Süddeutsche Zeitung

Zukunft der "Costa Concordia":Wie das Albtraumschiff noch zu retten ist

Die Arbeitsbedingungen für die Rettungskräfte sind katastrophal: In den unter Wasser liegenden Gängen der havarierten "Costa Concordia" können sich die Retter kaum fortbewegen. Das Wrack bewegt sich, droht gar zu sinken und noch immer befinden sich Tausende Liter Treibstoff in den Tanks. Trotzdem ist es möglich, dass das Kreuzfahrtschiff irgendwann wieder schwimmt.

Christopher Schrader

Die havarierte Costa Concordia hat sich bewegt: Das Wochenende über hatte das Kreuzfahrtschiff mit 70 Grad Schlagseite ruhig vor der toskanischen Insel Giglio gelegen. Aber dann rutschte das Wrack am Montag in unruhigem Wasser um neun Zentimeter tiefer, so meldete die italienische Feuerwehr. Zudem ist für die Gegend ein Sturm mit hohem Wellengang vorhergesagt.

Das war keine gute Nachricht für die Helfer. Die Taucher und Retter über dem Wasserspiegel mussten das Kreuzfahrtschiff zunächst auf unbestimmte Zeit verlassen, konnten aber Montagnachmittag auf das Wrack zurückkehren. Sie hatten dort sowohl nach letzten Überlebenden und weiteren Opfern gesucht, als auch Vorbereitungen getroffen, das Wrack zu sichern, den Treibstoff abzupumpen und die Folgen des Aufgrundlaufens zu erkennen.

Die Arbeitsbedingungen in dem auf der Seite liegenden Schiff seien katastrophal, sagte der Chef der Küstenwache-Taucher, Rodolfo Raiteri. Seine Männer könnten sich in den Gängen des Schiffes nur schwer vorwärtsbewegen, weil diese durch zahlreiche Gegenstände versperrt seien. Auch Hunde hatten an Bord große Probleme. "Sie konnten ihr Gleichgewicht nicht halten. Sie rutschten und schlitterten und es war unmöglich, sie zu kontrollieren", erklärt der Sprecher der Feuerwehr, Luca Cari.

Heck ist auf Fels gebettet

Sollte das Wrack nicht ruhig liegen bleiben, ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Concordia sinkt. Ihre Steuerbordseite (in Fahrtrichtung rechts) liegt zum Ufer von Giglio hin fast ganz unter Wasser, das Heck ist in 37 Metern Tiefe auf Fels gebettet, der Bug auf sandigem Grund. Nur 30 Meter weiter in Richtung Wasser von der jetzigen Lage bricht aber der Meeresboden 70 Meter tief ab.

Wegen der Zwangspause ruhten vorübergehend auch die Bemühungen, die Treibstofftanks der Costa Concordia auszupumpen. Der italienische Umweltminister Corrado Clini hatte für diesen Montag eine Gruppe von Fachleuten nach Livorno eingeladen, um das Problem zu erörtern. Es gebe sehr hohe Umweltrisiken für die Insel Giglio, man müsse schnellstens handeln, "um zu verhindern, dass Treibstoff austritt", sagte Clini.

Den Auftrag dazu hat die niederländische Bergungsfirma Smit erhalten. "Die Tanks zu leeren, verlangen die Behörden immer als ersten Schritt", sagt Max Iguera von der Smit-Niederlassung in Genua. Seine Firma stelle nun die nötige Ausrüstung zusammen, um 2200 Tonnen Schweröl und 180 Tonnen Diesel abzupumpen. Das könnte einige Wochen dauern.

"Taucher müssen erst feststellen, in welchem Zustand die Tanks sind. Außerdem muss das Schweröl womöglich aufgeheizt werden, damit es fließt." In Livorno und Piombino habe Smit schon geeignete Tank-Barken aufgespürt, um den Treibstoff dann aufzunehmen.

Was dann mit dem Wrack der Concordia passiert, ist offen; dafür hat Smit noch keinen Auftrag. Zunächst müssten Spezialisten erkunden, ob sie den Rumpf abdichten und das eingedrungene Wasser abpumpen können, damit das Schiff wieder schwimmt, sagt Iguera. "Man müsste vorgeformte Stahlplatten mit einem Schwimmkran über die Löcher im Rumpf heben und anschweißen." Die Arbeiten würden sich über Monate hinziehen. Das Schiff könnte dann in eine Werft geschleppt werden, zum Beispiel nach Sestri Ponente bei Genua, wo der Kreuzfahrer 2006 gebaut worden war.

Sollte es nicht gelingen, das Wrack wieder zum Schwimmen zu bringen, müssten es Spezialisten in seiner Position vor Giglio zerschneiden. Stefan Krüger, Schiffbau-Professor an der Technischen Universität Hamburg-Harburg, ist aber optimistisch, dass die Concordia wieder schwimmen kann. "Smit hat erfahrene Leute, die kriegen das vielleicht hin", sagt er. In diesem Fall hält er es auch nicht für ausgeschlossen, dass das Schiff später nicht abgewrackt, sondern wieder aufgebaut wird, wenn das die wirtschaftlichere Lösung sein sollte.

Auf ein Unglück wie am Freitag sei das Schiff im Übrigen nicht ausgelegt gewesen, sagt Krüger. "Als es gebaut wurde, galt die Regel, dass es ein Kreuzfahrer überstehen muss, wenn zwei Abteilungen geflutet werden - der Rumpf also etwa zwölf Meter aufgerissen wird." Tatsächlich aber ist der sichtbare Riss auf der Backbord-Seite (in Fahrtrichtung links) etwa 70 Meter lang. "Das sieht sehr danach aus, als ob mehr als zwei Abteilungen betroffen waren."

Erst seit einer Neuformulierung der Sicherheitsanforderungen 2009 müssen Konstrukteure überhaupt darüber nachdenken, wie ihr Schiff einen Schaden über ein Drittel der Länge übersteht, so Krüger. Und in jedem Fall sollte sich das Wasser im Rumpf so verteilen, dass die Schiffe möglichst gerade liegen, damit starke Schlagseite nicht die Passagiere beunruhigt und deren Rettung erschwert.

Manöver nach dem Zusammenprall könnten zum Kentern geführt haben

Warum sich die Costa Concordia dennoch so weit zur Seite legte, und dann auch noch nach Steuerbord, wo doch der sichtbare Riss an Backbord liegt, muss die Unfalluntersuchung ergeben. Womöglich habe der Rumpf auf der jetzt unten liegenden Seite einen noch größeren Schaden, vermuten sowohl Krüger als auch Iguera. Es könnte aber auch sein, dass die Manöver nach dem Kontakt mit dem Felsen für die Lage verantwortlich sind. Sie könnten das an Backbord eingedrungene Wasser nach Steuerbord haben schwappen lassen.

Die Costa Concordia war offenbar am späten Freitag auf einem nördlichen Kurs an Giglio vorbeigelaufen. Die Berührung mit dem Felsen muss passiert sein, als das Schiff gerade nach rechts abdrehte, also von der Insel weg steuerte. Eine solche Ruderlage schiebt das Heck nach links, das ganze Schiff neigt sich in der Kurve ein wenig nach außen. Dann wurde unter der Wasserlinie der hintere Bereich des Rumpfs aufgeschlitzt; ein großer Teil des Felsens blieb sogar zwischen den verformten Stahlplatten stecken und wurde abgebrochen.

Der weiter vorn seitlich aus dem Rumpf ragende Stabilisator, der bei Passagierschiffen das für die Fahrgäste unangenehme Rollen verhindert, ist aber auf den Fotos unbeschädigt. Das spricht dagegen, dass das Schiff geradeaus fuhr. Gekentert ist die Costa Concordia aber mit dem Bug nach Süden und unmittelbar vor der Küste. Die Mannschaft muss das Schiff also umgedreht und näher ans Land gebracht haben. Eine enge Kurve nach links könnte dann durchaus das Wasser nach Steuerbord haben schwappen lassen. Nach unbestätigten Berichten hat Kapitän Francesco Schettino zur Unterstützung dieses Manövers den Anker werfen lassen, um das Schiff nahe der Küste zu halten.

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Quelle:
SZ vom 17.01.2012/olkl
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