Hamburg:Soko Velo

Polizei stellt 3500 Fahrräder sicher

Es ist ein enormer Haufen aus Stahl und Gummi: Polizisten beim Einsatz in Rothenburgsort, Hamburg.

(Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Bei einer Großrazzia in Hamburg werden 1500 mutmaßlich gestohlene Fahrräder sichergestellt. Der ADFC lobt den Erfolg als "grandios" und "historisch". Offenbar hat eine Bande die meisten Taten verübt.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Das Schloss, das in Hamburg und anderswo verlässlich ein Fahrrad schützt, ist möglicherweise noch nicht erfunden. Jedenfalls haben viele Opfer diesen Eindruck, wenn zu allen möglichen Uhrzeiten tagsüber oder in der Nacht ihr schönes Velo verschwindet, obwohl es angekettet war. Schon längst hatte die Polizei in der Hansestadt den Verdacht, dass da Profis unterwegs sind. Sie gründete deshalb sogar eine Sonderkommision. Das darf als sehr gelungen bezeichnet werden, nach monatelangen Ermittlungen ist nun ein beachtlicher Schlag gegen diese Art der Kriminalität gelungen.

Am Dienstag stellten Fahnder im Industriegebiet Rothenburgsort an der Elbe mindestens 1500 mutmaßlich gestohlene Fahrräder sicher. Nach ersten Schätzungen hatte es sogar geheißen, es könnten bis zu 3500 sein. Darunter sind Fahrräder für Männer, Frauen, Kinder, Mountainbikes, Fotos zeigen enorme Haufen aus Stahl und Gummi. 180 Beamte waren bei der Großrazzia im Einsatz, durchsucht wurden auch Wohnungen in Hamburg und Essen. Als Rädelsführer verdächtigt die Polizei drei Männer im Alter von Anfang bis Mitte vierzig, allerdings muss das Beweismaterial erst ausgewertet werden. "Wir gehen davon aus, dass einige wenige für eine Vielzahl von Taten verantwortlich sind", sagte Hamburgs Polizeisprecher Timo Zill. "Insofern freuen wir uns sehr, dass wir in dieses Wespennest hineingestochen haben."

Das vorläufige Ergebnis beeindruckt auch den ADFC, den ADAC der Fahrradfahrer. "Grandios, historisch", lobt der ADFC-Sprecher Dirk Lau, "wir sind schwer beeindruckt." Die Hamburger Ermittler seien offenbar mit großem Gespür vorgegangen, "Hut ab". Tatsächlich hat sich die Soko Fahrradklau mit beachtlichem Erfolg bemüht, in die Strukturen dieser Verbrecherszene einzudringen. Es sieht so aus, als seien sie auf eine Sammelstation gestoßen, auf ein Lager, aus dem die Beute anscheinend vor allem nach Osteuropa weiter verkauft werden sollte.

15 Lastwagen waren nötig, um das Diebesgut abzutransportieren, teilweise mit Gabelstaplern. Das THW half, die Aktion war am Mittwoch noch im Gang. Nun sollen die Rahmennummern mit bekannten Verlusten abgeglichen und diese nach Möglichkeit den Besitzern zurückgegeben werden. Das wird dauern, auch wenn erste Prüfungen bereits Treffer ergaben. Lau regt eine Online-Datenbank an. Die Funde stammen aus ganz Norddeutschland, außerdem erstatten nicht alle Betroffenen Anzeige. Das liegt auch daran, dass viele der Beklauten nicht glauben, dass ihr Rad und womöglich sogar der Räuber entdeckt werden könnten. Bisher war die Aufklärungsquote bundesweit gering gewesen, obwohl die Menge der registrierten Fälle in ganz Deutschland beachtlich ist.

4,35 Millionen Fahrräder und E-Bikes wurden laut der Berechnungen des ADFC 2015 in Deutschland gekauft und 340 000 im selben Jahr als gestohlen gemeldet. An der Spitze der geplagten Bundesländer liegen gemäß dieser Erhebung Hamburg und Berlin mit jeweils 800 Fahrraddiebstählen pro 100 000 Einwohner. Demnach wird alle 90 Sekunden ein Rad entwendet. Die Hamburger Experten haben herausgefunden, dass häufig auf Bestellung geklaut werde, als Großmarkt dient nicht zuletzt das Internet. Angebot und Interesse sind riesig, seit Städte wie Hamburg immer mehr Radwege bauen und ein gutes Fahrrad zum Lebensstil gehört. Dafür wird eine Menge Geld ausgegeben.

Der Abschreckung dürfte der Coup der Soko Fahrradklau dienen, ähnlich wie bei der Soko Castle gegen Wohnungseinbrüche. Ansonsten empfehlen Polizei und ADFC wie gehabt, die Rahmen codieren zu lassen, eine Versicherung abzuschließen - und gute Schlösser. Berufsgangster sind fix, aber zumindest gegen Gelegenheitsdiebe könnte es helfen.

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