Vor einer Woche hat er im Gefängnis Burg bei Magdeburg zwei Geiseln genommen, um freizukommen - nun sitzt der Attentäter von Halle in Bayern ein. Für wie lange, ist unklar. Mit einem Polizeihubschrauber wurde Stephan B. am Dienstagmorgen nach Augsburg geflogen, wie die Justizministerien von Bayern und Sachsen-Anhalt mitteilten. Offenbar unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen: Bewacht wurde er demnach von einer bewaffneten Spezialeinheit des Justizvollzugs von Sachsen-Anhalt, An- und Abfahrt vom Helikopter begleiteten Spezialkräfte der Polizei.
Besondere Sicherheitsmaßnahmen für einen besonders gefährlichen Verbrecher. Stephan B. hat für den tödlichen Anschlag auf die Synagoge von Halle vor zwei Jahren die höchstmögliche Strafe im deutschen Rechtssystem bekommen: lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung. Mindestens zweimal versuchte der 30-Jährige seitdem, aus dem Gefängnis zu fliehen - zuletzt am Montagabend vergangener Woche, als er zwei Justizbedienstete in seine Gewalt brachte.
Dass ein Gefangener nach solch einem Vorfall in eine andere Anstalt verlegt wird, ist üblich. Nur kommt für solche Fälle nicht jedes Gefängnis in Frage. Die Justizverwaltungen der Länder klären in solch einem Fall untereinander, wo ein geeigneter Haftplatz frei ist - und am Ende steht wie in diesem Fall eine formelle Anfrage Sachsen-Anhalts, den Gefangenen zu übernehmen. Bayern gab ihr statt und schickt "im Gegenzug" einen anderen Häftlinge nach Sachsen-Anhalt, wie das Ministerium in München mitteilt. Der Vorteil einer solchen Verlegung sei: "Häftlinge mit Gewaltpotential kennen weder die Räumlichkeiten und organisatorischen Abläufe noch die Mitgefangenen in ihrer neuen Justizvollzugsanstalt, was Planungen für neue Straftaten erschwert."
Dass B. nun an den nördlichen Stadtrand Augsburgs gekommen ist, überrascht einerseits: Die dortige JVA ist eigentlich vor allem für Untersuchungshäftlinge gedacht, nicht für Verurteilte, die langjährige Haftstrafen absitzen müssen. Andererseits gilt die erst sieben Jahre alte Einrichtung auf einem früheren Militärflugplatz als Bayerns modernste Anstalt. Das bayerische Justizministerium formuliert das so: "Sie ist mit aktueller Sicherheitstechnik gegen Entweichungen ausgestattet und verfügt über besonders sichere Hafträume".
Dass Stephan B. nun den Rest seines Lebens in Augsburg-Gablingen bleibt, ist eher unwahrscheinlich: Dorthin sei er "vorübergehend" verlegt worden, heißt es aus dem Justizministerium. Wo Verurteilte ihre Strafen absitzen müssen, hängt von mehreren Faktoren ab: Ob Frau oder Mann, ob lange oder kurze Haftstrafe, ob zum ersten Mal im Gefängnis oder nicht - für alle Fälle regeln sogenannte Vollstreckungspläne in den Bundesländern die Zuständigkeit. Häftlinge können auch eine Verlegung beantragen, beispielsweise um näher bei ihrer Familie zu sein.
Ermittlungsverfahren wegen Geiselnahme
Gegen B. ermittelt wegen der Geiselnahme nun die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg. Er soll mit einem mutmaßlich selbstgebastelten Gegenstand den ersten Bediensteten in seine Gewalt gebracht haben, als er am Abend in seine Zelle eingeschlossen werden sollte. Die Anstaltsleiterin der JVA Burg beschrieb den Gegenstand in der vergangenen Woche als gerolltes Blatt Papier, das mit einem Bleistift verstärkt gewesen sei und an dem sich ein Stück Metall wie eine Art Scharnier befunden habe. Nach weniger als einer Stunde wurde B. überwältigt. Die Bediensteten blieben laut Justizministerium äußerlich unverletzt, wurden aber betreut.
Seit seiner Verhaftung wurde B. mehrmals im Gefängnis auffällig, er gilt als äußerst schwieriger Gefangener. Bereits an Pfingsten 2020, damals noch im Gefängnis von Halle, versuchte er zu fliehen, kletterte während eines Hofgangs über einen 3,40 Meter hohen Zaun und suchte fünf Minuten lang ohne Aufsicht nach Auswegen aus dem Gefängnis, bevor ihn Justizbedienstete wieder schnappten. Dort sitzt er, weil er 2019 versucht hatte, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als es ihm nicht gelang, ermordete er nahe der Synagoge zwei Menschen und verletzte weitere. Auch damals hatte er selbstgebaute Waffen dabei.