Großbritannien:Kein Zugverkehr nach Hogwarts

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Am 1. September 2023 war der Andrang von verkleideten Potter-Fans so groß, dass die Bahnhofshalle aus allen Nähten zu platzen drohte. (Foto: Lucy North/picture alliance/dpa/PA Wire)

Jedes Jahr am 1. September treffen sich Harry-Potter-Fans im Londoner Bahnhof King’s Cross, um die beliebte Spaßdurchsage für den Hogwarts-Express zu hören. Diesmal blieb es still – und die Menschen buhten laut. Was war der Grund für die Absage?

Von Alexander Menden

Jahrelang war im Londoner Bahnhof King’s Cross stets am 1. September um elf Uhr morgens folgende Durchsage zu hören: „Der Hogwarts Express fährt jetzt vom Bahnsteig 9 ¾ ab. Alle Schüler werden gebeten, ihre Fahrkarte bereitzuhalten und umgehend in ihre Waggons zu steigen. Alle einsteigen!“ Zu diesem Anlass, dem „Back to Hogwarts“-Tag, reisten jedes Mal Hunderte Potter-Fans nach King’s Cross, um zur vollen Stunde herunterzuzählen und nach der Durchsage laut zu jubeln.

Wer sich ein bisschen mit der Potter-Mythologie auskennt, weiß, dass in J.K. Rowlings Büchern immer zum Schuljahresbeginn ein dampflokbetriebener Sonderzug, der Hogwarts-Express, magiebegabte Schüler von King’s Cross ins Zauberinternat Hogwarts transportiert. Dessen berühmtester Alumnus, Harry Potter, musste dafür erst durch eine Mauer gehen, um auf den magischen Bahnsteig 9¾ zu gelangen. Im hinteren Teil des Bahnhofs lassen Touristen sich gerne mit einem scheinbar halb in der Wand versunkenen Gepäckwagen und wehendem Hufflepuff- oder Gryffindor-Schulschal als Hogwarts-Eleve ablichten, bevor sie sich im sündteuren Warner-Brothers-Shop nebenan mit Potter-Paraphernalien eindecken.

Beliebter Foto-Spot: der halb in der Wand steckende Gepäckwagen am vermeintlichen Gleis 9¾. (Foto: Huebner/Vogler/imago/Jan Huebner)

Doch in diesem Jahr wurden die angereisten Potter-Heads enttäuscht: Die Durchsage blieb am Montag aus. Auch auf der Anzeigetafel erschien kein Hinweis auf den Hogwarts Express - bisher hatte der Bahnhofsbetreiber spaßeshalber dort am 1. September immer eine Ankündigung für „Hogsmeade“ eingeblendet, das Magierdorf, in dem der Expresszug die Schüler entlässt. Die in Zaubermäntel gekleideten Fans, die sämtlich ihre Smartphones gezückt hatten, verstummten nach dem Countdown in Erwartung der Durchsage, und brachen, als alles ruhig blieb, in laute Buhrufe aus.

Sie hätten allerdings vorgewarnt sein können: Die Firma Warner Brothers, mit der Rowling 2013 einen Vertrag zur medialen Vermarktung von Harry Potter abschloss, hatte bereits im Juli auf seiner Franchise-Seite „Wizarding World“ ein Statement veröffentlicht, in dem es hieß: „Es wird Fans dringend davon abgeraten, am 1. September den Bahnhof King’s Cross zu besuchen, da es dort weder eine Veranstaltung noch eine Abfahrtsankündigung oder einen Countdown geben wird.“ Stattdessen werde der „ortsansässige Hufflepuff“ Sam Thompson – Gewinner des britischen „Dschungelcamps“ – von 11 Uhr an in einer eigens aufgezeichneten Online-Sendung die Rückkehr nach Hogwarts feiern.

Nicht schwarze Magie oder ein Dementoren-Angriff haben die Absage herbeigeführt

Tatsächlich war es in diesem Jahr nicht ganz so voll wie am 1. September 2023, als die Bahnhofshalle wegen des Potter-Fan-Ansturms aus allen Nähten zu platzen drohte. Zahlreiche Potterianer hatten allerdings offenkundig nichts von der Vorwarnung mitbekommen oder sie schlicht ignoriert. Sie erlebten eine herbe Enttäuschung.

Nachdem es zunächst weder von Warner noch vom staatlichen Schienennetzbetreiber Network Rail eine Begründung für die Absage gegeben hatte, erklärte ein Network-Rail-Sprecher am Dienstag: „Obwohl unsere Bahnhofshalle manchmal für kommerzielle Veranstaltungen genutzt wird, gilt unsere Priorität immer den Fahrgästen, die versuchen, ihre Bahnreise anzutreten. Die Feierlichkeiten, die mit einer kleinen Anzahl von Fans begannen, die bei Abfahrt des Hogwarts Express dabei sein wollten, haben erheblich an Popularität gewonnen, und im letzten Jahr kamen Tausende von Menschen nach King’s Cross, was eine Herausforderung für uns als Bahnhofsbetreiber darstellte.“

Nicht schwarze Magie oder ein Dementoren-Angriff, sondern Sicherheitsbedenken und Sorge wegen möglicher Überfüllung haben also die Absage bewirkt. Andere „Back to Hogwarts“-Veranstaltungen fanden hingegen statt, unter anderem in Spanien, Japan und in der New Yorker Grand Central Station, wo als Stargast die Schauspielerin Bonnie Wright alias Ginny Weasley auftauchte. Ob King’s Cross im kommenden Jahr auch wieder bei den Feierlichkeiten dabei sein wird, weiß derzeit wohl nur Wahrsagerei-Professorin Sybill Trelawney.

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