Amato als Präfekt - geprüft und anschließend per päpstlichem Dekret besiegelt. Für die Heiligsprechung beginnt das Prozedere noch einmal von vorne. Im Jahr 933 wurde Ulrich von Augsburg als erster nach den neuen Regeln heiliggesprochen.

Welche Rolle spielt der Advocatus Diaboli?

Der Anwalt des Teufels, dessen Rolle es ist, sich einer Sache entgegenzustellen, hat längst Eingang in die Alltagssprache gefunden - stammt aber ursprünglich aus dem Heiligsprechungsprozess. In der letzten Stufe des Verfahrens ist es die Aufgabe dieses Anwalts, gegen die Kanonisation zu argumentieren und die Beweisführung der Fürsprecher anzufechten.

Wie viele Heilige gibt es?

Darüber gibt es laut dem Online-Portal heiligenlexikon.de - dem umfangreichsten deutschsprachigen Heiligen-Verzeichnis - verschiedene Angaben. Der anerkannteste Katalog ist das Martyrologium Romanum (offizielle Webseite auf Italienisch), das in der Ausgabe von 1584 etwa 2700 Heilige enthielt. Das Zweite Vatikanische Konzil beschloss 1962, nur noch wirklich wichtige Heilige zu feiern. Aufgrund der vielen Heilig- (483) und Seligsprechungen (1316) durch Johannes Paul II. ist die Liste wieder deutlich angewachsen: In der jüngsten Ausgabe von 2004 verzeichnet das Martyrologium etwa 7000 Einträge. Auch Papst Franziskus ist alles andere als zurückhaltend: Bei einer einzigen Messe sprach er im Mai 815 Personen heilig.

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