Halloween:Der ganz reale Horror

Alltagshorror
(Foto: Imago/Collage: SZ)

Kunstblut, Horrormasken, Riesenspinnen: An Halloween betreiben Menschen erstaunlichen Aufwand, um sich zu gruseln. Dabei ist der Alltag schrecklich genug. Acht schauderhafte Beispiele.

Von Titus Arnu und Martin Zips

Es ist wieder Halloween, das Fest von Kunstblut, Horrormaske und Plastikskelett. Der Mensch liebt den künstlich erzeugten Grusel, weil er ihn an seine eigene Endlichkeit erinnert und dabei wohlig erschauern lässt. "Angstlust", nennen Psychologen das Gefühl, welches sich auch beim Betrachten von Horrorfilmen, beim Lesen von Gespenstergeschichten oder beim Besuch einer Geisterbahn einstellt. Da geht der Puls - evolutionär bedingt - schnell mal auf 180, obwohl ja eigentlich klar ist, dass keine reale Gefahr besteht. Doch wozu braucht man eigentlich Halloween? Findet sich der wahre Horror nicht schon im Alltag?

1. Grauenvoller Glibber

Wirklich gruselig, wie im Film "The Nightmare Before Christmas" Dr. Finklestein seine Schädeldecke aufklappt, um sich an seinem glibberigen Gehirn zu kratzen. Aber diesen Horror kann man auch an jeder deutschen Fleischtheke erleben. In der sogenannten "Sülze" wabbeln mysteriöse Stückchen in Aspik. Vielleicht waren die Stückchen früher mal ein Schweinskopf, vielleicht aber auch was ganz anderes. Jedenfalls sieht das Zeug aus, als stamme es aus der Sammlung eines Pathologischen Instituts. Wozu sich also im Horrorladen zur Halloween-Party mit Gummi-Hirn eindecken? Angesichts der furchterregenden Glibbermasse aus dem Kühlregal wird schon jeder Metzgerbesuch zum Grusel-Event. Auf der Liste "Top 10 Weirdest German Foods", zusammengestellt vom amerikanischen Blogger Kirby Merkin, belegt die Sülze übrigens Platz 9. Begründung: Das Zeug wirkt "wie ein Mordopfer, das in einem Schaufenster ausgestellt wird".

2. Schaurige Stimmen

Im Horror-Thriller "Poltergeist" von 1982 bewegen sich Haushaltsgegenstände wie von Geisterhand. Ein kleines Mädchen bespricht ernste Dinge mit einem rauschenden Fernseher. Lichter gehen von alleine an und aus. Schauderhaft? Na ja. Knapp vier Jahrzehnte später ist so etwas völlig normal und gilt als modern, es heißt nur nicht "Geisterhaus", sondern "Smart Home". Lichter gehen von alleine an und aus, Saugroboter und Drohnen machen die Gegend unsicher, Menschen sprechen ernsthaft mit ihren Elektrogeräten. Von irgendwoher erklingt eine unnatürliche Stimme, die uns angeblich im Alltag helfen soll - aber in Wirklichkeit wissen Alexa und Siri längst alles über uns und steuern wahrscheinlich unsere Gedanken. Und wir geben diesen Poltergeistern freiwillig unser Geld und unsere Daten? Das ist ja wirklich gruselig!

3. Mörderische Masken

In der (hier nicht weiter zu empfehlenden) Hollywood-Horror-Schocker-Reihe "Scream" verbreitet ein Unhold mit einer auf Edvard Munchs berühmtes Gemälde anspielenden Gesichtsmaske Angst und Schrecken. Die Filmreihe wurde in der Alptraumfabrik von Harvey Weinstein entwickelt. Und interessant: Seit einigen Jahren gibt es Gesichtsmasken, mit denen man als Harvey Weinstein verkleidet auf eine Halloween-Party gehen kann. Das ist natürlich geschmacklos. Aber Halloween-Partys sind ja per se geschmacklos. Also fährt man dieser Tage lieber nach Oslo, besorgt sich ein Ticket für das neue Edvard-Munch-Museum und schaut sich dort zum Beispiel "Der Schrei" an. Womöglich gibt es im Museumsshop sogar Mundnasenschutzmasken mit expressionistisch angehauchtem Grusel-Aufdruck.

4. Miese Metallmonster

Um pünktlich zu Halloween mal wieder so richtig in Stimmung zu kommen, empfiehlt sich die Betrachtung des Stephen-King-Klassikers "Trucks - out of Control". Hier bedrängen bösartige LKW arglose Autofahrerinnen. Derlei kann man draußen freilich auch in leichteren Fahrzeugklassen beobachten. Zwar ist kein SUV von Haus aus böse. Nein. Im Vergleich zu Stephen-King-Trucks sind die zwei Tonnen schweren Stadtpanzer meist sogar recht friedlich. Aber natürlich fürchtet man sich vor ihrer fiesen Fresse. Ein Kühlergrill, der wie ein Haigebiss wirkt, dazu der böse Blick aus Neonlichtern - da springt man doch lieber gleich zur Seite. Ja, es stimmt: Miese Metallmonster mit raubtierartigen Frontpartien bedrohen arglose Verkehrsteilnehmer.

5. Schlimme Schleimer

Eine schleimige Gallertmasse greift im Science-Fiction-Horrorfilm "The Blob - Schrecken ohne Namen" von 1958 die Menschheit an. Das außerirdische Schlonzmonster wird mit jedem Opfer, das es lebendig verspeist, größer und gefährlicher. Schrecken ohne Namen? Von wegen. Der ganz reale gallertartige Schrecken heißt "Schnecke", und er ist viel gefräßiger als "The Blob". Schnecken sind klein und langsam, aber sie können mit ihren 40.000 brutalen Raspelzähnen ungeheuerliche Schäden im Gemüsegarten anrichten. Und was der junge Steve ­McQueen in "The Blob" nicht ahnte, als er vor einem menschenfressenden Schleimer warnte: Kürzlich wurde im "Parc zoologique de Paris" ein Wesen entdeckt, das weder Pflanze, Tier noch Pilz ist. Es heißt Physarum polycephalum und wird mit jeder Nahrung, das es verspeist, größer. "The Blob" lebt.

6. Läppische Leuchten

Für eine Szene im Film "Verdacht", in der Cary Grant in einem wenig beleuchteten Treppenhaus ein Glas Kuhmilch auf einem Tablett in den ersten Stock trägt, hatte Regisseur Alfred Hitchcock eine geniale Idee: Er ließ eine batteriebetriebene Glühbirne in das Milchglas einbauen, damit es besonders schaurig wirkt. Als Zuschauer fürchtete man sofort, Herr Grant könne mit der leuchtenden Kuhmilch jemanden vergiften, womöglich eine Frau. Heute, 80 Jahre später, rennt fast jeder mit so einem leuchtenden Apparat irgendwo herum. Nicht nur durchs Treppenhaus. Auch im Kino, in der Oper oder dem Theater bleibt es meistens eingeschaltet. Gruselig! Am liebsten würde man den Smartphone-Zombies all ihre Handys entreißen und in einen riesigen Bottich voller Milch werfen. Heute müsste es freilich ein Bottich mit Hafermilch sein.

7. Gruselige Grinser

Ursprünglich sollten Clowns ja gute Laune verbreiten. Doch in der Populärkultur treten sie seit Mitte der 1980er Jahre als dunkle Gestalten auf, deren böse Absichten grell überschminkt sind. Als Prototyp gilt der blutrünstige Clown Pennywise aus dem Stephen-King-Buch "Es" von 1986. Nicht nur Menschen, die unter Coulrophobie leiden, der krankhaften Angst vor Clowns, fühlen sich von gruselig grinsenden Pappnasen verfolgt. Im öffentlichen Leben wimmelt es von Horror-Clowns. In der Politik ohnehin, in der Schlagerbranche gehören gruseliges Grinsen und eine ins Gesicht betonierte Gute-Laune-Fassade zum Berufsprofil. Und auch im Kollegen- und Bekanntenkreis tauchen immer öfter Gestalten auf, die verdächtig grinsen und "Alles gut!" sagen, obwohl gar nicht alles gut ist. Die Horror-Clowns lauern nicht im Gulli wie bei "Es", sie haben unsere Gesellschaft längst komplett unterwandert.

8. Horror-Hunde

Wenn Hexen, Teufel, Vampire und andere traditionelle Schreckensgestalten ihren Dienst getan haben, müssen außerirdische Monster ran. Tentakelartige Gliedmaßen, unnatürlich wirkende Haut, kleine stechende Augen - rätselhafte Wesen aus anderen Galaxien verkörpern die schlimmsten Ängste der Menschen. Ob Aliens überhaupt existieren, ist ungewiss - aber der Verdacht liegt nahe, dass sie längst unter uns sind. Nehmen wir Nackthunde wie den mexikanischen Xoloitzcuintle: abstehende Fledermausohren, stechende kleine Augen, Schwanz wie ein Kabelbinder, glänzende Runzelhaut. Dieses Wesen sieht aus, als komme es aus dem Jenseits oder einer Nachbargalaxie. Warum existieren fellfreie Hunde überhaupt? Teile der Antwort könnten die Bevölkerung verunsichern, deshalb nur so viel: Die mexikanischen Nackthunde wurden schon vor 3500 Jahren von den Azteken gezüchtet, die auch Menschenopfer zelebrierten. Die Rasse ist benannt nach dem hundeköpfigen Gott Xolotl, der angeblich die Toten auf dem Weg in die Unterwelt begleitet. Uaahh, das reicht... Schluss, Aus, Platz.

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