Hamburg:Taxi-Dieb handelte "maximal rücksichtslos"

Toter bei Unfall mit gestohlenem Taxi

Unfallstelle in Hamburg: Der 25-Jährige lenkt das gestohlene Taxi auf die Gegenfahrbahn und prallt mit einem anderen Taxi zusammen.

(Foto: Georg Wendt/dpa)
  • Anfang Mai bricht ein 25-Jähriger in Hamburg ein Taxi auf.
  • Im Anschluss daran liefert sich mit der Polizei eine Verfolgungsjagd und verursacht einen Autounfall.
  • Ein Fahrgast des angefahrenen Autos stirbt, der Fahrer und ein weiterer Insasse werden schwer verletzt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Kann ein tödlicher Verkehrsunfall, verursacht von einem rücksichtslosen Raser, Mord sein? Nächste Woche wird der Bundesgerichtshof darüber entscheiden, dort geht es um ein illegales Autorennen - das Berliner Landgericht hatte beide Fahrer wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Nun aber hat auch das Landgericht Hamburg ein Mordurteil gegen einen Raser verhängt - gegen einen, der nicht in ein Wettrennen verwickelt war. Ein 25 Jahre alter Mann, der mit einem gestohlenen Taxi einen Menschen zu Tode gefahren und zwei andere schwer verletzt hat, soll lebenslang ins Gefängnis.

Was das Ausmaß der Rücksichtslosigkeit angeht, ähnelt der Fall durchaus den illegalen Rennen. Der 25-Jährige, vorbestraft als Autodieb und Hehler, hatte in Hamburg Anfang Mai 2017 ein Taxi aufgebrochen, der Zündschlüssel lag auf der Mittelkonsole. Er stieg ein, startete und fuhr los - betrunken, ohne Licht, ohne Führerschein.

Zuerst folgte ihm ein anderer Autofahrer, dann nahm ein Streifenwagen mit Blaulicht die Verfolgung auf. Mit 160 Kilometern pro Stunde schoss der Dieb durchs nächtliche Hamburg, überfuhr Ampeln, schrammte knapp an einem Wagen mit sechs Bauarbeitern vorbei und lenkte den Wagen schließlich auf die Gegenfahrbahn. Dort prallte er mit einem Großraumtaxi zusammen - laut Gutachten lag die Geschwindigkeit inzwischen über 160 Kilometern pro Stunde. Ein 22 Jahre alter Fahrgast starb, der Fahrer und ein weiterer Insasse überlebten mit schwersten Verletzungen. Der Todesfahrer versuchte noch zu fliehen, trotz zweier Beinbrüche.

Hohe Strafen gegen Raser auch ohne Mordurteil möglich

War das nun Mord? "Wir haben es hier mit dem vorsätzlichen Werk eines maximal rücksichtslosen Täters zu tun", wird der Strafkammervorsitzende Stephan Sommer von dpa zitiert. Der Angeklagte habe sehr genau gewusst, dass auch morgens um vier Uhr auf Hamburgs Straßen mit Verkehr zu rechnen sei. In der BGH-Verhandlung über das Mordurteil gegen die Berliner Raser hatte sich vor wenigen Wochen freilich gezeigt, wie schmal dieser Grat ist.

"Bedingter" Vorsatz liegt nach der gängigen juristischen Definition dann vor, wenn jemand den Tod anderer "billigend" in Kauf nimmt. Nun muss ein Raser zwar damit rechnen, dass er auf andere Verkehrsteilnehmer trifft und dabei - weil er den Wagen nicht mehr kontrollieren kann - einen tödlichen Unfall verursacht. Nur sitzt er eben selbst ebenfalls in einem potenziellen Unfallwagen.

Die gedankliche wie rechtliche Schwierigkeit liegt also darin, dass er nicht nur den Tod anderer, sondern auch seinen eigenen Tod "billigend" in Kauf nehmen müsste. In der BGH-Verhandlung vor wenigen Wochen argumentierte die Bundesanwaltschaft zwar, er habe im Adrenalinrausch die Gefahr für sich selbst eben ausgeblendet. Doch auch mit dieser Konstruktion ist das Rätsel schwer zu lösen: Kann ein Raser zwar das Risiko für sich selbst übersehen, die Gefahr für andere aber erkannt haben?

Die Grundsatzentscheidung, ob Raser Mörder sein können, wird in Karlsruhe fallen - darauf wies auch das Landgericht Hamburg hin. Hohe Strafen gegen Raser sind allerdings auch ohne Mordurteile möglich.

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