Havarie des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia":Retter befreien Besatzungsmitglied

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Nach einem koreanischen Pärchen haben Rettungskräfte auch ein Besatzungsmitglied aus dem havarierten Kreuzfahrtschiff gerettet. Der Mann war auf dem dritten Deck der vor der toskanischen Küste verunglückten "Costa Concordia" eingeschlossen. Noch immer werden Dutzende Passagiere vermisst. Die italienische Küstenwache fand unterdessen auch die Blackbox des Schiffes.

Nach einem koreanischen Paar ist am Sonntag ein dritter Überlebender aus dem vor der toskanischen Küste havarierten Kreuzfahrtschiff befreit worden. Es handele sich um ein Besatzungsmitglied, das auf dem dritten Deck der "Costa Concordia" eingeschlossen gewesen sei, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Die Zahl der Vermissten hat sich damit auf 36 verringert, nachdem sich am Sonntag noch zwei japanische Passagiere bei der Botschaft in Rom gemeldet hatten. Unklar ist, wieviele Vermisste noch an Bord sein könnten oder aber im Chaos der Rettungsaktionen nicht registriert worden sind.

"Wir versuchen das schier Unmögliche, um zu der Person vorzudringen": Rettungstrupps haben im Innern der Costa Concordia ein italienisches Besatzungsmitglied ausfindig gemacht. (Foto: AFP)

Nach Angaben des Corriere, der sich auf der Reederei Costa Crociere nahestehende Quellen beruft, sollen besonders die Besatzungsmitglieder aus Küchen und Wäschereien in Gefahr sein. Sie arbeiteten vorwiegend in dem Teil des Schiffes, das jetzt am tiefsten im Ozean versunken ist.

Zwei französische Touristen und ein peruanisches Besatzungsmitglied kamen bisher ums Leben. 60 Menschen wurden nach Angaben der Behörden verletzt. Auch etwa zehn deutsche Passagiere erlitten nach Angaben der Kreuzfahrtgesellschaft leichte Verletzungen.

Chaotische Evakuierung

Die italienische Küstenwache hat inzwischen die Blackbox des Schiffes gefunden und beschlagnahmt. Davon erhoffen sich die Ermittler Aufklärung über die Route des Kreuzfahrtschiffes. Verschmutzung durch Treibstoff aus dem Schiff gibt es nach Behördenangaben derzeit nicht. Gefahr könnte erst bei einer Änderung des Wetters bestehen, heißt es.

Die Costa Concordia war am späten Freitagabend mit mehr als 4200 Menschen an Bord auf einen Felsen vor der Insel Giglio gelaufen. Nach starkem Wassereinbruch neigte sich das Schiff und kippte schließlich auf die Seite. Bei der Evakuierung spielten sich nach Angaben von Passagieren chaotische Szenen ab. Einige Passagiere sprangen italienischen Medien zufolge in Panik in das eiskalte Wasser.

Kreuzfahrtschiff havariert
:Die letzte Fahrt der "Costa Concordia"

Eine Traumreise endete jäh: Kurz nach der Abfahrt von der italienischen Insel Giglio schrammt die "Costa Concordia" über Felsengrund, die Schiffswand reißt auf, das Kreuzfahrtschiff bekommt Schlagseite, an Bord bricht Panik aus und mindestens sechs Menschen sterben. Die Bilder der Havarie.

Mehrere Passagieren klagten, die Besatzung habe für die Rettungsaktionen nicht richtig ausgebildet gewirkt. Die Evakuierung sei viel zu spät eingeleitet worden und chaotisch gewesen.

Rettungskräfte bringen die 29-jährige Südkoreanerin an Land. Zusammen mit ihrem gleichaltrigen Ehemann hatte sie die Havarie der Costa Concordia in einer Schiffskabine überlebt. (Foto: REUTERS)

Nach Angaben des Veranstalters Costa Kreuzfahrten sind an Bord der Costa Concordia wahrscheinlich keine Deutschen mehr. Zwischen 40 und 50 der 560 deutschen Passagiere seien vermutlich noch in Italien. Zu sechs von ihnen habe das Unternehmen keinen Kontakt. Die Rückreise organisiere Costa unter anderem zusammen mit dem Auswärtigen Amt. Genaue Angaben zu der Herkunft der Reisende werde das Unternehmen nicht veröffentlichen.

Kapitän Francesco Schettino wurde festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Herbeiführung eines Schiffbruchs. Auch gegen den ersten Offizier der Costa Concordia wurde Untersuchungshaft angeordnet. Genau wie dem Kapitän werde ihm vorgeworfen, das Schiff verlassen zu haben, bevor alle Passagiere gerettet worden seien.

Der Staatsanwalt der Region Grosseto, Francesco Verusio, erklärte vor Journalisten, der Kapitän habe sich zudem mit dem Luxusliner "sehr ungeschickt" der Insel Giglio genähert und einen Felsen gerammt, der sich in die linke Seite des Schiffs gebohrt habe. Dadurch sei das Schiff auf die Seite gekippt, innerhalb von "zwei, drei Minuten" sei eine riesige Menge Wasser durch den 70 bis 100 Meter langen Riss eingedrungen.

Der genaue Unfallhergang ist jedoch nach wie vor unklar. Ersten Ermittlungen zufolge hatte die Besatzung einen Stromausfall gemeldet, bevor das Schiff vom Kurs abkam. Die Passagiere befanden sich zu der Zeit beim Abendessen. Der Kapitän habe daraufhin die Evakuierung angeordnet. Widersprüchliche Angaben zum Ablauf der Havarie konnte auch die Reederei Costa Crociere in Genua bislang nicht aufklären. Zu viele Fragen seien noch nicht zu beantworten, teilte sie.

Die Costa Concordia befand sich nach Angaben der Reederei auf einer achttägigen Kreuzfahrt vom italienischen Civitavecchia über Savona, Marseille, Barcelona, Palma de Mallorca, nach Cagliari und Palermo.

Die italienische Küstenwache befürchtet indes, dass das Kreuzfahrtschiff vollständig sinken könnte. Derzeit befinde sich die Costa Concordia an einer etwa 30 Meter tiefen Stelle, könne aber in tieferes Gewässer abrutschen, so ein Sprecher. Die Präfektur in Grosseto teilte mit, sie lasse prüfen, wie die 2400 Tonnen Treibstoff in den Tanks des Schiffes gesichert werden könnten, um eine größere Umweltverschmutzung zu vermeiden.

Für Informationen hat das Kreuzfahrtunternehmen Costa eine Hotline mit der Rufnummer 040/570121314 eingerichtet. Auf seiner Webseite sprach das Unternehmen von einer "Tragödie", die ersten Gedanken seien den Opfern gewidmet.

© dpa/süddeutsche.de/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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