Hakenkreuz-Fall von Mittweida:Heldin unter Verdacht

An diesem Freitag könnte das Urteil im sogenannten Hakenkreuz-Fall gesprochen werden, der vor knapp einem Jahr bundesweit Aufsehen erregte.

Christiane Kohl

Die Nachricht aus der sächsischen Kleinstadt Mittweida war schockierend: Ein 17-jähriges Mädchen habe, wie es hieß, ein Aussiedlerkind vor dem Zugriff von vier Rechtsextremen geschützt, daraufhin hätten diese Rebecca S., der jungen Frau, ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt.

Mittweida dpa

Rebecca K., aufgenommen im Februar 2008 im Rathaus in Mittweida, kurz bevor sie den Ehrenpreis für Zivilcourage des bundesweiten "Bündnisses für Demokratie und Toleranz - Gegen Extremismus und Gewalt" erhielt.

(Foto: Foto: dpa)

An diesem Freitag könnte am Amtsgericht Hainichen nun das Urteil im sogenannten Hakenkreuz-Fall gesprochen werden, der vor knapp einem Jahr bundesweit Aufsehen erregte. Freilich sitzen nicht etwa Rechtsradikale auf der Anklagebank, vielmehr wird das inzwischen 18-jährige Mädchen beschuldigt, sich die Verletzung selbst zugefügt zu haben.

Doch hält Axel Schweppe, der Anwalt von Rebecca S., eine Verurteilung seiner Mandantin für unwahrscheinlich: "Es gibt keine stichhaltigen Indizien, die eine Fremdbeibringung der Verletzung ausschließen."

Im November 2007 soll sich der Vorfall in einer Plattenbausiedlung am Rande von Mittweida abgespielt haben, direkt vor einem Supermarkt. Tage später meldete sich Rebecca S. bei der Polizei. Ihren Erzählungen zufolge sollen eine Reihe von Anwohnern von ihren Balkonen aus untätig zugeschaut haben, während die vier Männer in Bomberjacken ihr die Ritzung zugefügt hätten.

Zunächst schenkten die Ermittler dem Mädchen offenbar uneingeschränkt Glauben: Ihre Darstellung sei "sehr glaubwürdig" und auch durch ein Gutachten belegt, bestätigte die Polizei. Hinzu kam, dass das Städtchen Mittweida tatsächlich ein Problem mit Rechtsradikalen hat.

So gab es erst in diesem Sommer wieder einen Anschlag gegen einen Jugendclub. Etwa zur selben Zeit wurden drei Anführer einer neofaschistischen Kampfgruppe namens "Sturm 34" wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verurteilt. Zuvor hatten sie jahrelang ihr Unwesen im Raum Mittweida getrieben, und dies mag mit dazu beigetragen haben, dass Rebecca S. als Heldin gefeiert wurde und noch im Februar einen Preis für Zivilcourage bekam. Unterdessen hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen sie wegen Vortäuschung einer Misshandlung aufgenommen. Ein Gutachter hatte festgestellt, dass die Verletzungen dergestalt waren, dass sich das Mädchen sie auch selbst hätte zufügen können. Überdies kamen Zweifel auf, ob das Aussiedlerkind, dem Rebecca S. zur Hilfe geeilt sein wollte, je am vermeintlichen Tatort gewesen war.

Seit Mitte September verhandelt das Gericht, unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurden 25 Zeugen vernommen - Nachbarn, Klassenkameraden, Vernehmungsbeamte und Anwohner des Platzes, wo der Zwischenfall sich abgespielt haben soll. "Keiner hat etwas gesehen", berichtet der Anwalt Schweppe und moniert: "Die Befragungen waren einfach viel zu spät aufgenommen worden, um Licht ins Dunkel zu bringen". Die Eltern des Mädchens sind überzeugt, dass Rebecca S. sich die Verletzung keinesfalls selbst zugefügt habe - "so etwas würde sie nicht tun", erklärten sie dem Gericht.

Der Prozess beginnt um 9 Uhr. Auf sueddeutsche.de finden Sie im Laufe des Tages die Entwicklungen und Entscheidungen.

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