Süddeutsche Zeitung

Halloween-Dekoration:Schreck, lass nicht nach!

Im Garten gibt es ein Exorzistenzelt, im Pool treibt eine kopflose Leiche und der Schuppen wird zum "Panic Room": Schon seit Februar bastelt Norman Lorenz Grusel-Dekoration für sein Haus. Warum lieben Leute wie er Halloween so sehr?

Von Alexander Menden, Gelsenkirchen

Norman Lorenz hat mit der Zeit gelernt, dass man Menschen schon mit Kleinigkeiten einen Schreck einjagen kann, wenn die Bedingungen stimmen. "Man muss nur jemanden mit einer Feder in der Kniekehle kitzeln", sagt Lorenz, 30, während er durch seinen mit Grabsteinen und anderen Gruselparaphernalien ausstaffierten Garten führt. "Erst ganz leicht, dann ein bisschen mehr. Wenn es dunkel und neblig ist, mit den richtigen Geräuschen, rasten die Leute da schon total aus." Der Schockeffekt verstärkt sich um ein Vielfaches, wenn von draußen ein Zombie an die Tür hämmert und irgendwann jemand hinter einem Vorhang hervorspringt und schreit.

Früher war der Schuppen in Lorenz' Garten im Gelsenkirchener Stadtteil Horst ein Taubenschlag; den größten Teil des Jahres nutzt der Servicetechniker ihn als Werkstatt. Jetzt, zu Halloween, hat er ihn in einen "Panic Room" umgebaut. Der Dunst aus der Nebelmaschine - eine von zwölfen, die Lorenz und sein Nachbar Thomas Klebba angeschafft haben - duftet nach Vanille. Der Rest des Programms aber hat wenig von einer Aromatherapie. Im Stroboskoplicht lassen Subwoofer den Boden mit Bässen und Geschrei erbeben, und als Pièce de Résistance laufen auf einem hochkant verbauten Plasmabildschirm hinter einer Attrappentür Filme von Gedärme fressenden Zombies. Die habe er eigens von einer Firma in den USA gekauft, die sonst Freizeitparks beliefert, erwähnt Lorenz nicht ohne Stolz. "Der Panic Room ist erst ab 14", erklärt er, "auch wenn manche ihre Sechsjährigen mit reinbringen wollen."

"Die Deutschen haben ein besonderes Faible fürs Düstere"

Das "Horrorhaus Lokle" (der Name setzt sich aus den Anfangssilben der Familien Lorenz und Klebba zusammen) gehört zur wachsenden Zahl von Privathäusern, die deutschlandweit alljährlich zu Halloween in Gruselattraktionen verwandelt werden. Er selbst sei über Facebook mit etwa 300 anderen Horrorhaus-Enthusiasten in Kontakt, sagt Lorenz. Das geht weit über ein paar Plastikskelette, Kürbisse und Hexenbesen an der Fassade hinaus. In Foren holt man sich Tipps zur preiswerten Herstellung von Kunstblut oder zum Bau immer aufwendigerer, technisch ausgefeilterer Schocks, die gegen Ende Oktober rund ums Haus aufgebaut und der Öffentlichkeit als saisonale Geisterbahnen zugänglich gemacht werden.

Das angeblich in keltischen Volksbräuchen wurzelnde Halloween, das in seiner amerikanischen Kommerzvariante Anfang der Neunzigerjahre in Deutschland Fuß zu fassen begann, hat sich mittlerweile als umsatzsteigernde Konsumgelegenheit fest etabliert. Allein 2017 wurden in Deutschland 1700 Tonnen Süßigkeiten im Gesamtwert von etwa zehn Millionen Euro verkauft. Besonders in Gegenden, in denen es keine Karnevalstradition oder althergebrachte "Heischebräuche" wie das rheinische Martinssingen gibt, bietet Halloween Kindern Gelegenheit, Süßes einzusammeln, und Erwachsenen, sich zu verkleiden.

Holger Schliemann, Gründer des "Grusellabyrinths NRW" in Bottrop, ist der Ansicht, dass die hiesige Ausprägung etwas finsterer sei als die in den USA: "Die Deutschen haben, glaube ich, ein besonderes Faible fürs Düstere. Das fängt etwa schon bei den Mythen von umherwandernden Nachtmahren an. Mit Halloween hat das einen festen Platz im Jahr." Sein Grusellabyrinth entstand 2002 aus einer Halloween-Idee: Um den Herbstbetrieb im Ausflugslokal seiner Eltern in Kiel anzukurbeln, organisierte Schliemann testweise Halloween-Veranstaltungen: "Das war damals ganz neu und kam sehr gut an", erzählt er. Inzwischen ist das Grusellabyrinth eine ganzjährig geöffnete Attraktion in einer ehemaligen Fabrikhalle, wo die Besucher an interaktiven Inszenierungen teilnehmen können. "Grusel hilft, Endorphine auszuschütten", sagt Schliemann. "Das funktioniert wie bei einer Achterbahn."

Im Pool treibt eine kopflose Leiche

Das Gelsenkirchener Horrorhaus, das am Abend des 31. Oktober den größten Zustrom erlebt, ist zwar etwas bescheidener, dafür kostet es keinen Eintritt. Was vor neun Jahren als Polterabend mit Halloween-Thema begann, beschäftigt Norman Lorenz und Thomas Klebba mittlerweile von Februar bis Oktober. "Tausende von Euro" hätten sie in die Dekoration gesteckt - vor allem, weil ihnen die Bastelei Spaß mache. Statische Requisiten reichen längst nicht mehr: Vor dem Haus, einer ehemaligen Zechenwohnung, die mit ihrer grauverputzten Fassade wie gemacht scheint für ein Gruselprojekt, sitzt eine Puppe auf einem selbstgebauten elektrischen Stuhl. Passanten können den Delinquenten per Knopfdruck erzittern lassen. Hinten, im stattliche 2500 Quadratmeter umfassenden Garten, gibt es neben dem "Panic Room" ein Exorzistenzelt, in dem eine Kinderpuppe über einem Bett schwebt. Im Swimmingpool treibt eine kopflose Leiche - alles selbstgebaut, nur Spinnennetze müsse man kaufen, sagt Lorenz.

Für ihn ist Halloween vor allem ein Gemeinschaftserlebnis: "Es kommen Hunderte von Leuten, wir haben ein Dutzend Freiwillige als 'Live-Erschrecker', zwei davon sind meine Kinder. Die Nachbarn helfen mit, es gibt Bier und Würstchen." Seine Mutter habe sich Sorgen gemacht, dass sich die Besucher danebenbenehmen würden. "Aber das läuft alles super, da muss man hinterher nichts aufräumen." Derzeit überlege er, einen Verein privater Gruselhausbetreiber zu gründen. Seine Frau, die das Ganze relativ klaglos dulde, habe ihm jedoch ein Versprechen abgenommen: "Ich muss neben der Halloween-Bastelei irgendwann auch mal unsere Treppe renovieren."

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SZ vom 31.10.2018/olkl
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