Süddeutsche Zeitung

Hate Crime:Vier junge Afroamerikaner quälen geistig Behinderten

  • Vier junge Afroamerikaner haben in Chicago einen weißen, geistig behinderten Jugendlichen misshandelt.
  • Sie filmten das Vergehen; in dem Facebook-Video rufen sie "Fuck Donald Trump" und "Fuck white people".
  • Die Tat wird als "Hate Crime" eingestuft.
  • Viele US-Konservative sehen darin einen Beleg für weit verbreiteten Rassismus gegen Weiße.

Von Beate Wild, New Orleans

Sie schlugen und quälten ihr Opfer und streamten die Tat live auf Facebook: Vier junge Afroamerikaner sind in Chicago festgenommen worden. Sie sollen am Dienstag einen weißen, geistig behinderten Teenager gekidnappt und stundenlang misshandelt haben. Den zwei Frauen und zwei Männern wird vorgeworfen, ein "Hate Crime" begangen zu haben, also ein rassistisch motiviertes Hass-Verbrechen.

Der verstörende Film, der sich rasend schnell im Netz verbreitete und für große Empörung sorgt, zeigt einen verängstigten jungen Mann in einem grauen Sweatshirt und dunklen Hosen, der in einer Ecke kauert. An den Handgelenken und am Hals ist er mit orangenen Bändern gefesselt, sein Mund ist mit einem Klebeband verschlossen. Das Video, das eine junge Frau auf Facebook hochlud, zeigt, wie zwei Männer das Shirt des Opfers mit einem Messer zerschneiden und den Gefesselten immer wieder schlagen und auf den Kopf hauen.

An einer Stelle schneidet einer der Täter dem behinderten Mann Haare und seinen Skalp mit einem Messer ab. Später sieht man Bilder, auf denen das Opfer aus seinen Wunden blutet. In dem Video ist zudem eine Stimme zu hören, die immer wieder "Fuck Donald Trump" und "Fuck white people" ruft.

Fünf Stunden langes Martyrium

Im Film sieht man die Gruppe lachen, Witze reißen, Musik hören und Marihuana rauchen. Ein Mann im Video sagt, der gefesselte Teenager "repräsentiere Trump" und droht damit, ihn in den Kofferraum eines Autos zu schmeißen und "einen Stein auf das Gaspedal zu legen". Ob es sich bei dem Opfer tatsächlich um einen Trump-Unterstützer handelt, ist laut Polizei unklar.

Die genaue Identität des Opfers wurde nicht bekannt gegeben. Man weiß lediglich, dass es sich um einen 18-Jährigen aus Crystal Lake, einer Ortschaft nordwestlich von Chicago, handelt. Er soll mindestens fünf Stunden gefesselt in der Ecke festgehalten worden sein. Das Opfer kannte einen der Täter aus der Schule. Am Neujahrstag noch sollen die beiden zusammen in einem gestohlenen Van herumgefahren sein.

Die vier mutmaßlichen Täter (eine Frau ist 24, die anderen sind 18 Jahre alt), haben die Tat gestanden. "Sie haben zugegeben, dass sie ihn geschlagen und getreten haben", sagte Polizeikommandant Kevin Duffin. "Sie haben ihn gezwungen, Toilettenwasser zu trinken."

Polizisten fanden das Opfer später, als es durch einen gefährlichen Stadtteil von Chicago irrte, blutüberströmt und ohne Orientierung. Trotz eisiger Temperaturen nur mit einem Unterhemd, einer Shorts und Sandalen bekleidet.

Was ist ein Hate Crime?

Die Polizei wirft den vier Festgenommenen vor, ein "Hate Crime" begangen zu haben. Sie hätten in dem Video Kommentare über die weiße Rasse des Opfers gemacht und über seine geistige Behinderung. Auch US-Präsident Barack Obama sagte in einem Interview im TV-Sender WLS, in dem Facebook-Video sehe man ein "schreckliches Hate Crime".

Als "Hate Crime" wird definiert, wenn das Opfer wegen seiner Rasse, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, körperlicher oder geistiger Behinderung ausgewählt wurde. Benutzt der Täter rassistische Beleidigungen, um das Opfer einzuschüchtern, gilt das beispielsweise als eindeutiges Indiz für ein "Hate Crime". Auch Vandalismus oder Graffiti können als "Hate Crime" eingestuft werden, beispielsweise das Malen eines Hakenkreuzes an eine jüdische Einrichtung.

Wieso ist das konservative Amerika so elektrisiert?

Der Vorfall hat viele Trump-Anhänger auf den Plan gerufen. Sie sehen darin die Tat einer "rassistischen schwarzen Anti-Trump-Gang", wie die Pro-Trump-Website Infowars schreibt.

"Werden die Medien über das Video berichten oder werden Nachrichtensender wie CNN die Story begraben?", fragt der Artikel. In Wirklichkeit ist über die Tat in den amerikanischen TV-Sendern, Zeitungen und Nachrichten-Websites groß und breit berichtet worden. Doch vielen Konservativen ist das nicht genug.

"Wenn es umgekehrt gewesen wäre, also wenn vier Weiße das mit einem Afroamerikaner gemacht hätten, wäre das Land außer Rand und Band", sagt etwa der Republikaner Newt Gingrich. "Dann wäre es keine Frage, ob es sich um ein 'Hate Crime' handelt", argumentiert der ehemalige Speaker des Repräsentantenhauses.

Umgekehrte Diskriminierung, speziell gegen weiße Trump-Wähler, sei ein großes Problem, heißt es in den konservativen Medien wie Fox News. Doch die Liberalen würden sich weigern, dies zuzugeben. In Umfragen geben neuerdings Weiße immer öfter an, Opfer von Diskriminierung zu sein.

Die statistischen Zahlen zeigten jedoch ein völlig anderes Bild, schreibt die Washington Post. Doch das ist vielen Trump-Fans egal. In dem abscheulichen Video aus Chicago sehen sie den Beweis ihrer Weltsicht.

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