Süddeutsche Zeitung

Harald Schmidt:"Billiger als der Uefa-Cup"

"Dirty Harry" ist wieder auf Sendung. Und die ARD lässt sich das einiges kosten: 9,7 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Der Entertainer sieht das gelassen.

Von Hans-Jürgen Jakobs

Vor einigen Jahren, in der New Economy, gab sich Harald Schmidt gern als Zocker. Der genialische Lästerer schwärmte in seiner Late-Night-Show auf Sat 1 von Fonds sowie von Aktien des Neuen Markts. Spielgeld hatte er zur Hand.

Das Umfeld hat sich geändert. Und doch, es gibt einen neuen Markt für ihn: die öffentlich-rechtliche ARD. Hier startet an diesem Mittwoch Harald Schmidt, eine gestrippte Version der alten Sat1-Sendung - Schmidt pur sozusagen. Eine Band spielt auf, Nathalie Licard ist die nette Französin und Manuel Andrack liefert wie gewohnt Stichworte.

Vertrag bis Juli 2006

Doch ehe der erste Gag platziert ist, wird die Ökonomie zum Thema. Offenbar kauft die ARD 2005 die humoristischen Leistungen für brutto 9,7 Millionen Euro. Weitere Millionen werden im nächsten Jahr fällig: Schmidt ist bis Juli 2006 gebunden, also bis Ende der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Bei der großen Leistungsschau der Nation soll auch der TV-Satiriker täglich im Fernsehen präsent sein.

Die ARD machte den Deal über ihre Frankfurter Produktionstochter Degeto, die ansonsten mit freitäglichen Schmusefilmen auffällt. Ihr Vertragspartner ist die im September gegründete Kogel Schmidt GmbH aus Köln. Das Handelsregister nennt Harald Franz Schmidt als Geschäftsführer und Gesellschafter; Miteigentümer ist Fred Kogel, der im Hauptberuf den Vorstand der börsennotierten Münchner Constantin Film AG leitet.

Als Chef von Sat1 hatte er 1995 den Künstler ins Privatfernsehen geholt. "Er ist mein bester Freund. Es war immer klar, dass wir zusammenarbeiten, wenn er noch einmal eine Late-Night-Show macht. Schmidt wollte mich als Partner", sagt Kogel.

Von den ARD-Millionen dürfte einiges hängen bleiben. Nach Abzug von 16 Prozent Mehrwertsteuer verfügen Kogel und Schmidt über 8,1 Millionen Euro. Produziert werden in 32 Wochen je zwei Sendungen, was brutto pro Show 150.000 Euro ergibt. An realen Kosten dürften der Kölner Firma Bonito, die für die Durchführung zuständig ist, schätzungsweise 30.000 Euro entstehen.

An Bonito ist Schmidt mehrheitlich beteiligt.

Der Rest: ist Schweigen. Auch in der Sat1-Zeit hat Harald Schmidt über seine Bonito produziert, war aber im Jahr 2003 werktäglich auf Sendung; auch dauerten die Shows länger als die aktuellen 30-Minuten-Ausgaben im Ersten.

Es gab eine Redaktion mit rund 20 Mitarbeitern und es wurde Geld für Gäste gezahlt. Von den 100.000 Euro pro Sendung, die Sat1 zahlte, flossen dem Vernehmen nach 40.000 bis 50.000 in Schmidts Gage und der Rest an Bonito. Auf die Sendeminute kostete Sat1 der Spaß rund 2600 Euro - bei der ARD fällt nun ungefähr das Doppelte an.

Die Redaktion ist viel kleiner, Gäste gibt es nicht. Sowohl die ARD als auch Kogel-Schmidt wollen aus Gründen der Vertraulichkeit nichts zu Zahlen sagen.

Eine Milliardenbranche

In der Welt am Sonntag hat Top-Unternehmer Schmidt zur Ökonomie berichtet. Seine Show sei günstiger als ein Uefa-Cup-Spiel, sagte er, außerdem gäbe es viele Leistungen und Pressewirbel: "Wir reden über eine Milliardenbranche." Nicht jeder in der ARD sieht die Sache locker.

Bemerkenswert schon die Konstruktion, dass die Degeto abwickelt, das Geld aber aus dem Sport-Etat kommt. Das solle eine Ausnahme Sache sein, sagte Fritz Pleitgen, Intendant des WDR.

Die Eckpunkte eines Memorandum of Understanding hat Pleitgen im Verwaltungsrat referiert. In wenigen Tagen soll der endgültige Vertrag ("longform agreement") fertig sein - dann reden die Rundfunkräte darüber. Hier wird moniert, der Haushaltsgrundsatz der Wahrheit sei nicht erfüllt: "Das Geld wurde für Sport bewilligt, nicht für Schmidt."

Dickes Rechte-Paket bleibt bei Schmidt

Der Kontrakt werde jetzt "sehr schnell" perfekt gemacht, sagt Kogel, in ähnlichen Fällen dauere es "Monate länger". Und: "Ein umfangreiches Rechtepaket verbleibt bei der Kogel Schmidt GmbH." Dabei geht es nach SZ-Informationen um Rechte für Internet, Mobilfunk und Pay-TV. Hiermit lässt sich Geld machen.

Die ARD darf die besten Szenen einen Tag später in einer Kurz-Zusammenfassung um 19.45 Uhr bringen; der Werbespot kostet 23.000 Euro. Auch die ARD-Radios senden Sprüche des Meisters; eventuell gibt es auch am Samstag eine Zusammenfassung. Stets liefern Kogel-Schmidt die Beiträge.

Für die ARD ist es die Heimkehr eines alten Bekannten. Schmidt hatte dort Sendungen wie Schmidteinander, Maz ab! oder Verstehen Sie Spass? ARD-Programmchef Günter Struve teilte intern mit, die reale Belastung sinke durch Werbeerlöse auf unter fünf Millionen. Als Sponsor gewann ARD Sales & Services den Autobauer Saab.

Der Aufsichtsrat der Constantin hat sich mit Harald Schmidt früh befasst. Er erlaubte Vorstandschef Kogel im September per Ausnahmegenehmigung den Nebenjob. "Operativ greife ich bei der Kogel Schmidt GmbH nicht ins tägliche Produktionsgeschäft ein, ich bin dort Berater und Gesellschafter", so Kogel.

Vollbart ist weg

Bei einer Auftaktsendung am 23. Dezember 2004 lockte Harald Franz Schmidt - damals im Rübezahl-Look - mehr als fünf Millionen Zuschauer. Nun ist er den Vollbart los. Intern wird für die nächsten Wochen mit knapp 1,5 Millionen gerechnet, bestenfalls mit zwei Millionen. "Die setzen das Beste, was sie haben, gegen uns", weiß ZDF-Programmchef Thomas Bellut, der um die Talks von Johannes B. Kerner fürchten muss.

Entertainer Schmidt selbst geht davon aus, dass Struve und Kogel "dieses Jahr den Wirtschaftsnobelpreis bekommen, weil sich mein Vertrag schon vor Unterzeichnung amortisiert hat". Fragt sich nur, für wen.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2005
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