Süddeutsche Zeitung

Hamburg:Beleidigt, bespuckt, getreten

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An einer Hamburger Schule wird ein Polizist, der einen Streit schlichten will, von Jugendlichen attackiert. Die Schulleitung ist schockiert über "das Gewaltpotenzial" der Kinder.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Dieser Tage war der Polizist, den die Tritte trafen und die Flüche, wieder an jener Hamburger Schule. Es gibt viel zu besprechen. Er ist ein sogenannter Cop4U, 238 solche Beamtinnen und Beamten sind in der Hansestadt je einer oder zwei Schulen als Ansprechpartner zugeteilt. Sie sollen das Vertrauen zur Staatsgewalt fördern und dabei helfen, dass der Umgang möglichst gewaltfrei bleibt, was auch im Dunstkreis mancher Klassenzimmer nicht immer der Fall ist. Dieser Mann bekam das kürzlich besonders zu spüren.

Cop4U. Cop for you soll das bedeuten. Cop für dich, für euch. Klingt nach Freund und Helfer, doch jener Polizist vom Kommissariat 17 fühlte sich schnell wie der Feind. Er radelte am Donnerstag vor einer Woche zur Ida-Ehre-Schule. Viertel Eimsbüttel, schöne Gegend, ruhige Gegend meistens, aber man hatte ihn gerufen. Ein Schüler einer anderen Schule habe Schülerinnen und Schüler der Ida-Ehre-Schule "in bedrohlicher Weise angesprochen und unter Druck gesetzt", schrieb die Schulleitung später, als der Vorfall bereits jede Menge Erklärung verlangte.

Laut Polizeibericht sah der Cop4U zwei Schüler, "die sich offensichtlich stritten". Es habe sich "eine größere Traube anderer Kinder und Jugendlicher gebildet". Was dann geschah, beschäftigt die Beteiligten und die Behörden noch immer. "Die sich daraus entwickelnde Eskalation", so die Schulleiterin Nicole Boutez, "war erschütternd."

Der Uniformierte ging dazwischen. Einer der Streitenden habe eine Hand unter seiner Jacke verborgen, hieß es. Der Cop4U kannte ihn schon, ein 13-Jähriger, er war immer wieder aufgefallen. Er hätte bewaffnet sein können, er soll schon mit einem Messer gesehen worden sein und tags zuvor mit einem Schlagstock.

Polizist trug glücklicherweise Fahrradhelm

Der Polizist fixierte ihn, "aus Eigensicherungsgründen", der 13-Jährige habe um sich geschlagen. Und dann, weiter im Polizeibericht: "Die umherstehenden Kinder und Jugendlichen" hätten sich "auf hochaggressive Weise" mit dem Festgehaltenen solidarisiert, den am Boden liegenden Beamten bedrängt und ihm mehrfach gegen den Kopf getreten. Unverletzt blieb der Polizist wohl nur, weil er noch seinen Fahrradhelm trug.

Es gibt im Netz eine verstörende Videosequenz davon. Man sieht und hört, wie der Polizist mit dem schreienden Jugendlichen ringt, wie andere ihn treten und anbrüllen. "Hören Sie auf", schreit jemand, auch das Wort "Luft" fällt. Weitere Polizisten kamen dazu, 13 Streifenwagen fuhren vor. 80 Schülerinnen und Schülern sollen sie gegenübergestanden haben, offenbar auch aus anderen Schulen der Umgebung. Sie seien "aus der Gruppe heraus beleidigt, bespuckt und angegriffen worden", so die Polizei. Einige hätten versucht, "die Polizeikette zu durchbrechen".

Der 13-Jährige sowie zwei andere Kinder im Alter von zwölf und 13 Jahren wurden festgenommen und zu ihren Müttern oder Vätern gebracht. Das Landeskriminalamt ermittelt gegen die drei und auch gegen einen schon strafmündigen 15-Jährigen wegen tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlicher Körperverletzung, versuchter Gefangenenbefreiung und Beleidigung. Wie konnte das passieren, mitten in einem beliebten Hamburger Revier, an einer Stadtteilschule mit bewachsener Klinkerfassade?

Alle sind erschrocken. Die Polizei, die Schule, die Politik. Gewalt werde weder in noch vor der Schule akzeptiert, erklärte der Schulsenator Ties Rabe, SPD. Obendrein machte die Version die Runde, dass Erwachsene zugeschaut hätten, darunter auch Lehrer.

Die Schuldirektorin Boutez widerspricht, was die Lehrerschaft betrifft. Kolleginnen und Kollegen hätten einige der Schülerinnen und Schüler aus der Menge entfernt und den Ausgang gesichert. Doch sie schreibt, dass man entsetzt sei, "mit welchem Gewaltpotenzial schon Kinder agieren können", wie "in entfremdeter Form gegafft" werde. "Wir sind bestürzt über die scheinbare Empathielosigkeit der Zuschauer."

Die Schule ist nach Ida Ehre benannt, einer jüdischen Schauspielerin und Regisseurin, von den Nazis verfolgt. "Eine Schule für alle", heißt es. In den Klassen soll es nun "Präventionsunterricht" geben, kündigt die Schulleitung an. Man wolle nicht nur über "dieses Selbstverständnis" sprechen, sondern auch "über Courage".

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