Hamburger "Ehrenmord":Erst Schläge, dann Stiche

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Die 16-Jährige Deutsch-Afghanin, die von ihrem älteren Bruder mit 20 Messerstichen ermordet wurde, war schon zuvor Gewaltopfer ihres Vaters. Die Ermittler wollen nun die gesamte Familie vernehmen.

Nach dem "Ehrenmord" an der 16-jährigen Deutsch-Afghanin Morsal O. In Hamburg ermittelt die Polizei verstärkt in deren Umfeld. "Wir werden die ganze Familie vernehmen", sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin der AP am Montag.

Der 23 Jahre alte Ahmad aus Hamburg war mit dem Lebenstil seiner kleinen Schwester "nicht einverstanden". (Foto: Foto: dpa)

Das Hauptaugenmerk richte sich darauf, ob die Familie oder Andere von den Mordplänen des Bruders gewusst hätten. Ob der Vater besonders im Fokus stehe, wollte Schöpflin nicht sagen. Wie jetzt bekannt wurde, hatte er das Mädchen wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke des Bruders geschlagen und getreten.

Die 16-Jährige war in der Nacht zu Freitag von ihrem 23 Jahre alten Bruder Ahmad auf einem Parkplatz mit mehr als 20 Messerstichen getötet worden. Der Beschuldigte, der unter Mordverdacht in Untersuchungshaft sitzt, wurde laut Polizei am Montag nicht noch einmal vernommen. Er habe sich inzwischen einen Anwalt genommen.

Die Polizei arbeitet nach eigenen Angaben zunächst die eingegangen Zeugenhinweise ab und wird die Familie, Freunde und Bekannte befragen. "Jetzt wird das ganze Umfeld des Opfers beleuchtet", sagte Schöpflin. Noch habe die Familie nicht vernommen werden können.

Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich bei der Tat um einen sogenannten Ehrenmord. Ahmad O. Missbilligte laut Polizei den westlichen Lebensstil der Schwester. In der Familie habe es darüber seit langem Streit gegeben. Erst wenige Tage vor ihrer Ermordung habe der Vater Morsal in der elterlichen Wohnung im Hamburger Stadtteil Billwerder geschlagen und getreten, sagte Schöpflin. Sie habe flüchten können, sei aber von einem jüngeren Bruder im Alter von 13 Jahren auf der Straße festgehalten worden. Die Polizei habe sie anschließend in Gewahrsam genommen.

Täter hatte Opfer bereits mehrfach geschlagen

Nach Angaben der Polizei hat der ältere Bruder Ahmad den Mord geplant. Er habe Morsal in der Tatnacht zu einem Treffpunkt auf einem Parkplatz im Stadtteil St. Georg bestellt und sofort mit seinem Messer auf sie eingestochen. Ärzte zählten später mindestens 20 Stiche. Der tatverdächtige Bruder wurde rund zwölf Stunden später festgenommen und gestand die Tat.

Ahmad O., Der als Geschäftsführer in einem Autohandel arbeitete, ist bei der Kripo als Intensivtäter registriert. 2001 fiel er erstmals wegen Diebstahl auf, es folgten mehrere Körperverletzungen. Ende 2006 habe er seine Schwester Morsal geschlagen und mit einem Messer bedroht, im Januar 2007 habe er sie erneut geschlagen und getreten.

Das Mädchen habe jedoch Opferschutzangebote abgelehnt und unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nicht ausgesagt, sagte Schöpflin. Die 16-Jährige lebte seit März 2007 in einer Sozialeinrichtung, sei zwischendurch aber für einige Zeit von der Familie nach Afghanistan geschickt worden.

Das Alevitische Kulturzentrum Hamburg äußerte am Montag tiefe Betroffenheit über den Mord. "Für uns stellt die Tat einen Mord an einer jungen Frau dar", erklärte der Vorstand des Kulturvereins Cengiz Orhan. Man lebe in einer Gesellschaft, es gebe keine Parallelgesellschaft: "Sowohl die Minderheiten als auch die Mehrheiten in dieser Gesellschaft haben die Rechtsordnung zu akzeptieren und sich entsprechend zu verhalten." Es gebe allerdings Defizite in der Integration von Minderheiten.

© AP/Simone Utler - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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