Singapurische Garküche:Märchen mit Anfang und Ende

The Wider Image: Eating street in Singapore

Chan Hong Meng 2016 in seiner Imbissbude in Singapur.

(Foto: Edgar Su/Reuters)

2016 zeichnete der "Guide Michelin" eine singapurische Garküche mit einem Stern aus. Aus der Imbissbude wurde danach ein globales Unternehmen - jetzt ist der Stern wieder weg.

Von Arne Perras

Er wirkte damals etwas überwältigt, nach allem, was ihn über Nacht ereilt hatte. Es kommt ja nicht jeden Tag vor, dass der Koch einer Imbissbude einen Michelin-Stern bekommt. Nach 14 Stunden Arbeit saß Chan Hon Meng etwas erschöpft auf der Bank und wusste nicht recht, was er sagen sollte. Er war doch nur ein einfacher Koch, der darauf achtete, dass sein Hühnchen jeden Tag zart und saftig war; und dass seine Kunden, die umgerechnet 1,35 Euro auf die Theke legten, zufrieden und satt nach Hause gingen.

Chan und der Stern: Es klang alles wie ein Märchen. Zum ersten Mal zeichnete der weltbekannte Guide Michelin 2016 den Betreiber einer winzigen singapurischen Garküche aus. Aber jedes Märchen hat einen Anfang und auch irgendwann ein Ende, wie der gebürtige Malaysier Chan, der in Singapur zu unverhofftem Ruhm gekommen ist, nun erfahren musste.

Doch der Reihe nach: erst mal zurück in die Warteschlange an jenem Septembertag 2016. Gut 30 Meter lang zog sie sich über Treppen und um mehrere Ecken herum durch den sogenannten Hawker in Chinatown herum, jene Ansammlung von überdachten Streetfood-Ständen, von denen auch Chan eine besaß: Bude Nummer 126.

Manche warteten vier Stunden in der Schlange

Eine Küche so groß wie eine Besenkammer, sein Gericht: Hongkong Soya Chicken Rice, ein Klassiker, den man eigentlich überall im Stadtstaat bekommt. Aber schon bevor Chan von den Michelin-Testern entdeckt wurde, wollten viele zu ihm. Danach konnte er sich vor Kunden gar nicht mehr retten. Manche standen vier Stunden Schlange und mussten dann feststellen, dass Chans allerletztes Hühnchen gerade verspeist war.

Der Stern brachte viele Veränderungen für Chan, ein Investor stieg ein, auf einmal hatte er Angestellte, er machte zusätzlich ein Restaurant auf. Später expandierte das Unternehmen ins Ausland, mit Filialen von Kasachstan bis Australien. "Hawker Chan" wurde zum Label und lockte nun vor allem Touristen aus aller Welt.

Doch schon bald begann das Raunen, man hörte von Singapurern, die Besucher aus Amerika oder Europa zum Vorzeige-Streetfood-Koch führten, Sätze wie diesen: "Das ist nicht mehr so, wie es früher mal war". Eine Stadtführerin, die häufig dort gewesen ist mit Gästen, sagt: "Ich war nie mehr ein großer Fan des Essens im Hawker Chan, obwohl der Koch ein so wundervoller Mensch ist."

Chan, ein bescheidener Mann aus armen Verhältnissen, hat sich hochgearbeitet, das brachte ihm viel Sympathien ein, manchmal auch Neid, wie er erzählte. Und viele fragten sich bald, wie einer wie er überhaupt mit einer so rasanten Expansion fertigwerden würde.

Dann kam Covid, und obgleich Singapur die Krankheit mit striktem Regiment stets unter Kontrolle hielt, traf es die Gastronomie hart. Und in dieser Woche musste Starkoch Chan jetzt auch noch einen weiteren Rückschlag einstecken: Er hat just seinen Michelin-Star verloren. "Shock Loss", meldete das Blatt Today in Singapur. Vom Koch war bisher nichts zu vernehmen. Er ist ein eher schüchterner Mensch, Reden über sein Essen, die hielten andere. Seine größte Freude war es immer, wenn er abends noch rechtzeitig nach Hause kam, um seiner Tochter im Bett Gute Nacht zu sagen.

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