Es wirkte, als seien Schmuggler auf der Flucht: Junge Chinesen versteckten sich in den Seitenstraßen der Metropole Shanghai, unter ihren Jacken vermeintlich verbotene Gegenstände. Tatsächlich waren es Halloween-Kostüme, die da durch die Stadt geschmuggelt wurden. So zeigten es Aufnahmen, die am Wochenende in den sozialen Medien kursierten. Wann immer die Polizei nicht hinschaute, streiften sich die jungen Leute ihre Verkleidungen über und liefen los, bis Sicherheitskräfte sie stoppten. Teilweise befragten die Polizisten die Verkleideten, zwangen sie, ihre Kostüme wieder auszuziehen und sich abzuschminken, einige Feiernde wurden abgeführt.
Eigentlich ist Halloween in China nicht verboten. Wie Weihnachten gehört das Fest zu den westlichen Traditionen, die in den vergangenen Jahren in den Großstädten an Popularität gewonnen haben. Einkaufszentren sind mit Kürbissen und Skelett-Deko geschmückt, Bars veranstalten Kostümpartys, auch im Shanghaier Disneyland sind dieses Jahr Aktivitäten geplant. Auf den Straßen versuchen die Behörden der Finanzmetropole jedoch die Feierlichkeiten rund um das Halloweenfest am Donnerstag dieser Woche zu unterbinden.
Zuvor waren interne Mitteilungen der Polizei bekannt geworden, laut denen Verkleidungen in einigen Teilen der Stadt verboten werden sollten. Zunächst sollten Kostümierte mündlich verwarnt, dann sollte Zwang angewendet werden. Die Stadtbehörden sprachen von „notwendigem Management“, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bürger zu garantieren.
Vergangenes Jahr zogen Kostümierte mit übergroßen Corona-Teststäbchen durch die Stadt
Grund für das harte Vorgehen gegen die Halloween-Enthusiasten dürften die Feierlichkeiten im vergangenen Jahr sein. Damals nutzten viele Shanghaier das Fest, um sich mit ihren Kostümen über die Regierung lustig zu machen. Ein Jahr nach Ende der drakonischen Corona-Politik verkleideten sie sich etwa als Seuchenwächter mit übergroßen Teststäbchen und teilten Desinfektionsmittel an Passanten aus. Andere zogen in Kostümen der literarischen Figur Winnie Puuh durch die Stadt. Der Kinderheld gilt in China als politisch sensibel, seit Internetnutzer eine gewisse Ähnlichkeit zu Staatschef Xi Jinping entdeckt haben wollen. Manche wiederum protestierten verkleidet als Überwachungskameras.
Bilder der bunten Menge gingen im Jahr 2023 schnell viral. Darunter auch das Foto einer Frau, die sich mit weißen Zetteln beklebt hatte. Eine Anspielung auf die Massenproteste fast ein Jahr zuvor, bei denen Tausende Menschen gegen die strikte Corona-Politik auf die Straße gegangen waren. Die Demonstranten hatten damals als Kritik an der Zensur unbeschriebene Blätter hochgehalten.
Kaum einen Ort traf es in der Pandemie in China so heftig wie Shanghai. Die Behörden verhängten im April 2022 einen fast dreimonatigen Lockdown, in dem es auch zu Lebensmittel-Engpässen kam. Das teils willkürliche Vorgehen in der Finanzmetropole erschütterte das Vertrauen vieler Unternehmer und Investoren. Der Shanghai-Lockdown gilt als Sinnbild für ein China unter Xi Jinping, in dem Ideologie wichtiger ist als Wachstum. Dass die umfassende Kontrolle auch nach der Pandemie nicht vorbei ist, zeigt nun das Halloween-Verbot.