Halloween:Von wüsten Weibern und sexy Hexen

Halloween: Die drei Hexen aus Macbeth auf einem Gemäle von Daniel Gardner

Die drei Hexen aus Macbeth auf einem Gemäle von Daniel Gardner

(Foto: National Portrait Gallery)

Hex sells? Vor allem, wenn die Zauberin was hermacht. Doch die Kulturgeschichte der Hexe ist düster - ein Streifzug von Macbeth über Grimms Märchen bis hin zu Bibi Blocksberg.

Von Christian Mayer

Schönheit und Schrecken, Weisheit und Wahnsinn, Zauber und Zerstörung. Wer sich mit Hexen einlässt, muss mit allem rechnen, das weiß am Ende seiner Tage keiner besser als Shakespeares Macbeth. Ihn haben die drei unheimlichen Gestalten, die ihn bei seinem blutigen Aufstieg vom Warlord zum König von Schottland begleiten, in die Irre gelockt, mit einer düsteren Prophezeiung: "Fair is foul, and foul ist fair" ("Schön ist wüst, und wüst ist schön"). Soll keiner sagen, sie hätten ihn nicht auch indirekt gewarnt!

Schon bei "Macbeth" bleibt viel Raum für die Ausgestaltung der drei Nebenrollen. In der Verfilmung von Roman Polanski von 1971 sind sie schamanenhafte Bettelweiber wie aus grauer Vorzeit, in neueren Darstellungen wahlweise Teenager in Schuluniformen, eiskalte Krankenschwestern oder einfach nur rothaarige Vamps.

Als Außenseiterin, die von anderen mit Argwohn betrachtet wird, ist die Hexe seit jeher eine ambivalente, oft auch alterslose Figur, etwas unklar zwischen Gut und Böse angesiedelt. Das macht auch ihre popkulturelle Verführungskraft aus, vor allem jetzt, in der Zeit zwischen Halloween und Karneval. Keine Party ohne bleichgeschminkte Gäste im Walpurga-Kostüm, ohne "Funky Witches" und Frauen, die sich mit hochhackigen Domina-Schuhen und turmhohen schwarzen Hüten präsentieren.

Wohlfühl-Hexen zum Liebhaben

Wer sich die handelsüblichen Kostüme ansieht, stellt schnell fest, wie sehr sich die Figur gewandelt hat: Gab es früher zum Beispiel in der alemannischen Fastnacht noch jede Menge Hexenmasken mit schiefen Zähnen und langen Nasen, so dominiert jetzt die sexy Hexe oder auch die süße Hexe, die zwar noch eine Spinne im Haar trägt, aber nur noch als schickes Accessoire. Sie ist längst nicht mehr mit dem Teufel im Bunde, sondern ein Geschöpf der Unterhaltungsindustrie. Eine Wohlfühl-Hexe zum Liebhaben und Anlehnen.

Kulturhistorisch sieht die Sache deutlich düsterer aus, weil die Zuschreibung, eine Hexe zu sein, mit unmittelbarer Lebensgefahr verbunden war. Der Hexenwahn war ein Massenphänomen, das erst in der Zeit der Aufklärung überwunden wurde. Erstaunlicherweise beginnt die eigentliche Hexenverfolgung in weiten Teilen Europas nicht im angeblich finsteren Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit, einer Zeit der Krisen und der allgemeinen Unsicherheit. Man geht davon aus, dass die meisten Opfer der Hexenverfolgungen in Europa zwischen 1450 und 1780 Frauen waren, doch es gab auch Männer, denen man zur Last legte, mit dem Teufel zu paktieren.

Als Standardwerk der Hexenverfolgung diente die 1486 in Speyer veröffentlichte Schrift "Der Hexenhammer" (lateinisch: Malleus maleficarum) des Dominikaners Heinrich Kramer. Ein in vieler Hinsicht fatales Buch, weil es rasch Verbreitung fand und als inoffizielle Handlungsanleitung verstanden wurde, als Aufforderung zur Denunzierung. Und die Ankläger, die oft im Namen der Kirche handelten, fanden hier, was sie suchten: ein Traktat über die schwarze Magie, über das Wesen der Hexen an sich und die notwendige Bestrafung. Geständnisse wurden in der Regel durch überaus grausame Folterpraktiken erzwungen.

"Das Charakteristikum der Hexerei war der Kontrakt zwischen Mensch und Dämon", schreibt der Neuzeit-Historiker Johannes Dillinger in seinem Buch "Hexen und Magie" (2007). "Der Dämon zeigte sich in menschlicher Gestalt als Mann oder Frau, um mit der Hexe respektive dem Hexer den Geschlechtsverkehr auszuüben. Hexen waren grundsätzlich keine Einzeltäter. Sie bildeten vielmehr eine Gruppe ähnlich einer Sekte oder kriminellen Bande."

Bei den Gebrüdern Grimm war die Hexe ein mordlustiges Weib

Beim sogenannten "Hexensabbat" fliegen die vom Dämon ertüchtigten Hexen durch die Luft zu einem geheimen Treffpunkt, wo sie dann den "Schadenzauber" (lateinisch: maleficium) ausüben, der im "Hexenhammer" detailliert beschrieben wird. Nicht verschwiegen werden sollte auch die Tatsache, dass selbst ein Reformer wie Martin Luther tatsächlich an den Teufelspakt glaubte und sich in Predigten und Briefen für die gerichtliche Verfolgung von Hexen und Zauberern aussprach.

Noch in Grimms Märchen hat die böse Hexe einen unvergesslichen Auftritt. Sie lockt als fast blindes, aber immer noch mordlustiges Weib ihre Opfer in ihr Pfefferkuchenhaus. Nur mithilfe einer List gelingt Hänsel und Gretel die Flucht aus der Gefangenschaft, und wieder muss die Hexe brennen, dieses Mal nicht auf dem Scheiterhaufen, sondern im eigenen Ofen. Ja, es ist schon eine bemerkenswerte Entwicklung von dieser zynischen Menschenfresserin ("knusper, knusper, Knäuschen") hin zu den kinderfreundlichen Spaß-Hexen der Gegenwart, zu Bibi Blocksberg und ihren zauberhaften Kolleginnen.

Otfried Preußler machte die Hexe zur freundlichen Figur

Nicht ganz unschuldig daran ist der Autor Otfried Preußler: In seinem erstmals 1957 veröffentlichten Kinderbuchklassiker "Die kleine Hexe" dreht sich alles um eine 127 Jahre alte Jung-Zauberin, die völlig aus der Art schlägt, weil sie ausgesprochen freundlich und hilfsbereit zu Menschen und Tieren ist. Dass die Geschichte gerade jetzt mit der elfenhaften Karoline Herfurth in der Hauptrolle für einen großen Kinofilm noch einmal neu erzählt wird, kommt nicht von ungefähr. In immer neuen Filmversionen lebt das Märchen von der Hexe weiter, mal als Fantasyfilm "Hänsel und Gretel - Hexenjäger", mal als Teenager-Serie "Emma, einfach magisch", mal als Historiendrama "The Witch".

Ist die Ästhetisierung des Hässlichen damit abgeschlossen, die Hexe endgültig gezähmt? Na ja, nicht ganz. Gelegentlich schimmern uralte Muster durch. Das Bild der wollüstigen Verführerin hält sich bis heute in der Literatur, in der Kunst, auch in der Werbung. "Départ pour le Sabbat" heißt das berühmte Bild des französischen Malers Albert Joseph Pénot, das heute noch als Motiv für Retro-Zigarettenetuis dient. Die schöne Nackte, die mit wallendem Haar vor dramatischer Wolkenkulisse auf ihrem Besen reitet, hatte es schon vor hundert Jahren den Zeitgenossen angetan: Hex sells.

Dämonisch wie Cher, Susan Sarandon und Michelle Pfeiffer

Dieser Trend hält bis heute an. Klar, dass auch das Model Cara Delevingne nicht zurückstehen will: In der Comic-Verfilmung "Suicide Squad" spielt die Britin eine Hexe namens "Enchantress", die nicht nur aus der Zeit, sondern auch tief in den Schminktopf gefallen ist.

Selten waren sie aber so frivol, so eifersüchtig und zugleich so außer sich vor Leidenschaft wie im Film "Die Hexen von Eastwick" nach dem Roman des amerikanischen Schriftstellers John Updike. Die Großschauspielerinnen Cher, Susan Sarandon und Michelle Pfeiffer bilden hier ein teuflisch gutes Trio; in ihrer Kleinstadt-Tristesse verzehren sie sich nach dem idealen Mann. Der kommt dann auch, in Gestalt des Hexenmeisters Jack Nicholson, der im Film ein paar hinreißend verdrehte Momente hat und sich, ausgestreckt auf dem Lotterbett, mit den Worten präsentiert: "I'm just your average horny litte devil."

Wenn der Dämon dermaßen dreist daherkommt und auch noch so grinst wie Jack Nicholson, hat man meist schon verloren. Für die aktuelle Halloween-Party sind solche Sprüche allerdings eher ungeeignet. Hex, hex: Dieser Befehl wirkt nur, wenn man auch über magische Fähigkeiten verfügt.

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