Hamburg:Leiche im Lokal

Prozess um einbetonierte Leiche

Polizisten stehen vor dem Lokal, in dem die Leiche gefunden wurde.

(Foto: Bodo Marks/dpa)

Ein Koch erschießt einen angeblichen Schutzgelderpresser, betoniert dessen Körper ein und wird anschließend vor dem Hamburger Landgericht freigesprochen? Ein Urteil sorgt für Diskussionen.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Noch in den Tagen danach staunt Hamburg über das Urteil in einem der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Monate. Am 30. September 2015 hatte der Wirt des Restaurants "Casa Alfredo" im Stadtteil St. Georg einen mutmaßlichen Erpresser während eines Streits erschossen. Alfredo M., 52, tötete Erkan D., 49, mit einem Kopfschuss. Anschließend betonierte er den Toten in einem Nebenraum des Lokals im Fußboden ein, erst zwei Monate später wurden die Überreste entdeckt. Die Polizei ließ das Versteck im November mit Presslufthämmern aufstemmen, nachdem Spürhunde angeschlagen hatten. Alfredo M. gestand und wurde verhaftet. Jetzt hat ihn Hamburgs Landgericht freigesprochen, aber vorbei scheint der Thriller noch nicht zu sein. Denn Verwandte des Getöteten sind sehr wütend.

Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre und drei Monate Gefängnis wegen Totschlags in einem minderschweren Fall gefordert. Die Tat sei "eine Kurzschlussreaktion" gewesen, aber keine Notwehr. Der Richter Joachim Bülter jedoch folgte der Verteidigung des Angeklagten und entschied: Freispruch. Die Tötung sei in dieser Situation durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Auch wenn die Beseitigung der Leiche "unwürdig" gewesen sei und für Angehörige "eine zutiefst verletzende und nahezu unerträgliche Zumutung".

Bülter ahnte, dass sein Beschluss nicht jedem gefallen würde. "Für manchen mag das Urteil vielleicht überraschend oder schwer nachvollziehbar erscheinen", sagte er. Es sei selbst für einen Juristen ein Grenzfall. Zur Begründung schilderte er das, was damals passiert sein soll.

Demnach hatte Alfredo M. den vorbestraften Erkan D. alias "CinCin" 2013 kennengelernt und ihm seither 25 000 Euro bezahlt. Erkan D. gab vor, ihn zu beschützen - obwohl er Bedrohungen wie Belästigungen seiner Gäste oder zerschlagene Fenster offenbar selbst inszenierte. Als Alfredo M. die Zahlungen einstellte, wurde Erkan D. am 30. September 2015 mit einer Pistole bei ihm vorstellig, um seine Monatsrate von 1000 Euro einzutreiben. Er drohte: "Entweder du zahlst, oder einer von uns beiden geht drauf." Auch soll er eine Bemerkung gemacht habe, die klang, als könnte er die beiden Töchter von Alfredo M. in die Prostitution zwingen. Während einer Rangelei ergriff Alfredo M. die Waffe und drückte aus kurzer Distanz ab. Mangels weiterer Zeugen basiert diese Version zwar hauptsächlich auf seiner Aussage. Die Untersuchungen von Todesopfer und Tatort schienen allerdings dazu zu passen.

Im Gericht gab es nach dem Freispruch Ärger. Familienmitglieder von Erkan D. beschimpften Alfredo M. als "Mörder" und "Schwein". Ein Mann hämmerte mit der Hand auf die Scheibe, die den Zuschauerraum vom Verhandlungssaal trennt, und schrie: "Das ist noch nicht das Ende!" Schon nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft war Alfredo M. an einem Prozesstag blutig geschlagen worden. Polizisten und Justizpersonal hielten die Menge nun zurück und brachten Alfredo M. nach draußen.

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