Hamburg (dpa/lno) - Der Rapper Gzuz soll nach dem Willen des Hamburger Landgerichts für acht Monate und zwei Wochen ins Gefängnis kommen. Zugleich verhängte die Strafkammer am Freitag in dem Berufungsprozess eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 2300 Euro, also insgesamt 414.000 Euro. Das Schöffengericht sprach den 33-jährigen Frontmann der Band 187 Strassenbande der Körperverletzung, eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz und zweimaliger Verletzung des Waffengesetzes schuldig.
Am härtesten bestrafte die Kammer den Schlag ins Gesicht einer jungen Frau, die den Rapper am 8. März 2020 morgens auf der Reeperbahn um ein Selfie gebeten hatte. Allein dafür gab es acht Monate Haft.
Das Amtsgericht Hamburg hatte Gzuz im September 2020 wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, Drogenbesitzes, versuchten Diebstahls und Körperverletzung zu 18 Monaten Haft verurteilt. Zudem sollte er eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 1700 Euro - also insgesamt 510.000 Euro - zahlen. Dagegen hatte der Musiker, der mit bürgerlichem Namen Kristoffer Jonas Klauß heißt, Berufung eingelegt.
Seine Verteidiger hatten den Schlag ins Gesicht der 19-Jährigen als „Putativ-Notwehr“ bezeichnet. Gzuz habe glauben müssen, er werde gegen seinen Willen gefilmt, obwohl er bereits fünfmal nein gesagt hatte. Die 19-Jährige habe ihn genötigt und niedrigschwellige Gewalt angewendet. Es sei als ein rechtswidriger Angriff der jungen Frau gewesen, bekräftigte Anwalt Ulf Dreckmann vor der Urteilsverkündung am Freitag. Der Schlag sei darum gerechtfertigt gewesen.
Die Verletzungen - eine blutende Nase, eine Schwellung im Gesicht und Atemnot - seien ein „Kollateralschaden“ gewesen. Dreckmann und sein Kollege Christopher Posch forderten vom Staatsanwalt und vom Gericht einen Perspektivenwechsel. Sie sollten sich in den prominenten Rapper hineinversetzen. 99 von 100 Prozent der Bürger hätten wie Gzuz versucht, das Handy wegzustoßen.
Die Vorsitzende Richterin Nicole Dietrich schlug dem Angeklagten in der Urteilsbegründung ebenfalls einen Perspektivenwechsel vor: „Wenn jemand Ihrer Tochter ins Gesicht schlägt und sie blutet, was würden Sie von der Justiz erwarten?“ Es habe sich nicht um Notwehr gehandelt. Der Rapper sei 1,95 Meter groß, die junge Frau klein und zierlich. Sie sei vielleicht nervig gewesen, aber nicht aggressiv. „Wenn Sie ihr angedroht hätten „Verpiss dich!“ wäre sie auch abgezogen, sagte Dietrich.
Den Vorwurf des Drogenbesitzes ließ das Gericht fallen. Es habe sich nicht zweifelsfrei klären lassen, wem das in der Wohnung des Rappers gefundene Marihuana gehörte. Ein mit Gzuz befreundeter Football-Spieler hatte als Zeuge erklärt, er habe in der Wohnung gewohnt und gekifft. Ein bei der Durchsuchung im April 2018 gefundener „Polenböller“ sei dagegen im Besitz des Angeklagten gewesen. Auch wenn er unter dem Sofa gelegen habe und möglicherweise vergessen worden sei, bedeute das einen Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz, erläuterte die Richterin.
Trotz eines Waffenverbotes für Klauß hatte die Polizei bei der Durchsuchung einer zweiten Wohnung des Rappers in Halstenbek bei Hamburg eine Schreckschusspistole, einen Schalldämpfer, 27 Patronen und einen Teleskopschlagstock sichergestellt. Diese Waffen hätten ihm ebenfalls gehört, stellte das Gericht fest. Ein weiterer Anklagepunkt bezog sich auf eine Tat zu Silvester 2018/19. Gzuz habe auf der Straße mit einer Gaspistole in die Luft geschossen und sich dabei filmen lassen. Das Video sei im Internet veröffentlicht worden.
Eine Bewährungsstrafe sei nicht in Frage gekommen, weil Klauß seit über zehn Jahren immer wieder straffällig geworden sei. Er habe zur Tatzeit unter Bewährung und unter Führungsaufsicht gestanden. Ein psychiatrischer Sachverständiger habe ihm keine gute Sozialprognose gestellt. Weil er seit der Kindheit an ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) leide, habe er eine reduzierte Impulskontrolle und Frustrationstoleranz. Ohne eine Therapie habe er eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit. Ein Therapieangebot habe der Angeklagte aber abgelehnt. „Wir sind der festen Überzeugung, dass es notwendig ist, diese Strafe zu verhängen“, sagte Dietrich.
Hinzu komme sein Spiel mit dem Gangster-Image. Dazu gehöre die Einstellung „Ich mach', was ich will“. Was er als Künstler Gzuz mache, sei für das Gericht irrelevant. Aber sein Image bedinge, dass er auch als Künstler in Situationen komme, wo er etwas Illegales tue. „Und wenn Sie erwischt werden, haben Sie ein Problem.“ Damit bezog sich die Richterin auf die Schüsse mit der Gaspistole. Diese hatte der Angeklagte „imagetechnisch“ erklärt.
Taten dieser Art seien für ihn wirtschaftlich vorteilhaft, schlussfolgerte die Richterin. „Sie machen das, weil es gut für das Geschäft ist.“ Aus diesem Grunde sei auch die hohe Geldstrafe gerechtfertigt.
Klauß hatte sich in dem seit Mitte Januar laufenden Prozess für seine Taten entschuldigt. Während der Urteilsverkündung widersprach er der Richterin mehrmals laut. Gegen das Urteil können seine Anwälte Revision einlegen.
© dpa-infocom, dpa:220302-99-357011/6